Wenn der Newsletter nicht richtig dargestellt wird, klicken Sie bitte hier.
5 nach 12 - Nachrichten aus dem Newsroom der WELT
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
Moritz Seyffarth – Redakteur Wirtschaft
Moritz Seyffarth
Redakteur Wirtschaft
 
ich möchte Ihnen heute Ida vorstellen. Sie lebt in Berlin, dürfte um die 18 Jahre alt sein und hat dem ZDF ein Interview zum Thema „Junge Menschen und das Corona-Risiko” gegeben. Ihr falle es schwer, seit März auf Partys zu verzichten. Früher sei sie dreimal die Woche ausgegangen: „Ich bin darauf angewiesen“, sagt Ida. Für diese Worte wird sie nun mit Spott und Häme überschüttet, ihre Aussage als „First-World-Problem“ geschmäht.

Es scheint vor allem bei Älteren ein weitverbreiteter Reflex zu sein, die Sehnsucht nach Partyleben als jugendliche Einfältigkeit abzutun. Dabei ist das Gesagte ein vollkommen legitimer Schrei nach Freiheit. Ja, nicht stattfindende Partys stehen auf der langen Liste an Problemen, die Deutschland gerade hat, sicherlich nicht an erster Stelle. Aber die Bedürfnisse der Jugendlichen zu ignorieren, ihnen gar mit Häme zu begegnen, ist der falsche Weg.

Die Zeit zwischen Schulabschluss und Eintritt in das Berufsleben ist prägend für das Leben und die Persönlichkeit junger Menschen. So mancher lernt erst dann Selbstständigkeit. Und: Freunde treffen ist in dieser Lebensphase essenziell, viele suchen ihre große Liebe.

Von der jungen Generation wird im Hier und Jetzt absoluter Verzicht erwartet. Gleichzeitig soll sie aber auch in Zukunft die Gesellschaft stützen, die Renten bezahlen und ganz nebenbei die immensen Kosten der Krise zum Großteil tragen. In diesen Tagen entwickelt sich ein krasses Missverhältnis zu Ungunsten der Jugend. Kein Wunder, dass es großen Teilen der Generation Z schwerfällt, diesen Zustand einfach so zu akzeptieren.

Eine Lösung, die alle zufriedenstellt, kann es nicht geben. Aber um den Frieden zwischen den Generationen zu bewahren, müssen sich alle aufeinander zubewegen. Die Älteren müssen aufhören, ständig auf die rücksichtslose Jugend zu schimpfen. Denn die tut dann genau das, was sie immer getan hat: das Gegenteil von dem, was die Alten ihr vorschreiben. Das aber ist in Zeiten wie diesen gefährlich. Daher: Redet mit den Jungen, tauscht Ansichten und Argumente aus.

Und umgekehrt: Die Jugend muss verstehen, dass sie schon in dieser frühen Phase ihres Lebens ungewöhnlich viel Verantwortung für die Gesellschaft trägt. Dieser Verantwortung muss sie auch gerecht werden. Das wird ihr leichter fallen, wenn sie sich verstanden fühlt in ihren Nöten – und zu denen gehört auch die Sehnsucht nach Ausgelassenheit und Party. Eben danach, das Leben zu feiern.

Was den Tag heute bestimmt, darüber berichtet für Sie jetzt aus dem WELT-Newsroom meine Kollegin Judith Mischke.
WAS HEUTE SCHLAGZEILEN MACHT
Gesundheitsminister Jens Spahn findet nicht, dass die Regierung eigenmächtig handelt
Quelle: Photo by Michael Sohn / POOL / AFP
Spahn verteidigt Sonderbefugnisse der Regierung
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Sonderbefugnisse der Bundesregierung in der Corona-Pandemie verteidigt, ebenso wie eine mögliche Verlängerung dieser Regelung. Deren Existenz entspreche nicht reiner Willkür oder dem Zufall, sagte Spahn dem ZDF. Es handele sich vielmehr um „gesetzliche Grundlagen, vom Bundestag beschlossene Grundlagen." Im Zuge des Infektionsschutzgesetzes erhält die Bundesregierung eine größere Entscheidungshoheit, was von der Opposition mittlerweile heftig kritisiert wird. Bisher sollen die Sonderrechte bis März 2021 gelten. In einem Gesetzentwurf heißt es nun, die Regelungen könnten „unter der Voraussetzung, dass dies zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist" noch weiter „verstetigt" werden.
Lehrerverband fordert halbvolle Klassenzimmer
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hat Ländern und Kommunen einen widersprüchlichen Umgang mit den Corona-Regeln für Schulen vorgeworfen. Der Regelbetrieb laufe vielerorts weiter, obwohl der kritische Wert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner überschritten werde, sagte Meidinger der „Rhein-Neckar-Zeitung“. „Bei diesem Wert müsste es eigentlich eine Rückkehr zum Wechselbetrieb mit halbierten Klassen geben.“ Außerdem kritisiere der Lehrerverband, dass „Richtwerte für verschärfte Hygieneschutzmaßnahmen an Schulen komplett ignoriert werden, um Schulen auf Teufel komm raus offen zu halten.“ Ende vergangener Woche hatte die Kultusministerkonferenz bekräftigt, dass Schulen und Kitas möglichst lange offen bleiben sollen.
Seehofer stimmt Polizei-Studie zu
Nach monatelangem Streit hat Bundesinnenminister Horst Seehofer seinen Widerstand gegen eine Studie zu Rassismus in der Polizei aufgegeben. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr, besteht der CSU-Politiker aber darauf, gleichzeitig auch Schwierigkeiten im Alltag der Sicherheitsbeamten untersuchen zu lassen. „Unsere Polizistinnen und Polizisten dürfen mit ihren Erfahrungen nicht alleine gelassen werden. Für Extremismus, Rassismus und Antisemitismus gibt es keine Toleranz“, heißt es in einem internen Papier. Die geplante Studie solle daher untersuchen, „wie dieser Anspruch auch künftig gelebt werden kann“. Gleichzeitig solle das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Polizei genauer analysiert und die „veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen“ miteinbezogen werden. Dazu gehörten auch Gewalt und Hass gegen Polizeibeamte.
Frankreich: Ermordeter Lehrer bekommt höchsten Orden
Der bei einem islamistischen Attentat ermordete Geschichtslehrer Samuel Paty soll mit der höchsten nationalen Auszeichnung Frankreichs geehrt werden. Paty erhalte posthum den Orden der Ehrenlegion (Legion d’Honneur), gab das französische Bildungsministerium bekannt. Der 47-jährige Paty war am Freitag enthauptet worden, weil er in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin ließ inzwischen eine Moschee schließen, die bei Facebook ein Video veröffentlichte, in dem der Unterricht des Getöteten angeprangert wurde.
Wehrbeauftragte unterstützt bewaffnete Drohnen
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, die SPD-Politikerin Eva Högl, hat sich für die Beschaffung bewaffneter Drohnen ausgesprochen. Sie sei zu dem Ergebnis gekommen, „dass die Einsätze sicherer werden für die Soldaten, weil die Drohnen flexiblere Möglichkeiten bieten, auf Bedrohungen zu antworten", sagte Högl im ARD-Interview. Sie hoffe, „dass noch in dieser Legislaturperiode über die Anschaffung entschieden wird." In der SPD gab es in den vergangenen Jahren erhebliche Bedenken gegen die Bewaffnung von Drohnen.
WORÜBER HEUTE DISKUTIERT WIRD
Einige Virologen warnen vor der Herdenimmunität-Strategie
Quelle: NIAID/National Institutes of Health via AP
Ist das, was gerade im Berchtesgadener Land passiert, ein Vorausblick auf das, was auf ganz Deutschland zukommt? Ein Lockdown mit Schließungen von Schulen und Kitas, mit rigiden Kontakt- und Ausgehbeschränkungen? Dabei hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erst vor Kurzem erklärt: „Wir werden jedenfalls nicht solche Maßnahmen brauchen wie im Frühjahr.“

Die grundsätzliche Frage, ob einheitliche Maßnahmen für ganz Deutschland überhaupt rechtens sind, beantwortet Ferdinand Kirchhof, bis 2018 Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, jedenfalls mit „Nein“. „Eine bundesweite Vorschrift wäre kompetenziell und sachlich nicht möglich“, so Kirchhof. Aus seiner Sicht sind die Hürden dieses Mal höher als im Frühjahr, „die Gefährdung durch eine zweite Schließung ist für die Gastronomie, den Einzelhandel und die Tourismusbranche erheblich größer“. Kirchhof verweist auf die in Artikel 12 des Grundgesetzes festgeschriebene Berufsfreiheit. Erneute Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens müssten zudem gegenüber anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern, beispielsweise der allgemeinen Handlungsfreiheit (Artikel 2 GG), abgewogen werden.

Im Berchtesgadener Land, das an der Grenze zu Österreich liegt, wird es heute ab 14 Uhr ernst: Als erster Kreis in Deutschland geht die Region in den zweiten Lockdown. Schulen, Kitas, Hotels und Gastronomiebetriebe müssen schließen. Bewohner dürfen ihre Wohnung nur noch aus wichtigen Gründen verlassen. Für den Landkreis mit seinen rund 106.000 Einwohnern wies das Robert-Koch-Institut seit Montagfrüh eine Sieben-Tage-Inzidenz von 252,1 aus – der derzeit höchste Wert in ganz Deutschland.

Verfassungsrechtler Ferdinand Kirchhof definiert die Bedingungen für ein Vorgehen wie im Berchtesgadener Land so: „Letztlich ist vom Staat zu verlangen, dass er sich auf konkrete Risiken in Branchen, Veranstaltungen oder „Hotspots“ bezieht, die Tauglichkeit seiner Konzepte zur Eindämmung der Gefahr nennt und nachweist, dass seine Maßnahmen nicht nur am Rande zur Eindämmung beitragen.“ Eine umfassende Analyse zu einem möglichen bundesweiten Lockdown lesen Sie im Laufe des Tages auf welt.de.
WAS HEUTE NOCH WICHTIG WIRD
Peter Altmaier hat zum Runden Tisch geladen
Quelle: Photo by Tobias Schwarz / AFP
Wirtschaftsminister Peter Altmaier will die Geschäfte in den deutschen Innenstädten vor dem Aussterben bewahren und kleine Läden stärken: Daher hat der Minister heute Vertreter des Einzelhandels zu einem virtuellen Runden Tisch eingeladen. Der Minister will den Einzelhandel unter anderem bei der Digitalisierung unterstützen, damit dieser gegen die Online-Konkurrenz besser bestehen kann.
 
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird heute Nachmittag mit Kommunalpolitikern über die Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sprechen. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte bereits vorab gefordert, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aus den Lagern der griechischen Inseln aufnehmen solle. In dem Bündnis „Städte Sicherer Häfen", dem neben Köln beispielsweise auch Berlin oder Freiburg angehören, fordern Kommunalpolitiker, selbst über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden zu können. Bisher liegt das Recht dazu beim Bund.
 
ZITAT DES TAGES
Sigmar Gabriel scheint sich von der SPD zu entfernen
Quelle: WELT
Gut ein Jahr nach seinem Rückzug aus der Bundespolitik hat der Ex-Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, mit seinem früheren Politikerleben und seiner Partei offenbar abgeschlossen. In dem Podcast „Woran glaubst Du?“ sagte er, es könne einen „schon wehmütig und auch traurig machen, wie diese Partei mit sich selbst umgeht und welche offensichtlichen Fehler sie macht“. Auf die Frage, was er der SPD in seiner heutigen Funktion als Unternehmensberater empfehlen würde, antwortete der 61-Jährige: „Ich würde ihr raten, den Versuch zu unternehmen, für das Land eine Idee für in zehn Jahren zu entwerfen.“ Gefragt, welche drei Dinge ihn auf die Palme bringen, sagte Gabriel knapp: „S P D“.
 
Ich wünsche Ihnen einen palmenfreien Nachmittag.

Moritz Seyffarth
Redakteur Wirtschaft
 
MEINE WELTPLUS-EMPFEHLUNGEN FÜR SIE
PHILOSOPH RAPHAËL ENTHOVEN
„DIE LINKE IST VON IDENTITÄREM GEDANKENGUT DURCHDRUNGEN"
Der Philosph Raphaël Enthoven rechnet in seinem neuen Buch mit den Linken in Frankreich ab.
Zum Artikel
 
NERVUS VAGUS
WIESO DIESER HIRNNERV IHR LEBEN VERÄNDERN KÖNNTE
Ein neues therapeutisches Verfahren wird zum Hoffnungsträger der Therapie-Forschung: Im Mittelpunkt steht der Nervus Vagus.
Zum Artikel
 
NACH TESLAS PERFORMANCE
DIESE AKTIEN SIND DIE NEUEN 12.000-PROZENT-KANDIDATEN
Tesla ist der wertvollste Autobauer der Welt. Wer folgt?
Zum Artikel