Liebe Leserin, Lieber Leser, was ist heute? 31. Oktober, stimmt! Und, klingelt da was? Halloween, richtig. Haben Sie schon unbescholtene Zierkürbisse ausgekratzt und zuckerfreie Süßigkeiten bereitgestellt für jenen Nachwuchs, der in der Abenddämmerung sein „Süßes oder Saures“ vor Ihrer Tür abspulen wird? Oder lassen Sie lieber die Rollos runter? Eigentlich ist noch was anderes: In neun Bundesländern ist der 31. Oktober ein evangelischer Feiertag. Aber wer weiß schon noch, dass es da um den Reformationstag geht, als Erinnerung an Luthers 95 Thesen, mit denen am 31. Oktober 1517 die Abnabelung von der katholischen Kirche begann. Letztere hat übrigens morgen in fünf weiteren Bundesländern ihren eigenen Feiertag: Allerheiligen. Aber bevor’s jetzt zu historisch wird, eine kurze Frage an Sie: Welche Rolle spielen Glaube und Gott noch in Ihrem Leben? Meine eigene Antwort wäre: „eine wieder wachsende“. Vielleicht eine Altersfrage? Vergangenes Jahr gab es in Deutschland noch 20,4 Millionen Katholiken und 18,6 Millionen Protestanten. Klingt viel, wird aber schnell und stetig weniger. Wer nicht wegstirbt, wählt den Austritt. Es scheint das Einzige zu sein, was im Christentum noch skaliert. Den bisherigen „Rekord“ hält die katholische Kirche mit 522.821 Abgängen im Jahr 2022. So groß sind Duisburg oder Nürnberg. Einfach weg. In nur einem Jahr. Und wer mal draußen ist, lässt in den seltensten Fällen noch seine Kinder taufen. Warum dieser Exodus? Und das, obwohl es doch allerorten so eine große Sehnsucht nach Tiefe und Wahrheit gibt. Eine Frage der Kirchensteuer? Oder wegen des schrecklichen Missbrauchs, der lange System zu haben schien? Andererseits lebten schon 2020 rund 5,5 Millionen Muslime in Deutschland. Die definieren sich im Schnitt als „sehr gläubig“, und ihre Zahl wächst schnell, wenn man seriösen Schätzungen folgt. Ich will das nicht beurteilen. Werte haben ja erst mal alle großen Religionen. Die christlichen sind mir halt näher, auch wenn beide großen Kirchen es immer weniger Bundesbürgern recht machen können: Die Katholiken gelten manchen als schmiedeeiserne Konservative, die Protestanten gern als servil-linke Zeitgeistler. Dabei ist Gott doch so viel mehr: Glaube, Liebe, Hoffnung. Auch Trost, Demut und im Idealfall die Erkenntnis, dass da immer etwas viel Größeres ist als irgendeine KI oder Netflix-Serie jemals formulieren könnte. Der Journalist (und Katholik) Tobias Haberl, 49, veröffentlichte gerade das Buch „Unter Heiden – warum ich trotzdem Christ bleibe“. Er schrieb es, weil er sich als Gläubiger „zunehmend unverstanden“ fühlt, „wie eine seltene Affenart, die man lieber von der anderen Seite eines Gitters aus bestaunt“. Selbst als Atheist wird man da schlauer. Ich kann es nur empfehlen. Deshalb müssen Sie jetzt nicht gleich den nächsten Gottesdienst kapern. Die Kirchen können auch ehrenamtliche Helfer brauchen: in Altenheimen, Kindergärten, Besuchsdiensten. Gott begegnet man in den verrücktesten Momenten … vielleicht klingelt er heute sogar an Ihrer Tür! [email protected] |