Der Welt-Alzheimertag steht in Deutschland in diesem Jahr unter dem Motto „Demenz – genau hinsehen!“ Wird die Diagnose Demenz gestellt, sehen wir manchmal statt des Menschen nur noch die Krankheit. Doch Menschen mit Demenz verfügen über Fähigkeiten, wollen selbstbestimmt leben, wollen mit einbezogen werden, wollen sich aktiv einbringen. Damit Menschen mit Demenz teilhaben können, heißt es genau hinsehen: Langsamer reden, den Blickkontakt suchen, einfache Worte wählen, geduldig sein. Und es heißt aufmerksam sein, ob jemand im Supermarkt, im Bus, auf der Straße oder anderswo unsere Unterstützung benötigt. Eine Demenzerkrankung ist keine Seltenheit. Jeden Tag erkranken durchschnittlich 900 Menschen in Deutschland an einer Demenz, jedes Jahr kommen mehr als 300.000 Neuerkrankungen dazu. Entsprechend könnte man davon ausgehen, dass unsere Gesellschaft an einen offenen und natürlichen Umgang mit Betroffenen gewöhnt ist. Doch es ist anders. Wird über Demenz gesprochen, so meist in der Form der „Andersartigkeit als Abweichung von der Normalität.“ Demenz ist normal! Es ist eine Krankheit, die in unserer Gesellschaft keine abwegige Besonderheit darstellt. Und doch werden betroffene Menschen von der Gesellschaft nach wie vor wegen dieser vermeintlichen Andersartigkeit stigmatisiert und ausgegrenzt. Dies geschieht meist aus Unwissenheit, Unsicherheit oder Falschinformation. Eine falsche Scham hindert Betroffene sowie An- und Zugehörige daran, offen über die Erkrankung zu sprechen. Das zu ändern schaffen wir nur als Gesellschaft gemeinsam. Menschen mit Demenz wollen -genau wie Sie und ich - weiterhin an Aktivitäten teilnehmen und ihren Alltag möglichst lange selbstbestimmt gestalten. Wir müssen uns bewusst darüber sein, dass Menschen mit Demenz zu jedem Zeitpunkt in unserer Mitte leben. Deswegen fordern wir mit dem Motto des diesjährigen Welt-Alzheimertag am 21. September dazu auf: Demenz – genau hinsehen! Zum Welt-Alzheimertag und in der Woche der Demenz, die vom 20. bis 26. September dauert, finden wieder zahlreiche Veranstaltungen statt. Informieren Sie sich unter www.welt-alzheimertag.de Welt-Alzheimer Report „Journey through the diagnosis of dementia“ Heute hat der weltweite Dachverband Alzheimer’s Disease International (ADI) seinen jährlichen Bericht zur Situation von Menschen mit Demenz veröffentlicht. Der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf der Diagnose und dem oft langen Weg dorthin. Wichtigste Erkenntnisse sind: Weltweit erhalten rund 75 Prozent der Erkrankten keine Diagnose, in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen sind es bis zu 90 Prozent – doch auch in Deutschland sind es weniger als 50 Prozent der Betroffenen, bei denen die Krankheit von einem Arzt diagnostiziert wird. Ein großes Problem dabei ist, dass ein Drittel der Ärzte glauben, dass es keine Behandlungsoptionen gebe, und daher keine Diagnose stellen. Aufgrund der Corona-Pandemie kam es zu zusätzlichen Verzögerungen bei der Diagnosestellung, wie rund 90 Prozent der befragten Ärzte berichteten. Auf den tsunamiartigen Anstieg der Nachfrage nach Diagnostik, sobald einfachere Diagnose-Methoden und möglicherweise medikamentöse Therapien zur Verfügung stehen, sind die Gesundheitssysteme nicht vorbereitet. Im Juni 2021 wurde in den USA erstmals ein Medikament zugelassen, das möglicherweise in der Lage ist, den Krankheitsprozess bei der Alzheimer-Krankheit ursächlich zu beeinflussen. Nicht zuletzt dadurch erhält die Frage nach ausreichenden Diagnosekapazitäten eine hohe Brisanz. Paola Barbarino, die Geschäftsführerin von ADI, sagte bei der Vorstellung des Berichts: „Seit über 20 Jahren fordern wir die Regierungen der Welt auf, nationale Demenzpläne umzusetzen, und offen gesagt sind die Fortschritte zu langsam. Jetzt hat sich das Blatt gewendet und die Nachfrage wird in die Höhe schnellen. Die Regierungen müssen jetzt reagieren. Menschen mit Demenz haben ein Recht darauf, ihre Diagnose zu kennen, damit sie wissen, was als nächstes zu tun ist.“ Der Bericht ist in englischer Sprache verfügbar unter: www.alzint.org/resource/world-alzheimer-report-2021/ |