Zum Tanzen zu "Puppa"

Liebe Frau Do,

hurra, Deutschland hat wieder eine Regierung. Ruckzuck, kaum sechs Monate nach der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres, ist Angela Merkel wieder einmal zur Kanzlerin gewählt worden. Zur Chefin einer großen Koalition, die eher mittelgroß ist; von einer Mehrheit, für die selbst das Wort mittelgroß noch geprahlt wäre. Na ja. Kristina Dunz und Eva Quadbeck haben die Krönungsfeierlichkeiten für uns beobachtet und beschreiben, welcher Partei-Feind den größten Blumenstrauß überreichen musste, womit der Kanzlerinnen-Gatte sich auf der Besuchertribüne die Zeit vertrieben hat und wie es ein deutscher Alternativ-Abgeordneter geschafft hat, sich bei der Stimmabgabe einen 1000-Euro-Strafzettel von Wolfgang Schäuble einzuhandeln.

Vor 50 Jahren ermordeten amerikanische Soldaten in einem vietnamesischen Dorf mehr als 500 Menschen. Männer, Frauen, Kinder. 1969 gingen die grauenvollen Bilder des Gemetzels von My Lai um die Welt; Bilder des Militärfotografen Ron Haeberle. Unser US-Korrespondent hat den heute 76-Jährigen in Cleveland besucht und mit ihm über das Massaker geredet. Zu einem der Überlebenden hat Haeberle mittlerweile freundschaftlichen Kontakt - der damals sechsjährige Duc Tran Van lebt heute in Remscheid. Tobias Jochheim hat mit ihm gesprochen. Ich kann Ihnen den Artikel meiner Kollegen nicht als Lesevergnügen ans Herz legen; dafür ist das Ereignis zu schrecklich, sind die Bilder zu furchtbar. Trotzdem empfehle ich Ihnen den Text, denn My Lai darf nicht in Vergessenheit geraten.

Zum Schluss aber noch etwas Schönes: Peter Janssen hat für unsere Heimatserie eine Wirtin aus Kleve porträtiert. Marie-Luise Klar leitet das Tanzlokal „Haus Bresserberg“ hoch über der Stadt. Das Besondere daran: Frau Klar, die von allen nur „Puppa“ genannt wird, ist 81 Jahre alt und steht nach wie vor selbst hinter der Theke. Am Wochenende bis drei Uhr morgens. Sie hört sich die Liebesgeschichten ihrer Gäste an, lässt sich von Ex-Knackis Rosen schenken und verzichtet auf einen Türsteher, obwohl sie schon dreimal überfallen worden ist. Ans Aufhören denkt Puppa nicht: „Ich stehe so lange am Zapfhahn, wie es der Herrgott zulässt.“ Wenn das kein rheinisches Lebensmotto ist.

Herzlichst,

Ihr