| | | | Herzlich willkommen zum sechsten China-Newsletter des Jahres 2022! Die Sommerpause ist vorbei und die Hitze hier in Köln steht sinnbildlich für die angespannte Lage zwischen der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten rund um den Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taiwan diese Woche. Malin Oud vom Raoul Wallenberg Institute und Mitautorin des Decoding China Dictionary unterstreicht auf Twitter den "Kampf der Narrative" um Taiwan zwischen "One China Principle" (China), "One China Policy" (US) und "One China" (UN) - das Dekodieren zentraler Begriffe mit Chinabezug ist wichtiger denn je. Die Drohungen aus Peking rund um die Insel sind im Nachgang des Besuchs von Pelosi in Form von Militärübungen sehr konkret. Gleichzeitig sollten wir uns alle viel mehr um taiwanesische Perspektiven bemühen. Dies meint auch Clarissa Wei in einem Opinion Piece für CNN, wenn sie schreibt, dass das Frustrierenste die von außen projizierte Angsterwartung und die letztliche Überraschung darüber sei, dass die Menschen in Taiwan eben nicht völlig panisch geworden sind und ihr Leben weiterführen wollen. Neben dieser geopolitischen Weltbühne schließen wir unser aktuell laufendes Projekt ab. Vier indonesische NGOs haben unsere Ausschreibung um eine Kleinprojekteförderung gewonnen und können nun fokussiert an chinesischen Auslandsinvestitionen im Rahmen der Belt and Road Initiative in ihrem Land arbeiten - im Dialog mit chinesischen Peers. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse! In diesem China-Newsletter blicken wir auf die chinesische Diaspora und zivilgesellschaftlichen Dialog, die Proteste in Henan und Crackdowns online. Wir laden alle recht herzlich zum China-Salon und einem Besuch der neuen Webseite des Asienhaus ein. Dazu gibt es wie immer Dinge zum Vormerken, Empfehlungen und etwas Chinesisch zum Schluss. Wir wünschen eine einsichtsreiche Lektüre. Joanna Klabisch Christian Straube Regelmäßig informiert auf unseren China-Seiten: www.asienhaus.de/china/ www.stimmen-aus-china.de |
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| | | | Transnationaler Autoritarismus: Xi und die Diaspora |
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| | | | 100 Jahre Parteigeschichte sind auch 100 Jahre Einheitsfrontarbeit. Während einer Konferenz am 30. Juli 2022 betonte Xi Jinping wie wichtig es ist, dass Chinesinnen und Chinesen in und außerhalb Chinas "geeint" sind, um die "nationale Verjüngung" zu unterstützen. Das wichtigste Instrument dabei ist die Arbeit der Einheitsfront. Die Strategien, die autoritäre Staaten anwenden, um eine derartige "Vereinigung" zu erreichen, fasst Gerasimos Tsourapas von der Universität Birmingham in seiner Studie "Globale Autokratien: Strategien transnationaler Repression, Legitimation und Kooption in der Weltpolitik" zusammen. China spielt dabei eine besonders große Rolle in der Untersuchung transnationaler Legitimationsstrategien. Um politischen Dissenz und Aktivismus außerhalb der Landesgrenzen autoritärer Staaten zu verhindern, gibt es zahlreiche historisch belegte Strategien: Überwachung, erzwungene Rückkehr, Geiselnahme von zurückgebliebenen Familienmitgliedern als Druckmittel; bis hin zu Ermordungen. Im Kontext der Arbeit der Einheitsfront steht in Tsourapas Arbeit besonders die Anwendung von Patriotismus als Strategie zur transnationalen Legitimisierung im Fokus. Eine tragende Rolle wird dabei chinesischen Studierenden zugeschrieben. In einem Human Rights Bericht 2020 klagte ein chinesischen Student über konstante Selbstzensur und Angst. Der Vorwurf ein zǒu gǒu 走狗, dt. ein weggelaufener Hund zu sein, ein herabwürdigender Begriff, der seit jeher für chinesische Emigrant:innen verwendet wird, liegt bei Verweigerung von Beweisen des eigenen Patriotismus stehts in der Luft. Die Zusammenarbeit mit einzelnen Personengruppen und nichtstaatlichen Organisationen außerhalb Chinas, um politische Entscheidungen der Kommunistischen Partei auch in anderen Ländern durch Diaspora legitimisieren zu lassen, hat besonders bei dem Thema Hongkong zu Spaltungen in Gemeinden chinesischer Abstammung gesorgt. Die Einheitsfrontarbeit beansprucht die gesamte chinesische Bevölkerung außerhalb Chinas für sich. Wer sich ihrer politischen Linie widersetzt, wird von offiziellen staatlichen Vertreter:innen als fehlgeleitet, US-hörig, Verräter:in oder eine Gefahr dargestellt. Eine ausländische Staatsbürgerschaft ist, so wurde in den letzten Jahren immer wieder deutlich, kein Argument um sich dieser "Vereinigung" zu entziehen. "Ein mal ein Drache, immer ein Drache", so die provozierende und stereotype Aussage einer chinesischen Diplomatin in Kanada als sie Kanadier:innen chinesischer Abstammung, die Hongkong verteidigten, rügte. Dieser Definition dessen, was chinesische Diaspora ist, konnte die Vertreterin der Kanada-Hongkong Allianz, eines Dachverbandes aller kanadischen pro-demokratischen Hongkong-Vereine, nicht zustimmen. Deutlich ist, dass sich die Kommunistische Partei bewusst ist, dass die Bewegung von Menschen größere Risiken mit sich trägt als die von Gütern. Die Anwendung aller autoritären Staaten zur Verfügung stehenden Strategien, ist somit in ihrem Verständnis legitim. Wir müssen also in den nächsten Jahren weitere illiberale Maßnahmen der Einflußnahme erwarten. Eine Handhabe gegen diesen transnationalen Autoritarismus, die nicht zu verstärktem Rassismus und der Ausgrenzung einzelner diasporischer Gruppierungen führt, scheint noch kein Staat gefunden zu haben. | | |
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| Im Dialog: mit sich selbst oder der Welt? |
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| | | | Wang Huiyao 王辉耀, Direktor des chinesischen Think Tanks Center for China and Globalization, 全球化智库, hat der Beijing Daily am 30. Juli 2022 ein bemerkenswertes Interview gegegeben. Wang Zichen hat das chinesische Interview für seinen Pekingnology-Newsletter ins Englische übersetzt. Vorab muss festgehalten werden, dass sowohl Medium als auch Interviewter direkt mit der Partei verflochten sind. Die Beijing Daily ist das Parteiorgan für die Stadt Peking. Das Center for China and Globalization als auch Wang selbst sind, wie Mareike Ohlberg in ihrem Buch Die lautlose Eroberung schreibt, fester Bestandteil der internationalen Outreach-Aktivitäten und Einheitsfrontarbeit der Kommunistischen Partei. Anlass des Interviews war eine Delegationsreise des Thinks Tanks in zahlreiche Länder, u.a. nach Deutschland mit einem Stopp bei der Konrad Adenauer Stiftung und der China-Brücke, wie das LinkedIn-Profil des Centers verrät. Im Interview ordnet Wang die negative Wahrnehmung Chinas in den Vereinigten Staaten als einer von vielen Verlusten für China ein. Er spricht über direkte analoge Kommunikation und wie wichtig diese ist. Seine Delegationsreise darf kein Einzelfall bleiben und vor allem die Einreisemöglichkeiten nach China müssen sich verbessern. Wang sieht Schnittmengen in den EU-China-Beziehungen, aber auch für ihn ist unklar, ob man sich auf die Aufhebung der Sanktionen einigen kann. Wie auch in der offiziellen chinesischen Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine sieht Wang den aktuellen "Hauptwiderspruch" in der Rivalität mit den Vereinigten Staaten. Das ist sein ideologischer Bezugsrahmen. In dieser Situation sei die Wiederaufnahme von zivilgesellschaftlichen Beziehungen, z.B. Auslandsstudierende, essentiell. Während Chines:innen mehr ins Ausland gehen sollten, betont er auch, dass Menschen aus anderen Ländern mehr Einreisemöglichkeiten geboten werden müssen. | | |
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| China-Salon: Chinas junge Generation sorgt für Aufruhr |
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| | | | Aus der China-AG wird der China-Salon. Am 16. August 2022 soll es um folgendes Thema gehen: „Flachliegen-Tangping“, „Involution-Neijuan“, „Runology-Runxue“ - Chinas junge Generation sorgte in den vergangenen zwei Jahren für diese aufmerksamkeitserregenden Buzzwords. Die Lebenswirklichkeit hinter diesen viral gegangenen Wörtern reichen von Resignation, Aussteigertum und passivem Widerstand bis zu innerer Rebellion und Emigrationsträumen. Doch eines haben all die Buzzwords gemein: sie sind eine Reaktion junger Menschen auf all die Erwartungen, die seitens der Partei, der Gesellschaft und der älteren Generation gestellt werden. Es sind Erwartungen, denen die chinesische Jugend nicht mehr gerecht werden kann oder will. Zudem erzeugen diese Erwartungen enormen Druck, der durch die Entwicklungen der letzten Jahre nur noch potenziert wurde: Erfolgsdruck in der Schule, Druck eine Familie zu gründen, Druck, den richtigen Werten zu folgen. Wie immer geht es um 19 Uhr mit Kurzimpulsen los, bevor es viel Raum zum Austausch und zur Diskussion gibt. Eine herzliche Einladung an alle Interessierten! | | |
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| Proteste in Henan: von Geld, Konten und Immobilien |
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| | | | Im Juli ist es in der Provinz Henan zu Protesten von Bankkunden gekommen. Im Zentrum standen vier Banken, die die Konten hunderttausender Kund:innen eingefroren hatten. Daraufhin wollten die Anleger:innen ihr Geld zurückfordern und demonstrierten vor der chinesischen Zentralbank in der Stadt Zhengzhou. Was mit friedlichem Protest begann, endete mit staatlicher Gewalt, als teils in zivil gekleidete Sicherheitskräfte die Proteste gewaltsam aufzulösen begannen. Die vier betroffenen Regionalbanken sind im Immobiliensektor tätig gewesen. Ihnen kommt eine zentrale Rolle bei der Vergabe von Krediten an Bauunternehmen zu. Deren Schuldenkrise, und laut Berichten im Falle von Henan eine kriminelle Bande, sollen die Banken in die Zahlungsunfähigkeit gezwungen haben. So sollen Gelder in Milliardenhöhe abgezogen worden sein. Die chinesische Aufsichtsbehörde für Banken ist aktiv, aber Informationen für Kund:innen sind rar. Die Proteste haben wieder einmal gezeigt, dass auch in China Menschen für ihre Belange auf die Straße gehen und ihre Interessen öffentlich vertreten. In den sozialen Medien wurde Material zu den Protesten, breit und mit Blick auf die Zensur länger als erwartet, geteilt. Gleichzeitig haben die lokalen Behörden in einem ersten Schritt nicht für Transparenz gesorgt, sondern mit Hilfe der Corona-Gesundheitsapp Bankkund:innen daran gehindert, nach Zhengzhou zu reisen und sich den Protesten anzuschließen. Der Mißbrauch der App ist bereits häufiger von Aktivist:innen angemahnt worden. Über ihn berichteten sogar Staatsmedien wie die Global Times. Der "rote QR-Code", der Menschen als Corona-Risiko einstuft, wirkt nämlich wie sofortiger Hausarrest. | | |
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| Crackdown: Homophone, Metaphern & Co. |
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| | | | Was haben die Demonstrationen in Henan mit Tulpen in Holland zu tun? Sie sind identisch, zumindest wenn man versucht die chinesische Internetzensur zu umgehen. Wie in unserem Beitrag zum Bankenskandal beschrieben, bildet sich in diesem Fall ein kritisches Netz aus Mismanagement, Korruption und bürgerlichem Aktivismus: politisch sehr sensibel und daher letzlich wegzensiert. Eine der angenehmsten Aufgaben aller China-Beobachter:innen ist es, den kreativen chinesichen Netizens den Respekt zu zollen, den ihre Sprachkreationen verdienen, wenn sie vom cǎonímǎ 草泥马 Grasschlammpferd, mǐtù 米兔 Reis und Hasen oder eben hélán 荷兰, dt. Holland, statt Henan sprechen, um weiter relevante und kritische Diskurse online führen zu können. Die Verwendung von Homophonen und die Veränderung von Schreibweisen zur Umgehung der Zensur ist es, die nun unterbunden werden soll. Die Social-Media-Plattform Weibo veröffentlichte auf ihrer Webseite, dass es um der Verbreitung von Falschmeldungen und zur Schaffung eines gesunden, strahlenden Internetumfeldes gegen Homophone, Wortvarianten und falsch geschriebene Worte vorgehen wird. Der Post hat bereits über 100 Millionen Views. Wie genau man vorgehen möchte, wird nicht erklärt. Wir hoffen jedoch sehr, dass diese Maßnahme nicht von allzugroßem Erfolg gekrönt ist. Dadurch würde uns einer der wenigen Einblicke, den wir außerhalb der chinesischen Landesgrenzen in die Pluralität des Diskurses in China haben, verwehrt. Der Einfluss, den die Zensur besonders online aber auch analog auf die Sprache in China nimmt, ist etwas mit dem sich auch chinesische Vlogger und Influencer immer wieder, sogar in öffentlichen Foren, beschäftigen. Eine spannende Diskussion, die wir auf jeden Fall weiterverfolgen sollten. | | |
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| Asienhaus.de: Relaunch in neuem Design |
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| | | | Das Asienhaus hat eine neue Webseite und auch die Seiten des China-Programms erscheinen in neuem Gewand. Auf unserer Startseite sind nun Textbeiträge und Berichte, kommende Veranstaltungen, aktuelle Arbeitsschwerpunkte und Projekte sowie Hintergründe zum Team auf einen Blick zu sehen. Die neue Themen & Ressourcen-Seite liefert über verschiedene Filter z.B. alle Veröffentlichungen des China-Programms mit nur wenigen Klicks. Und das Ganze funktioniert auch gut von unterwegs auf dem Smartphone! | | |
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| | | | Unsere Empfehlungen – 津津乐道 |
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| | | | Lesen was China macht | | Yang Xifan hat für DIE ZEIT die Medienwissenschaftlerin und Sinologin Maria Repnikova interviewt. Sie erklärt fundiert und basierend auf ihrer Forschung in Äthiopien, welche "alternative Erzählung" die Volksrepublik China den Ländern des Globalen Südens anzubieten hat. | | |
| | | Hören was China sagt | | China Spektrum ist ein neues gemeinsames Projekt des China-Instituts der Universität Trier (CIUT) und des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin. Die Projektleiterinnen Kristin Shi-Kupfer und Katja Drinhausen stellen im MERICS China Podcast das Projekt vor. | | |
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| | | Sommerpause | | Hier ist noch Sommerpause abgesehen vom China-Salon am 16. August 2022, siehe Einladung oben. |
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| | | 小镇做题家 Pinyin: xiǎo zhèn zuò tí jiā, zu deutsch: Fragesteller:in bzw. Examensableger:in/Absolvent:in aus der Kleinstadt. Gemeint sind junge Menschen, die das große Universitätseintrittsexamen erfolgreich ablegen, ohne die vorangegangenen Jahre an einer der urbanen Mittelschulen unterrichtet worden zu sein. Der leicht herabwürdigende Term wurde selbstironisch von eben jenen Schüler:innen/Absolvent:innen eingeführt. Er kam jedoch in den Fokus weitläufiger Kritik als ein Journalist staatlicher Medien ihn verwendete, um eine korrupte Stellenvergabe im öffentlichen Dienst zu entschuldigen. |
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| | Bildquellen: Adobe Stock, Adobe Stock, Weibo, Weibo, Adobe Stock, Asienhaus, Matt Rota, China Spektrum |
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