Die Stimmung im E-Commerce ist schlecht, Meldungen über Insolvenzen reißen nicht ab, und viele der veröffentlichten Umsatzzahlen für 2023 - zum Beispiel von Otto, eBay oder auch zuletzt von Zalando - lassen für 2024 nur begrenzt Hoffnung auf Besserung aufkommen. Zu dieser allgemein bescheidenen Stimmung passte auch die Anfang des Jahres vom bevh veröffentlichte Hochrechnung auf Basis von wöchentlichen Befragungen deutscher Konsumenten: Um 12 Prozent sollen demnach die Online-Umsätze gegenüber dem Vorjahr eingebrochen sein, war dort zu lesen. |
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Letzte Woche meldete sich dann das IFH Köln zu Wort, das für seine Jahresanalyse, die sich an den Umsatzmeldungen der Handelsunternehmen orientiert, traditionell immer etwas länger braucht. Und das Institut widerspricht der Einschätzung des bevh vehement. |
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Ein schwaches, aber kein katastrophales Jahr, sagt das IFH Köln |
Der Online-Umsatz sei 2023 keineswegs deutlich rückläufig gewesen, so Kai Hudetz in einer ersten Vorab-Präsentation der Zahlen, die im Mai im Rahmen des neuen “Onlinemonitors 2024” erscheinen werden. Man sehe eher eine Stagnation mit einem Korridor zwischen -1 und +2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das entspräche einem Online-Bruttoumsatz von etwa 100 Mrd. Euro. Bis 2027 erwartet das IFH eine Rückkehr zur ursprünglichen Prognose-Linie und damit eine Normalisierung des Online-Wachstums nach Corona-Boom und Kriegs-Flaute. |
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Schon sehr lange waren sich die beiden großen deutschen Zahlenlieferanten für den Online-Handel, nämlich bevh und IFH Köln/HDE, nicht mehr so uneinig in ihren Prognosen. Und schon lange war zwischen den beiden Analysten nicht mehr soviel Unverständnis und Miss-Stimmung zu spüren, wie in diesem Jahr. |
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Was ist da passiert? |
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In den bevh-Zahlen werden, anders als in der HDE-Prognose, B2B-Umsätze von Retail-Unternehmen nicht miterfasst - und der B2B-E-Commerce wächst unbeirrt von den Multikrisen seit Jahren stabil weiter. Ebenfalls nicht in den bevh-Umsätzen enthalten sind Cross-Border-Umsätze deutscher Unternehmen - und auch die dürften im letzten Jahr deutlich angestiegen sein. Schließlich sind andere Märkte von der Wirtschaftskrise deutlich weniger betroffen und die Konsumenten dort weiterhin einkaufsfreudiger als die Deutschen, weshalb viele deutsche Unternehmen zunehmend ihr Heil in fremden Märkten suchen. Diese Unterschiede in der Erfassungsmethodik galten allerdings schon in den letzten Jahren, und dennoch waren sich die beiden Prognosen noch im Vorjahr weitgehend einig. |
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Die Diskrepanz bleibt ein Rätsel - und ein Hindernis für die Branche |
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Auf die Diskrepanz angesprochen, mutmaßt Kai Hudetz vom IFH deshalb in Richtung Behavioral Gap: Die Verbraucher würden sich zwar vornehmen zu sparen und weniger auszugeben und würden das in Umfragen auch so kommunizieren - während sie beim Checkout dann doch schwach werden und mehr bestellen als sie eigentlich wollten. Dem widerum verwehrt sich Martin Groß-Albenhausen vom bevh vehement: “Wir haben kein Problem mit Intention/Behavior-Gaps, weil wir jede Woche befragen und dann nur die tatsächlichen Käufe der letzten 7 Tage erfassen und dort auch diejenigen wieder rausnehmen, die Retouren beabsichtigen.” |
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Es scheint also, dass der E-Commerce zurück ist in den Tagen, in denen klare und verlässliche Zahlen Mangelware waren. Schade, dass es den beiden großen Zahlenlieferanten nicht gelingt, ihre Zahlenwerke in Einklang zu bringen. Das sorgt für Unsicherheit und Verwirrung - und beides kann die Branche aktuell wirklich nicht brauchen. |