Was hätte das ein schöner Turm werden können: Sieben Stockwerke übereinander. 91 Meter in der Höhe, 90 Meter in der Breite. Glaubt man der modernen Archäologie, dann lieferte Etemenanki, ein Tempelturm für den babylonischen Stadtgott Marduk, das historische Vorbild für den legendären Turmbau zu Babel. Mit gebrannten Ziegelsteinen und klebrigen Erdharz wollte man damals derart hoch hinaus, dass man einem himmlischen Gott hätte die Füße kitzeln können. Doch man weiß, wie die Geschichte ausging: Sprachverwirrung, Baustopp, Einsturz. Babel, das ist seither das klassische Narrativ, wenn es um die unterschiedlichen Spielarten menschlicher Hybris geht; um jenen Hochmut also, der die Grenzen menschlicher Machbarkeit nicht akzeptiert und der besonders im Anthropozän zu ganz neuen Hochbauleistungen aufläuft. Doch je größer Maß und Vermessenheit, desto stärker die Fliehkraft von Sprache und Worten. Denn ein wenig von Sprachverwirrung hat es ja schon, wenn derzeit immer mehr Epidemiologen wild durcheinanderreden und sich auf der Suche nach der passenden Inzidenz nicht mehr einigen, ja nicht mal mehr verstehen können: 50, 35, 10, 8, 0. Der Countdown für den Lockdown läuft. Mehr Mut Cicero-Kolumnist Alexander Grau plädiert vor diesem Hintergrund für mehr Mut und Optimismus, wenn es um neue Grenzwerte und Ziele in der Corona-Pandemiebekämpfung geht: Eine verantwortungsvolle und freiheitliche Politik darf nicht versuchen, das Unerreichbare zu erreichen“, so der Münchner Philosoph in seiner wöchentlichen Kolumne „Grauzone“. Er weiß sich mit diesem Appell nicht nur im Einklang mit den geläuterten Modellierern und Maurermeistern des einstigen babylonischen Höhenrauschs, auch der Leipziger Epidemiologe und Statistiker Markus Scholz weist im Cicero-Interview darauf hin, dass allzu ehrgeizige Zielmarken bei der Corona-Bekämpfung am Ende an der Machbarkeit vorbeirauschen könnten: „Ab einem bestimmten Wert werden die Infektionszahlen nur noch sehr langsam sinken. Da müsste es einen sehr, sehr langen, harten Lockdown geben, und das halte ich für ausgeschlossen.“ Beginnen wir den Aschermittwoch also diesmal schon am Rosenmontag: Schlafen wir unsere allzu idealistischen Höhenräusche aus und werden wir demütig gegenüber den Niederungen des Lebens! Ein Rat, den man vor Tagen übrigens auch gerne den amerikanischen Demokraten mit auf ihrem Weg nach ganz oben mitgegeben hätte. Ein zweiter Freispruch im Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump hätte mit größerer Mäßigung vielleicht vermieden werden können. So aber wollte die Hybris wieder mal mehr als das Schicksal. Das Ergebnis können Sie in dem Text „Ein Abgang nach Trumps Geschmack“ unseres Autors Andreas Backhaus nachlesen: In diesem Sinne: bleiben Sie auf dem Teppich! Ihr Ralf Hanselle, Stellvertretender Chefredakteur |