iomb_np

Gedanken zur Nachhaltigkeit von Yachten

Liebe Leserinnen und Leser,

in der vergangenen Woche erschien unsere Sonderausgabe YACHT classic, in der wir zweimal im Jahr aus der Welt der Klassiker berichten. Dabei streifen wir die verschiedensten Themen. Vom traditionellen Bootsbau über die Yachtsportgeschichte bis hin zu den Klassikern selber und natürlich den Menschen, die sie segeln und erhalten.

Ein Blick ins Kielwasser des Segelsports? Es mag manchem so vorkommen. Ich werde regelmäßig eines Besseren belehrt und staune, wie viele Aktualitätsbezüge sich aus der Beschäftigung mit den Ursprüngen unseres Sports ergeben. Auch bei der Arbeit an diesem Heft:

Die Geschichte ergab sich eher zufällig. Mit unserem Fotografen Nico Krauss reiste ich im Juni an den Bodensee. Dort besuchten wir einige Spots der Klassiker-Szene, zu denen auch verschiedene Werften gehören, wo noch das traditionelle Handwerk beherrscht und alte Yachten restauriert oder sogar neue nach altem Vorbild gebaut werden.

Zwei davon durften wir sogar segeln. Eine auf der Werft von Josef Martin in Radolfzell traditionell aus massiven Hölzern gebaute 8 Meter-Rennyacht nach Rissen des Amerikaners Starling Burgess von 1937, aus denen die Yachtdesignerin Juliane Hempel am Rechner zeitgemäße Konstruktionspläne und -Daten erstellt hatte.

Und eine Rennyacht von 1906, die nach dem damals in Deutschland geltenden Messverfahren 6 sogenannte Segellängen maß. Das Segellängen-Messverfahren galt in Deutschland bis zur Einführung der internationalen Meterformel durch den Seglertag 1907.

Auftraggeber der Yacht war der Hamburger Reeder Erich F. Laisz. Der Mann mit den Teeklippern, die als Flying P-Liner in die Geschichte eingegangen sind. Auch sein Sportgerät von nur 9 Metern Rumpflänge taufte er auf einen Namen mit „P“ – „Pirat II“.

Laisz wollte mit dem Boot zur berühmten Kieler Woche 1906 antreten, die als Länderwettkampf zwischen England und Deutschland ausgerichtet wurde und zu einem Neubauboom führte wie selten zuvor. Viele Boote wurden nur für diese Regattasaison gebaut. Was danach mit ihnen geschah, war den meisten Eignern bei der Auftragserteilung herzlich egal.

Das galt auch für Laisz. Seine 6 SL-Yacht „Pirat II“ wurde bei Willy von Hacht auf Sieg gebaut und deshalb so leicht, dass man heute noch staunt: Bei 400 Kilogramm Ballast brachte das segelfertige Vollholz-Boot von neun Metern Länge nur 940 Kilogramm auf die Waage.

Das Geheimnis war seine Bauweise. Sie sorgte dafür, dass der Rumpf nicht nur diesen einen Sommer hielt, sondern weit mehr als 100. Natürlich dank fachgerechter Pflege und einer Restaurierung in den 1990er Jahren. Mir flößt das heute Ehrfurcht ein. Respekt vor den damaligen Konstrukteuren – der Segelsport steckte ja noch in den Kinderschuhen – und den Werften.

Den Eigner der die Segellängenyacht 1989 zu restaurieren begann, habe ich angerufen. Ein Schweizer, der früher selbst mal Holzbootsbau gelernt hat. Der damals 90 Jahre alte Rumpf, so sein Kommentar, sei noch völlig fest gefügt gewesen und er habe lange gerätselt, in welcher Reihenfolge die einzelnen Bauteile dieser komplizierten Konstruktion wohl mal zusammengesetzt worden sind.

Aktuell beschäftigen uns viele Fragen rund um das Thema Nachhaltigkeit – auch im Segelsport. Ich frage mich, was eigentlich nachhaltiger sein kann als ein Boot aus natürlich gewachsenem Material, das noch nach mehr als hundert Jahren tut, wofür es gebaut worden ist?

Und wie sinnvoll erscheint es vor diesem Hintergrund, wenn auch heute noch Yachten entstehen, wie vor hundert Jahren. Der Achter von Josef Martin etwa, hat bei entsprechender Pflege mindestens so eine Lebenserwartung wie die Segellängenyacht. Ohne an Funktionalität einzubüßen oder seine von zeitlosen Linien geprägte Ausstrahlung zu verlieren.  

Wer die Risszeichnungen der beiden Yachten übereinander legt, wird ein weiteres Mal staunen. Nach heutigen Maßstäben wirkt die deutlich ältere Segellängenyacht mit ihrem geteilten Lateralplan und dem kurzen, tiefen Kiel viel moderner als die Meteryacht. Gewiss, die zugrundeliegenden Formeln erklären, warum das so sein muss. Aber die Erkenntnis bleibt, dass später als neue Errungenschaften gefeierte Veränderungen oft schon viel älter sind.

Es sind Gedankenspiele wie diese, die mich in der vergangenen Woche beschäftigt haben, seit die YACHT classic aus der Druckerei kam. Angenehme Grübeleien. Darüber, welchen Wert Begrifflichkeiten wie „modern“ im Zusammenhang mit Segelyachten haben – oder haben sollten. Darüber, was im Bootsbau alles dazu gehört – oder dazugehören sollte – wenn von Nachhaltigkeit die Rede ist. Fragen, auf die jeder seine eigenen Antworten finden wird. Wenn überhaupt.

Ein Beifang dieser Gedanken-Fischerei kann sicher sein, dass die Beschäftigung mit dem klassischen Yachtsport mehr ist als nur ein Blick ins Kielwasser. Wer sich davon überzeugen möchte, dem sei die Lektüre unseres Sonderhefts ans Herz gelegt.

Herzlichst Ihr

Lasse Johannsen

Chefredakteur YACHT classic

Empfehlungen der Redaktion

Ostsee: Lippe wird Nothafen und gebaggert

Ostsee: Die Petition eines Seglers vor Ort hat Erfolg, der Hafen von Lippe wird als Nothafen künftig regelmäßig gebaggert. 

Mehr lesen

Klassische Yachten: Das sind die Highlights in der neuen YACHT classic

In der neuen YACHT classic stellen wir den Bodensee als Revier klassischer Yachten vor und machen einen Werftrundgang. Die Highlights zum Durchklicken! 

Mehr lesen

Webinar: Polieren von Rumpf und Deck präsentiert von

Stumpfes Gelcoat ist mehr als ein optisches Problem. Die raue Oberfläche beschleunigt den weiteren Verfall. Mit welchen Mitteln und Techniken der Glanz zurückkommt und dauerhaft bleibt. Jetzt noch schnell anmelden! 

Mehr lesen

37. America’s Cup: “Cool wie Katzen” – Kenterung im italienischen Stil

Das italienische Luna Rossa Prada Pirelli Team kenterte mit seinem LEQ12-Prototypen in der Bucht von Cagliari 

Mehr lesen

Saffier Se 24 Lite: Erfolgskonzept im kompakten Format

Aufregende News aus Holland. Saffier Yachts baut einen neuen, kleinen Daysailer für die SE-Linie. Premiere ist auf der Messe in Düsseldorf 

Mehr lesen

Meer für’s ganze Leben: Einen Bootsurlaub für jedes Jahr gewinnen!

Anzeige

Haben Sie sich nicht schon immer gewünscht, ein Leben lang kostenlos Urlaub machen und die ganze Welt bereisen zu können? GlobeSailor lässt Ihren Segeltraum anlässlich seines 15. Geburtstags nun wahr werden! 

Zum Gewinnspiel

Nachruf auf Erich Wilts: „Ein Seglerleben reicht nicht, um alles zu entdecken“

Am 2. Dezember ist Erich Wilts nach schwerer Krankheit im Alter von 80 Jahren verstorben. Ein Nachruf auf die Hochseesegel-Legende. 

Mehr lesen

Knoten: Diese sechs Knoten müssen Segler können

Diese Knoten gehören zur Grundausstattung des kompletten Seglers. Experte Egmont Friedl zeigt sechs der wichtigsten Knoten in Kurz-Videos 

Mehr lesen

Schoner-Refit: Huisfit verlängert die „Athos“ um 1,25 Meter

Royal Huismans Refit-Sparte Huisfit verlängerte den 62-Meter-Schoner "Athos" im Heck um 1,25 Meter. Auch Deckshäuser, Hauptcockpit und Eignerkabine sind neu 

Mehr lesen

Die Top-Artikel der Woche

Porträt: Der minimalistische Selbstbauer und seine winzigen Boote

Thorsten Bender segelt im Frühjahr, arbeitet im Sommer und baut im Herbst und Winter Mikrokreuzer. Werftbesuch bei einem ungewöhnlichen Selbstbauer 

Mehr lesen

Deckssalonyacht: Scandi 42: Neues Ganzjahresboot aus Finnland

Der Markt von Yachten mit erhöhter Sitzgruppe wächst um die Scandi 42, die sich durch ein niedriges Gewicht von der Deckssalonyacht -Konkurrenz abhebt 

Mehr lesen

Gentlemen's Yacht: “Mingary” - Grace, Pace and Space

Die 1929 von Alfred Mylne erschaffene Gentlemen's Yacht "Mingary" ist heute noch in Bestzustand – weil sie bootsbauerisch ein Diamant ist. Ein Porträt. 

Mehr lesen

Solaris 50: Ein wahrer Gran Turismo und ein Fest für die Sinne

Eine Schöne ist auch ein Biest. Die neue Solaris 50 ist unter Segeln stark und für das Auge ein wahrer Genuß. 

Mehr lesen

“Coronet”: Nach 27 Jahren Refit schwimmt der legendäre US-Schoner von 1885 wieder

Die 131-Fuß-Yacht "Coronet" war schon bei ihrem ersten Stapellauf 1885 eine Ausnahmeerscheinung. Auch die Wiederauferstehung des Klassikers sprengt alle Maßstäbe. Einblicke in ein Jahrhundert-Projekt 

Mehr lesen

Motten-Weltmeisterschaft: Spektakuläre Bilder von waghalsigen Überfliegern

Die Motten-WM lieferte atemberaubende Bilder am Fließband. Ein Olympiasieger sichert sich den Titel im hochkarätigen Feld. Deutsche wird Vize-Weltmeisterin 

Mehr lesen

Jetzt YACHT digital lesen

Redaktion:  [email protected] • Leser-Service: [email protected]

Diese E-Mail wurde an [email protected] verschickt. Wenn Sie keine weiteren E-Mails erhalten möchten, können Sie sich hier abmelden.

Delius Klasing Verlag GmbH, Siekerwall 21, 33602 Bielefeld

Amtsgericht Bielefeld HRB 7332, USt-IdNr.: DE 123999126

Geschäftsführung: Nils Oberschelp (Vorsitzender), Tim Ramms, Lars Rose