EU-Kommission steht – VW-Betriebsrat will Sparbeitrag der Bosse
● Jusos im Kanzler-Dilemma |
● Trump holt Milliardär ins Kabinett |
● VW-Betriebsrat zu Nullrunde bereit |
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Liebe Leserin, Lieber Leser,
der Satz von Jens Spahn vom April 2020, „Wir werden in ein paar Monaten einander viel verzeihen müssen“, war vielleicht der treffendste der ganzen Pandemie. Statt Monaten sind allerdings Jahre vergangen, und Corona ist längst nicht überall verziehen. Die Lebenserwartung ist zwar erstmals seit der Pandemie gestiegen (Frauen 83,3 und Männer 78,6 Jahre). Umfragen belegen auch, dass eine Mehrheit die Einschränkungen von damals für richtig hält. 40 Prozent der Menschen finden jedoch, die Politik sei zu weit gegangen. Darunter sind jene, die beispielsweise nicht verwunden haben, dass Polizisten sie mal von der Parkbank verscheucht haben. Hier wäre der Rat: abhaken. Doch was ist mit dem Pärchen, das 400 Euro Bußgeld zahlen musste, weil es sei Eis nur dreißig und nicht fünfzig Meter von der Eisdiele entfernt konsumiert hat? Den Selbständigen, die ihre wirtschaftliche Existenz verloren haben, weil ein Quadratmeter Ladenfläche fürs Hygienekonzept fehlte? Familien, die nicht zu ihren sterbenden Angehörigen ins Pflegeheim durften? Noch komplizierter sind Einzelfälle, bei denen die Meinungen erst recht auseinander gehen. Soldaten, zum Beispiel, die sich nicht impfen lassen wollten und deshalb entlassen und verurteilt wurden. „Haben Sie gedacht, Sie können die Bundesrepublik im Homeoffice verteidigen?“, wurde einer vor Gericht gefragt. Es mag nicht viele dieser Verfahren geben, aber sie sind hochemotional. |
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| Fast schon Kunst: Abstandsmarkierungen am Bodensee-Ufer in Meersburg im Sommer 2020 (© dpa) |
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Ein weiteres hat der Bundesgerichtshof gestern entschieden: Ein Familienrichter, der passende Kläger und Sachverständige selbst an Land gezogen hat, um die Maskenpflicht an Weimarer Schulen zu kippen, ist der Rechtsbeugung schuldig. Das ist kein Urteil über das Thüringer Hygienekonzept, sondern über den Rechtsstaat – in dem Richter nun mal keine Eigenakquise für ihren Sitzungssaal betreiben dürfen. Während die Justiz mit den vielfältigen Rechtsfragen zu Covid noch lange gut zu tun hat, drückt sich die Politik vor der Aufarbeitung. Bislang arbeiten nur einige Bundesländer daran. Doch wer liest, was mein Kollege Kurt-Martin Mayer als „12 Lehren aus drei harten Jahren“ für den FOCUS zusammengefasst hat (den Link finden Sie unten), der versteht, wie nützlich eine solche Analyse für Schulen, Kliniken, Unternehmen und auch Redaktionen wäre. Was gibt es zu verbergen? Für diejenigen, die nur den Blick nach vorn fordern, vielleicht, dass sie im Rückblick nicht ganz so richtig gelegen haben, wie sie selber glaubten. Dabei sollte es bei einer unabhängigen, offiziellen Gesamtbewertung nicht um Schuldfragen gehen, sondern um unsere Zukunft. Denn wie soll Deutschland die nächste Pandemie besser überstehen, ohne eine objektive Bilanz der letzten? Oder ist das alles längst Geschichte? Schreiben Sie uns an [email protected] |
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+++ Bundeskanzlerin Angela Merkel hat laut ihrer am Dienstag erscheinenden Memoiren einen schnellen Nato-Beitritt der Ukraine auszubremsen versucht, weil sie eine militärische Antwort Russlands befürchtete. In einem in der „Zeit“ veröffentlichten Auszug heißt es: „Ich verstand den Wunsch (...).“ Aber: „Die Aufnahme eines neuen Mitglieds sollte nicht nur ihm ein Mehr an Sicherheit bringen, sondern auch der Nato.”
+++ Nach wochenlanger Blockade haben die zuständigen Vertreter im Europaparlament alle sieben noch offenen Kommissare bestätigt. Das neue Team von Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen kann die Arbeit zum 1. Dezember aufnehmen. Die drei großen Fraktionen – Europäische Volkspartei (EVP) um CDU und CSU, Sozialdemokraten und Liberale machten den Weg auch für die umstrittenen Kandidaten aus Italien, Ungarn und Spanien frei. | |
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| Bald im gleichen Team? Mario Voigt (CDU), Katja Wolf (BSW), Georg Maier (SPD) (© imago) |
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Brombeer-Koalition im Anmarsch |
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CDU, BSW und SPD haben sich in Thüringen auf den Entwurf eines Koalitionsvertrages geeinigt. Bis heute Abend soll er fertig sein. Morgen wird das Dokument dann öffentlich vorgestellt. Bahn frei für Deutschlands erste Brombeer-Koalition? Nicht ganz. Die drei größten Herausforderungen: 1. Zustimmung in den Parteien Die SPD plant eine Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag. Bei der CDU muss der sogenannte Landesausschuss zustimmen. Das BSW hat am 7. Dezember einen Parteitag angekündigt. Die Bundestagsabgeordnete Tina Rudolph hat für die SPD den Koalitionsvertrag mit ausgehandelt. Sie hält eine Absage des BSW in letzter Minute für möglich: „Ich kann nicht ausschließen, dass sich dort nicht doch Mehrheiten gegen die Koalition bilden.“ Ihrer Ansicht nach seien das „dann aber keine inhaltlichen, sondern vermutlich eher machtstrategische Überlegungen der BSW-Bundesebene mit Blick auf die Bundestagswahl.“ 2. Wahl des Ministerpräsidenten Mario Voigt soll mit Stimmen von CDU, BSW und SPD zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Gelingen wird das allerdings voraussichtlich erst im dritten Wahlgang, dann, wenn eine relative Mehrheit genügt. Der Brombeer-Koalition fehlt eine Stimme für die absolute Mehrheit. 3. Haushalt In der Gesetzgebung ist geplant, in einem Konsultationsverfahren mit der Linken zusammenzuarbeiten. So soll der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU umgangen werden. Die erste gemeinsame Runde wird es zum Haushalt geben. Für die CDU in Wahlzeiten ein Drahtseilakt. Eine Zusammenarbeit mit der AfD haben die Koalitionäre ausgeschlossen. |
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| Die Jusos um Philipp Türmer sind keine Scholz-Fans (© imago) |
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Boris Pistorius oder Olaf Scholz: Die ganze SPD streitet, wer der bessere Kanzlerkandidat ist. Nur die Jusos präsentieren sich in der Debatte überraschend zurückhaltend. „Die Frage ist, wie wir uns wieder in die Ausgangslage bringen, um gewinnen zu können”, kommentiert Juso-Chef Philipp Türmer ungewohnt diplomatisch. Die Jusos sind kein Scholz-Fanclub. Der Vorsitzende Philipp Türmer hat die Bundestagsabgeordneten beim Sicherheitspaket zuletzt offen zum Widerstand gegen den Kanzler aufgerufen. Der 28-Jährige mag Aufstand gegen die Partei – aber nicht um jeden Preis. Das Dilemma: Der konservative Boris Pistorius ist für die Jusos keine echte Alternative. Am Wochenende beraten die Jungsozialisten beim Bundeskongress in Halle über ein Jugendwahlprogramm. Eine zentrale Rolle im Wahlkampf soll das Thema Verteilungsgerechtigkeit spielen. Mit Blick auf die Kandidaten-Debatte stellt Philipp Türmer schon mal klar: „Wir sind kein Verband für personalisierte Wahlkämpfe. Wir machen vor allem Wahlkampf für unsere Inhalte“. Weder Olaf Scholz noch Boris Pistorius können wohl viel Unterstützung vom SPD-Nachwuchs erwarten. |
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| Vor der Berufung in die neue US-Regierung (v.li): Linda McMahon, Howard Lutnick und Mehmet Oz (© dpa) |
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Donald Trump holt Milliardär ins Kabinett |
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Seit seiner Wahl zum US-Präsidenten stellt Donald Trump eine Art Reality-Show als Regierung auf. Auch die neuesten Top-Personalien sind überraschend bis umstritten. Linda McMahon: Seine Wahlkampfleiterin soll Bildungsministerin werden und die USA wieder zur „Nummer eins bei Bildung in der Welt“ machen, sagte Trump. Einen Namen machte sich die 76-Jährige als Managerin der Wrestling-Liga WWE. 2009 wechselte sie in die Politik und kandidierte erfolglos für den US-Senat. Howard Lutnick: Der bisherige Chef der New Yorker Finanzfirma Cantor Fitzgerald soll das Handelsministerium führen. Ein entscheidendes Ressort für Trump: Milliardär Luttnick hat sich stets hinter dessen Zoll-Pläne gestellt, nun soll er sie umsetzen. Mehmet Oz: Der türkischstämmige TV-Arzt soll die Gesundheitssysteme Medicare und Medicaid übernehmen, eine Art staatlicher Krankenkassensystem, das Millionen von Amerikanern versorgt. Oz machte sich als Herzchirurg einen Namen. Wegen pseudowissenschaftlicher Thesen in seiner Sendung und Produktvorstellungen, an denen er verdient, steht er jedoch in der Kritik. |
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| VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo (© dpa) |
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VW-Tarifkonflikt: Betriebsrat präsentiert Masterplan |
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Bevor sich die Tarifpartner heute in Wolfsburg zu ihrer dritten Runde treffen, geht der VW-Betriebsrat in die Offensive. Man sei zu einer Nullrunde bereit, wenn der Konzern auf Entlassungen und Werksschließungen verzichte, sagte VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Doch auch das Management müsse dafür auf „Teile der Ergebnisbeteiligung“ verzichten. Im Kern sieht der „Masterplan“ (Cavallo) vor, dass die angepeilte Tariferhöhung für die rund 120.000 VW-Beschäftigen in Deutschland nicht ausgezahlt wird, sondern in einen Zukunftsfonds fließt. Mit diesem Guthaben könnten dann mögliche Arbeitszeitkürzungen ohne Gehaltseinbußen oder Personalabbau verrechnet werden. Das Konzept brächte VW eine Entlastung von 1,5 Milliarden Euro, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. Die Tarifpartner sollten sich für einen Abschluss an der Einigung für die Metall- und Elektroindustrie von 5,5 Prozent orientieren, sagte er. Dagegen stehen allerdings schwache Absatzzahlen und hohe Kosten bei VW, wo 17 Milliarden Euro eingespart, mehrere Zehntausend Stellen gestrichen und Standorte geschlossen werden sollen. Auch der US-Konzern Ford baut Personal ab: Bis 2027 sollen in Europa 4000 Jobs wegfallen, 2900 davon in Deutschland. |
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82 Prozent der Frauen geben einer Umfrage des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft (infas) im Auftrag der Wochenzeitung «Die Zeit» an, selten oder nie zu gendern. Männer lehnten das Gendern zu 77 Prozent ab. Selbst 53 Prozent der Grünen-Wähler gendern der Umfrage zufolge ebenfalls nicht. Bei CDU/CSU-Anhängern sind es 52 Prozent. |
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| Kriegstraumata hinterlassen ihre Spuren in der DNA von Kindern (© imago) |
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Wie sich Kriege in die Gene graben |
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Kriegstraumata hinterlassen Spuren im Erbgut. Das zeigt eine einzigartige Studie an Speichelproben von 1507 syrischen Flüchtlingskindern im Alter zwischen 6 und 19 Jahren aus Camps im Libanon. Bei Kindern, die nach eigener Aussage und nach Auskunft ihrer Eltern oder Betreuer dramatischen Kriegsereignissen ausgesetzt waren, fanden die Forscher spezifische Veränderungen der DNA. Einige dieser epigenetischen Modifikationen betrafen Gene, die für wichtige Gehirnfunktionen verantwortlich sind. „Womöglich haben wir den biologischen Mechanismus gefunden, der den bekannten psychischen Schäden durch Kriegserlebnisse zugrunde liegt“, sagte Michael Pluess, Psychologe an der britischen Universität Surrey und Leiter des internationalen Forscherteams. Schon länger diskutieren Wissenschaftler, ob Traumata nicht nur indirekt über die Erziehung, sondern zudem unmittelbar über die Gene weitergeben werden. Die Schrecken des Holocaust etwa, so die Vermutung, würden nachfolgende Generationen auch als bitteres genetisches Erbe belasten. |
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| (© Evgeny Makaro für FOCUS Magazin) | Gewinner: Bei Rheinmetall-Chef Armin Papperger, 61, läuft’s. gestern hat die Aktie im Tagesverlauf mit rund 609 Euro ein Rekordhoch erreicht. Das Rüstungsunternehmen, das unter anderem den Leopard II und andere Militärfahrzeuge liefert, kann sich vor Aufträgen derzeit kaum retten. Rheinmetall sei das „am schnellsten wachsende Verteidigungsunternehmen", warb Papperger auf dem Kapitalmarkt-Tag am Dienstag. Bis 2027 soll sich der Umsatz verdoppeln – auf 20 Milliarden Euro. | |
| (© Jaguar Land Rover Limited) | Verlierer: Es war wohl nicht die Reaktion, die sich Jaguar-CEO Adrian Mardell, 63, erhofft hatte. Kurz nachdem der britische Autobauer seinen neuen Kurs vorgestellt hatte, hagelte es Kritik. Nicht nur will Jaguar von nun an vorrangig auf Elektroautos setzen. Das Unternehmen streicht auch ihren Namensgeber aus dem Logo: Einen Jaguar wird fortan keine springende Raubkatze mehr zieren. | |
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… können wir hier mit dem Mythos aufräumen, dass Hannoveraner das reinste Hochdeutsch sprechen. Ein Projekt der dort angesiedelten und deshalb unverdächtigen Leibniz Universität kommt zu dem Schluss: Sprachwissenschaftlich gebe es keinen Unterschied zur Ausdrucksweise etwa in Braunschweig, Göttingen oder Celle, sagt Studienleiter François Conrad, 39. Denn auch in Hannover weichen Menschen oftmals davon ab, was als „rein“ gelten mag. Ältere sagen oft „Zuch“ statt „Zug“, ein Rest von Plattdeutsch. Jüngere haben sich „Füsch“ statt „Fisch“ sowie „Keese“ statt „Käse“ angewöhnt. | | Ä oder E – hören Sie den Unterschied? (© imago) | Genuschelt und grammatikalisch geschlampt werde auch hier ohnehin. „Das besondere an den Hannoveranern“, sagt der in Luxemburg geborene Linguist, „ist eigentlich nur, dass so viele Menschen glauben, sie sprächen ein besonders gutes Deutsch.“ Herzliche Grüße | | Tanit Koch |
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