Liebe Leserin, Lieber Leser,
am Ende wirkten alle Akteure im Bundestag irgendwie erleichtert. Viele waren womöglich einfach froh, den XXL-Schuldenpakt durchgewunken zu haben, der die Republik verändern wird. So viel ist sicher. Aber der gestrige Dienstag läutete zugleich etliche Abschiede ein, die man erst allmählich realisieren wird.
Abschied Nummer eins: 333 Abgeordnete hatten gestern ihren letzten Auftritt. Das ist fast die Hälfte des bisherigen Parlaments. Sie wurden nicht wiedergewählt oder nicht mehr aufgestellt. Andere hatten schlicht keine Lust mehr oder Besseres vor. Cem Özdemir will zum Beispiel unbedingt noch Grünen-Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden, wonach es zurzeit allerdings nicht aussieht.
Andere verschwinden weniger ambitioniert: Petra Pau von der Linken etwa, Renate Künast (Grüne), das ewige SPD-Jungtalent Kevin Kühnert, CSU-Urgestein Peter Ramsauer und FDP-Mann Wolfgang Kubicki, den sie selbst in seiner eigenen Partei für einen „Quartals-Irren“ hielten.
Hinter Kubickis Schreibtisch in seinem Berliner Abgeordnetenbüro hängt ein Foto von der Windjammer-Parade in seiner Heimat Kiel. Nicht wegen der „Gorch Fock“, die man da sieht. Sondern weil ganz links unten am Bildrand Kubickis eigenes kleines Boot durch die Wellen hüpft. Das heißt „Liberty“ und ist so wild und wendig, wie Kubicki sich persönlich am liebsten sah, womit wir bei Abschied Nummer zwei sind.
Auch die komplette FDP-Fraktion muss nun gehen und zeitnah außerparlamentarisch resozialisiert werden. Aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet nicht nur die Partei, sondern – Abschied Nummer drei – Idee und Ideal des Liberalismus. Freiheit, Eigenverantwortung – alles nichts, womit man gerade Wahlen gewinnen kann.
Die FDP wurde letztlich auch dafür bestraft, dass sie sogar in der Ampel-Regierung nie aus der tief in ihr verwurzelten Oppositionsrolle herausfand. Ihr großer Vorsitzender Christian Lindner hat sich ebenfalls schon verabschiedet. Und wir müssen derweil einer alten Gewissheit abschwören, Abschied vier: Deutschland wird künftig kein sparsames Land mehr sein. |