für die Historikerin Hedwig Richter ist es ein Ausdruck von „Suppenkasper-Freiheit“, wenn Bürger eines Landes nicht einfach jede politische Zumutung hinnehmen wollen. In einem Gastbeitrag für die FAZ charakterisiert sie Bürger, die aufs Autofahren nicht verzichten möchten und sich anmaßen, medizinische Entscheidungen wie die Corona-Impfung für sich selbst zu treffen, als trotzige Kinder. Dabei sind in Deutschland nicht eigensinnige Bürger das Problem, sondern ein oftmals übergriffiger Staat. Das sage nicht ich – obwohl diese Zeilen auch von mir stammen könnten – sondern Martin Hagen. Er ist Landesvorsitzender der bayerischen FDP und daher vergangenes Jahr aus dem Landtag geflogen. Mittlerweile ist er Geschäftsführer der Denkfabrik R21 und hat für Cicero Online am Beispiel Hedwig Richter über eine Hybris geschrieben, die der britische Psychoanalytiker und Freud-Kumpel Ernest Jones den „Gottkomplex“ nannte. Es ist nicht der einzige – natürlich nicht! – lesenswerte Artikel, der in der zu Ende gehenden Woche auf cicero.de erschienen ist. Nehmen wir zum Beispiel jenen von Volker Boehme-Neßler über die jüngste „Causa Julian Reichelt“, von der es mittlerweile ja gleich mehrere gibt. Eine polemische Kritik des Journalisten an der Bundesregierung ist zulässig – das hat das Bundesverfassungsgericht diese Woche entschieden. Für Boehme-Neßler eine klare Ohrfeige für die Innenministerin und den Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang. Hier geht es zum Artikel. Angesichts der bedrohlichen Ereignisse in der Ukraine, im Nahen Osten und angesichts des abnehmenden globalen Ordnungswiederherstellungswillens und -könnens der USA und zunehmender Ambitionen Chinas, Russlands und anderer nicht-westlicher Mächte muss Deutschland mehr „Verantwortung“ für seine eigene Sicherheit und die Europas übernehmen. Das ist die Quintessenz mindestens jeder zweiten Talkshow über Krieg und Sicherheit. Mein Kollege Ferdinand Knauß erinnert in dem Zusammenhang daran, dass wir einen Bundeskanzler haben, der es für eine gute Idee gehalten hat, ausgerechnet Christine Lambrecht zur Verteidigungsministerin zu ernennen. Und da wir gerade schon dabei sind: Die Weltöffentlichkeit fragte sich Anfang der Woche, ob und in welchem Umfang eine Reaktion Israels auf den iranischen Angriff erfolgen wird. Der Islamwissenschaftler Guido Steinberg sprach am Dienstag mit meinem Kollegen Clemens Traub über denkbare Szenarien und die Möglichkeit einer großen Eskalation. Eines darf ich Ihnen versichern: Wann immer Guido Steinberg den Nahen Osten erklärt, lernen Sie garantiert noch etwas dazu. Ob man von Marie-Agnes Strack-Zimmermann noch etwas lernen kann, weiß ich nicht. Aber eines sollte man sicher nicht: wie die sich selbst als „Oma Courage“ bezeichnende FDP-Politikerin die Contenance verlieren. Das ist ihr diese Woche bei einem Wahlkampfauftritt gleich zwei Mal passiert. Denn Strack-Zimmermann ist zwar wahnsinnig, sagen wir, freigiebig beim Austeilen, aber offensichtlich wahnsinnig schlecht beim Einstecken. Dabei sollten Politiker in Sachen Diskussionskultur mit gutem Beispiel vorangehen. Mein Kommentar vom Freitag. Bundesfinanzminister stellen sich – unabhängig vom Parteibuch – gern als bettelarm dar. Dabei können sie wie Onkel Dagobert im Geld baden. Denn das deutsche Steuersystem gleicht einer ständig sprudelnden Quelle. Das gibt das Finanzministerium selbst zu, wenn auch indirekt. Der neuesten Ausgabe seiner „Datensammlung zur Steuerpolitik“ zufolge nahm der Fiskus im Jahr 2022 insgesamt 896 Milliarden Euro an Steuern ein. Das ist gegenüber den 531 Milliarden Euro im Jahr 2010 ein stattliches Plus von 69 Prozent. Cicero-Autor Hugo Müller-Vogg über die oberen fünf Prozent, die in Deutschland für 44 Prozent der Einnahmen sorgen. Abschließend darf ich Sie noch auf gleich drei Inhalte zum Hören hinweisen. Erstens ist diese Woche unser Buch „Die Wokeness-Illusion“ als Hörbuch erschienen. Zweitens habe ich Ihnen einen hörenswerten Cicero-Podcast über Indien aus dem Archiv geholt (geführt im August 2023), da in Indien seit Freitag die größte Parlamentswahl der Welt stattfindet. Und drittens hat Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier am Freitag mit unserem Kolumnisten Mathias Brodkorb über dessen Buch „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat? Der Verfassungsschutz als Erfüllungsgehilfe der Politik“ gesprochen. Hier geht es zur jüngsten Folge des Cicero Podcast Politik. Ich wünsche Ihnen ein schönes Restwochenende. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Leitung Cicero Digital |