Was wir schon bald vermissen werden
● Trump und Putin feilschen |
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Liebe Leserin, Lieber Leser, am Ende wirkten alle Akteure im Bundestag irgendwie erleichtert. Viele waren womöglich einfach froh, den XXL-Schuldenpakt durchgewunken zu haben, der die Republik verändern wird. So viel ist sicher. Aber der gestrige Dienstag läutete zugleich etliche Abschiede ein, die man erst allmählich realisieren wird. Abschied Nummer eins: 333 Abgeordnete hatten gestern ihren letzten Auftritt. Das ist fast die Hälfte des bisherigen Parlaments. Sie wurden nicht wiedergewählt oder nicht mehr aufgestellt. Andere hatten schlicht keine Lust mehr oder Besseres vor. Cem Özdemir will zum Beispiel unbedingt noch Grünen-Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden, wonach es zurzeit allerdings nicht aussieht. Andere verschwinden weniger ambitioniert: Petra Pau von der Linken etwa, Renate Künast (Grüne), das ewige SPD-Jungtalent Kevin Kühnert, CSU-Urgestein Peter Ramsauer und FDP-Mann Wolfgang Kubicki, den sie selbst in seiner eigenen Partei für einen „Quartals-Irren“ hielten. Hinter Kubickis Schreibtisch in seinem Berliner Abgeordnetenbüro hängt ein Foto von der Windjammer-Parade in seiner Heimat Kiel. Nicht wegen der „Gorch Fock“, die man da sieht. Sondern weil ganz links unten am Bildrand Kubickis eigenes kleines Boot durch die Wellen hüpft. Das heißt „Liberty“ und ist so wild und wendig, wie Kubicki sich persönlich am liebsten sah, womit wir bei Abschied Nummer zwei sind. Auch die komplette FDP-Fraktion muss nun gehen und zeitnah außerparlamentarisch resozialisiert werden. Aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet nicht nur die Partei, sondern – Abschied Nummer drei – Idee und Ideal des Liberalismus. Freiheit, Eigenverantwortung – alles nichts, womit man gerade Wahlen gewinnen kann. Die FDP wurde letztlich auch dafür bestraft, dass sie sogar in der Ampel-Regierung nie aus der tief in ihr verwurzelten Oppositionsrolle herausfand. Ihr großer Vorsitzender Christian Lindner hat sich ebenfalls schon verabschiedet. Und wir müssen derweil einer alten Gewissheit abschwören, Abschied vier: Deutschland wird künftig kein sparsames Land mehr sein. |
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| Die gestrige Abstimmung über den Schuldenpakt war der letzte Auftritt von 333 Noch-Bundestagsabgeordneten (© imago) |
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Unsere Schuldenquote lag bislang bei nur rund 62 Prozent. Im Vergleich zu Nationen wie Frankreich oder Italien waren wir eben die schwäbische Hausfrau in der EU-Familie. Das wird angesichts von 900 Milliarden Euro neuen Schulden bald passé sein, ist zu fürchten. So wie übrigens auch ein kleines Stück Demokratie wegreformiert wurde. Dieser fünfte und letzte Abschied wiegt besonders schwer, finde ich: 23 Politikerinnen und Politiker, die in ihren Wahlkreisen klar die meisten Stimmen gewonnen hatten, schafften es trotzdem nicht in den künftigen, den 21. Bundestag. Sie sind der skandalöse Kollateralschaden der jüngsten Wahlrechtsreform. Für den Wahlkreis Flensburg-Schleswig etwa verpasste Petra Nicolaisen von der CDU trotz der meisten Stimmen (26,5 Prozent) den Einzug in den Bundestag. Stattdessen erhielt Robert Habeck das Mandat mit nur 22,6 Prozent über die Landesliste der Grünen. Kann man schwer erklären und noch schwerer verstehen, oder? Auch dazu wäre Kubicki bestimmt noch einiges eingefallen gestern an Provokationen, über die dann wieder das ganze Land gelacht oder geschimpft hätte. Aber der 73-Jährige meldete sich kurzfristig krank. Nur seine „Liberty“ schaukelte noch durch sein Büro. Doch auch die wird im Laufe der Woche abgeholt. Nicht nur Kubicki wird fehlen. Wen oder was werden Sie vermissen? Schreiben Sie mir: [email protected] |
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| Friedrich Merz gestern im Bundestag bei der Abstimmung zu den Finanzpaketen (© imago) |
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Nach dem Schuldenpakt: Beifall vom Ausland |
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Der Bundestag hat gestern das Schuldenpaket von Union, SPD und Grüne mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. 513 Abgeordnete stimmten für die notwendigen Änderungen des Grundgesetzes, 24 mehr als nötig gewesen wären. Die Abstimmung wurde nicht nur im Bundesgebiet, sondern auch im Ausland genau beobachtet. Die Reaktionen dort: „Fantastic, Friedrich“, lobte etwa der britische „Economist“ den CDU-Vorsitzenden. Deutschland könne nun beginnen, „so aufzurüsten, dass es in der veränderten europäischen Verteidigungslandschaft die Rolle spielen kann, die seine Größe und geografische Lage erfordern“. Die Lockerung der deutschen Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben wird international als Signal verstanden. „Italien und andere Länder wünschen sich gemeinsame europäische Verteidigungsausgaben“, sagt Außenpolitikexperte Leo Goretti vom römischen Thinktank IAI. Friedrich Merz traf am Abend nach der Abstimmung den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der war nach Berlin gereist, um mit Noch-Kanzler Olaf Scholz den EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag vorzubereiten. |
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| Hotline: US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin am Telefon (© AP/dpa) |
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Strippenzieher ohne echte Ergebnisse |
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US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin haben gestern zum zweiten Mal seit Trumps Amtsantritt miteinander telefoniert. Kurz danach stimmte Putin einer 30-tägigen Waffenpause zu – auch wenn nur die Energieinfrastruktur seiner ukrainischen Gegner verschont werden soll. Die erhoffte generelle Waffenruhe entlang der Frontlinie ist damit erst einmal vom Tisch. Diesen Vorschlag hatte vorab die Ukraine mit Unterstützung der US-Amerikaner gemacht. Doch aus dem Kreml kam die altbekannte Antwort: Daran sei nicht zu denken, bevor der Westen seine Waffenlieferungen und Geheimdienstunterstützung stoppt. Laut russischen Informationen habe Putin dem US-Präsidenten im Telefonat außerdem mitgeteilt, dass am heutigen Mittwoch ein weiterer Austausch von Kriegsgefangenen von jeweils 175 Personen geplant sei. Als „Geste guten Willens“ kündigte Moskau darüber hinaus die Freilassung von 23 „schwer verwundeten“ ukrainischen Soldaten an. Einem Frieden für das geschundene Land kamen die beiden Staatschefs gestern jedenfalls nicht näher. |
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| Siemens-Zentrale in München: Der Industrie-Konzern bekommt die schwache Entwicklung der Automobil-Industrie zu spüren (© dpa) |
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Auch Siemens muss nun 6000 Stellen streichen |
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Angesichts des flauen Geschäfts will auch der Industrie-Riese Siemens nun beim Personal sparen. Man werde insgesamt 5600 Stellen in der Automatisierungssparte Digital Industries (DI) streichen, knapp die Hälfte davon in Deutschland, teilte der Münchner Konzern gestern mit. Zudem stehen 450 Jobs im Geschäft mit Ladesäulen für E-Autos vor dem Aus. Damit gehen die Jobverluste in der deutschen Industrie weiter. Erst am Montag hatte Audi den Abbau von 7500 Stellen angekündigt. Auch andere große Unternehmen vor allem aus der Automobil-Industrie wie ZF, Continental oder Bosch planen teils tiefe Einschnitte beim Personal. „Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit in diesem volatilen Umfeld weiter stärken“, sagte der für DI zuständige Vorstand Cedrik Neike dem „Handelsblatt“. Neben Deutschland war die DI-Nachfrage zuletzt auch in China eingebrochen, hieß es. Betriebsbedingte Kündigungen soll es bei Siemens in Deutschland aber nicht geben. Man setze auf Frührente und Umschulungen. Insgesamt beschäftigt der Konzern in Deutschland 86.000 Mitarbeiter. |
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| Hoffen auf die „größte Produktoffensive der Geschichte“: Audi-Chef Gernot Zöllner (li.) und Finanzvorstand Jürgen Rittersberger (© dpa) |
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Modelloffensive: Audi hofft auf Comeback im laufenden Jahr |
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Der Autobauer Audi blickt nach einem drastischen Gewinneinbruch 2024 etwas zuversichtlicher auf das laufende Jahr. „Mit zahlreichen neuen Modellen setzen wir die Erneuerung unseres Portfolios konsequent fort“, sagte Audi-Chef Gernot Döllner gestern bei der Jahrespressekonferenz in Ingolstadt. Mit der Hilfe neuer Modelle solle der Umsatz im laufenden Jahr um rund fünf bis zwölf Prozent auf 67,5 bis 72,5 Milliarden Euro steigen, so Döllner. Die operative Umsatzrendite der Markengruppe um Audi, Lamborghini, Bentley und Ducati solle im laufenden Jahr auf sieben bis neun Prozent zulegen nach sechs Prozent im Vorjahr. Im vergangenen Jahr war der Gewinn der erfolgsverwöhnten VW-Tochter drastisch eingebrochen. Das operative Ergebnis sackte um gut 38 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro ab. Am schlimmsten erwischte es Audi. Bei der Marke mit den vier Ringen halbierte sich das operative Ergebnis gegenüber dem Vorjahr auf 2,6 Milliarden. Neben den deutlichen Absatzrückgängen in China, den USA und im Heimatmarkt litt die Kernmarke dabei vor allem unter den unerwartet hohen Kosten für die Schließung des Werks in Brüssel von insgesamt 1,6 Milliarden Euro. (utz) |
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| Iberischer Luchs: durch Schutzmaßnahmen vorm Aussterben gerettet (© dpa) |
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Was bei der Rettung seltener Tierarten am besten hilft |
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Artenschutz wirkt – das zeigt eine neue Studie der britischen Universität Cambridge. Ein Forschungsteam hatte 67.000 Spezies unter die Lupe genommen, die auf der Roten Liste bedrohter Arten geführt werden. Fast alle, die in den vergangenen Jahren von einer stärker gefährdeten in eine weniger gefährdete Kategorie wechselten, profitierten demnach von Schutzmaßnahmen. Die Methoden unterschieden sich je nach Tierart, viele hatten aber eine Gemeinsamkeit. Sie lebten in abgeschiedenen Regionen, wie zum Beispiel Inselstaaten. Dort ließen sich Schritte wie der Schutz von Brutstätten, Aufzucht in Gefangenschaft und Wiederansiedlung in die Wildnis besonders gut umsetzen. Zu den erfolgreichen Rückkehrern gehört etwa der iberische Luchs, der lange als die am stärksten gefährdete Katzenart der Welt galt. Auch der in freier Wildbahn ausgerottete europäische Bison hat sich durch Wiederansiedlung in Teilen Osteuropas wieder eingelebt. Buckel- und Blauwale wurden durch Jagdmoratorien vor dem Aussterben bewahrt. In ihrer im Journal „PLOS Biology“ veröffentlichten Studie warnen die Forschenden aber: Sechsmal mehr Spezies sind derzeit vom Aussterben bedroht. |
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Gewinnerin: Gerade noch hatte sie angekündigt, es mit der politischen Karriere nach Ampel-Stress und Wahlschlappe mal ruhiger angehen zu lassen. Nun greift Noch-Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, 44, doch nach einem Top-Job. Sie soll Vorsitzende der UN-Generalversammlung werden und damit zuständig sein für die Organisation und Leitung der Sitzungen. Das Bundeskabinett schlug sie als Kandidatin für die Sitzungsperiode 2025/26 vor. Ihre Wahl gilt als Formsache. Ursprünglich war die Top-Diplomatin Helga Schmid als Kandidatin vorgesehen. | |
Verliererin: Es dürfte bis auf weiteres die letzte Rede von Sahra Wagenknecht, 55, im Bundestag gewesen sein. Gestern attackierte sie noch mal kräftig die neue Schulden-Allianz aus Union, SPD und Grünen. Weil ihre BSW-Mitstreiter danach noch Transparente hochhielten („1914 wie 2025: NEIN zu Kriegskrediten!“) gab's einen Ordnungsruf. Wagenknechts Bündnis war bei der Bundestagswahl knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Seither ist die Zukunft der Politikerin und ihres BSW höchst ungewiss. | |
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… ein kurzer Blick zu den Sternen: Um 22.57 Uhr deutscher Zeit sind die US-Astronauten Suni Williams, 59, und Barry Wilmore, 62, wieder auf der Erde – oder besser: im Meer vor der Küste Floridas – gelandet. Eigentlich sollten sie ja nur acht Tage auf der Internationalen Raumstation ISS arbeiten. Daraus wurden wegen diverser technischer Pannen und Probleme dann neun Monate. 286 Tage im All – das sind 278 Tage länger als ursprünglich geplant. Die Erde umkreiste das Duo dabei 4576 Mal und legte 195 Millionen Kilometer zurück. Was macht man in all der Zeit – außer gelegentlichen Weltraumspaziergängen? Man kann ja nicht mal im Internet Spiele bestellen oder einfach zum Italiener gehen. Wie hält man das überhaupt miteinander aus? | | Die US-Astronautin Suni Williams nach ihrer Landung im Meer heute Nacht (© Reuters) | Na ja, Wilmore und Williams gelten als echte Weltraum-Veteranen mit Nerven wie Stahlseilen. Die brauchen sie sicher auch nach ihrer Landung. Allles ein bisschen unübersichtlicher hier unten. Und es ist ja auch allerhand passiert seit Sommer. Schön jedenfalls, dass die beiden wieder da sind – und dazu auch noch so fröhlich strahlten. Ich wünsche Ihnen einen schwerelosen Mittwoch! Herzlich | | Thomas Tuma |
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