Ende 2022 gab kaum noch jemand was auf Wachstums-Aktien, doch die Kurse starteten an der Börse erstmal kräftig durch. Das Bankenbeben im Frühjahr wurde durch den KI-Hype abgelöst, der durch das von Microsoft finanzierte OpenAI-Projekt ChatGPT ausgelöst wurde. Und dass KI keine Eintagsfliege ist, sondern durchaus den viel heraufbeschworenen „iPhone-Moment“ erlebt haben könnte, kann man an den beeindruckenden Wachstumsschüben von Nvidia ablesen. ‚Generative Künstliche Intelligenz‘ ist mehr als ein Schlagwort. Zu Recht vermutet man dahinter erstmal Software, aber auch diese benötigt Ressourcen, also vor allem Rechenleistung. Die leistungsfähigsten KI-Chips hat Nvidia zu bieten, aber diese allein bewirken wenig. Man erinnere sich an die Chip-Krise vor 1,5 Jahren, die weltweit die Produktion fast aller Automobil-Hersteller für Monate lahmlegte. Es fehlte nicht etwa an den Hochleistungs-Chips, sondern an den billigen Massen-Chips, deren Bestellungen die Auto-Hersteller im Corona-Absturz massenhaft storniert hatten und die nun nicht verfügbar waren. Und so wurde der Porsche 911 nicht produziert, weil ein paar Chips für 5 Cent gefehlt haben. Ähnlich ist es auch bei KI und den Rechenzentren. Es geht nicht nur um die neuen Hochleistungs-Chips, sondern die Rechenleistung wird in „normalen“ Rechenzentren, der Cloud, zur Verfügung gestellt. Die KI-Revolution heizt die Nachfrage nach allen Arten von Chips stark an und momentan werden neue Produktionskapazitäten geschaffen, in den USA, in Europa, weltweit. Und fast alle angelockt durch hohe Milliarden-Subventionen, die sich kein Unternehmen entgehen lässt. Die neue KI-Welt soll aber nicht nur vom heimischen PC aus funktionieren, sondern auch über die immer dominanter werdenden Mobilgeräte. Und hier gibt es momentan ein absolutes Monopol. Denn 99% aller in Mobilgeräten verwendeten Chips werden von einem einzigen Hersteller designt: ARM. Das und die Tatsache, dass ARM demnächst wieder an der Börse notieren wird, ist Grund genug, uns das Ganze mal etwas näher anzusehen... Softbank Group Äh was? Softbank Group? Nicht ARM? Ein widerlicher Cliffhanger, also echt jetzt! Ja, aber (nicht ganz un-)nötig. Denn ARM gehört der Softbank Group, einem der umstrittensten Unternehmen auf dem Globus. Die Softbank Group ist ein Venture Capital-Spezialist unter den Fittichen von Gründer und Großaktionär Masayoshi "Masa" Son. Das Unternehmen war vor 25 Jahren ein Star und eine der Triebfedern des Internet-Hypes. Als dann im Frühjahr 2000 die Internetblase platzte, stürzte der Kurs der Softbank Group ins Bodenlose ab. Son nahm das damals relativ gelassen hin, wie seine legendäre Aussage belegt: „Ich war mal der zweitreichste Mensch der Welt. Dann verlor ich 70 Mrd. US-Dollar.“ – Masayoshi Son – Er hielt an seiner Vision fest, krempelte die Ärmel hoch und begann, erst Millionen, später Milliarden in aufstrebende Internet-Firmen zu investieren. Seine beste Entscheidung dabei: Der Einstieg beim damals unbekannten Start-up Alibaba, wo er im Jahr 2000 für einen Anteil von 29,5% ganze 20 Mio. US-Dollar ausgab. Mehr als 20 Jahre lang begleitete man den steilen Aufstieg des chinesischen Internetgiganten und hielt lange Zeit noch 26% an dem Unternehmen und reduzierte seine Beteiligung im Herbst 2022 auf 14%. Und ein halbes Jahr später teilte Softbank mit, man habe seinen Anteil nun über Terminkontrakte auf 3,8% abgeschmolzen. Alibaba wird aktuell mit 225 Mrd. US-Dollar bewertet, Softbanks Restanteil ist also noch gut 8,5 Mrd. US-Dollar wert – noch immer ein enormer Zuwachs verglichen mit der Ursprungsinvestition von lediglich 20 Mio. US-Dollar. Und der Verkaufserlös ist Softbank ja auch noch zugeflossen. Ein wahre Erfolgsgeschichte, auch wenn der Alibaba-Kurs vor 2 Jahren sehr viel höher stand und die Gewinne dementsprechend noch viel höher hätten ausfallen können. Aber... das ist die Kehrseite des Märchens: Softbank hat in den langen Jahren des zinslosen Geldes und der schier unendlichen Liquiditätshausse Milliarden in jedes erdenkliche Start-up, FinTech, Venture ‚investiert‘ und das nach dem Gießkannenprinzip. Immer auf der Suche nach der nächsten Alibaba. Mit der Zinswende und dem Ende des billigen Geldes durch die Notenbanken implodierte das Geschäftsmodell – mal wieder. Der bis Mitte 2021 vorhandene Exit-Kanal, die Börse, nagelte die Fenster zu und das „Pump and Dump“-Schema fand sein Ende. Denn die zuvor teilweise hochgejubelten Börsenneulinge wandelten sich zu enormen Verlustgeschäften für die IPO-Zeichner und damit fielen weitere Börsengänge als Geldvermehrungsmaschinen aus. Softbank stand mit dem Dilemma nicht allein da und in den Depots der Venture Kapitalisten häuften sich die unverkäuflichen Start-ups, die ganz überwiegend nicht profitabel und auf weitere Finanzspritzen angewiesen waren. Doch das Geld wurde überall knapp und so schossen die Insolvenzzahlen in die Höhe und Kostensenkungsprogramme lösten hochfliegende Wachstumspläne ab. Die Folge waren Milliarden-Abschreibungen und Milliarden-Verluste. Und entsprechende Kursmassaker für die betroffenen Anleger. Doch Softbank hatte nicht nur junge Geldvernichter im Bestand, sondern auch einige werthaltige Assets. Wie die Alibaba Group, trotz aller Probleme, die das Unternehmen bekam, als es in China unter den Bannstrahl der dortigen Regulierungsbehörden geriet. Und ARM Holdings. Softbank Group Corp. (ISIN: JP3436100006) | Hier die Grafik vergrößern... | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 23/24e/25e | Kurs | 891624 / SFT | 61 Mrd. USD | 14 / 18 / 16 | 41,35 EUR | ARM Holdings Ltd. Das Unternehmen ARM Holdings (ARM stand früher für Advanced RISC Machines) ist ein britischer Anbieter von IP-Lösungen im Bereich Mikroprozessoren. Es ist Entwickler der ARM-Architektur, die in Lizenz gebaut in den meisten Smartphones und Tablet-Computern zum Einsatz kommt und auch im Bereich der Embedded Systems sehr weit verbreitet ist. Diese ARM-Architektur ermöglicht es Unternehmen, eigene Chips zu fertigen, statt diese bei Chip-Herstellern einzukaufen. Bekanntestes Beispiel dürfte Apple sein, die seit einigen Jahren auf eigene, extrem leistungsfähige Chips setzen und nicht mehr bei Intel, AMD oder Qualcomm einkaufen (müssen). Auch Microsoft kehrt Intel, mit denen man gemeinsam den Aufstieg in 1980er Jahren zu Weltkonzernen bestritten hat, inzwischen zunehmend den Rücken, um auf ARM-Basis eigene Chips zu kreieren. Und die Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Die Softbank Group hat ARM im Jahr 2016 für rund 32 Mrd. US-Dollar erworben und anschließend von der Börse genommen. Trotz Brexit und Corona-Pandemie haben sich die Geschäfte erfolgreich entwickelt und so schloss Softbank mit Nvidia im September 2020 einen Verkaufsvertrag. Für die Komplettübernahme von ARM sollte Nvidia 40 Mrd. US-Dollar aufbringen, sowohl in bar als auch durch Nvidia-Aktien. Die anschließende starke Kursperformance der Nvidia-Aktie trieb auch den Kaufpreis immer weiter in die Höhe bis in der Spitze auf 75 Mrd. US-Dollar. Doch die Wettbewerbshüter in Großbritannien, den USA und der EU haben den Deal abgeschossen. Softbank blieb auf ARM sitzen. Es gibt schlimmere Katastrophen, denn die Geschäfte bei ARM brummen und nun startet Softbank einen zweiten Versuch, ARM wieder zu Geld zu machen: durch einen Börsengang. Noch ist nicht klar, zu welchem Emissionspreis und damit welcher Bewertung ARM an die Börse kommen wird. Aber einige interessante Fakten gibt es schon jetzt zu erfahren. Softbank hält derzeit 75% der Anteile an ARM, die restlichen 25% stecken im Softbank Vision Funds 1. Um deren Investoren zufriedenzustellen, hat Softbank diese 25% nun erworben und das auf einem Bewertungsniveau von 64 Mrd. US-Dollar. In seinem letzten vollen Geschäftsjahr meldete ARM einen Reingewinn von 524 Mio. US-Dollar und damit weniger als im vorausgegangenen Geschäftsjahr, als man noch 549 Mio. erzielte. Würde ARM zu dieser Bewertung an die Börse kommen, wäre das Unternehmen mit dem 122-fachen Gewinn bewertet. Das klingt schon ziemlich üppig, auch wenn die Marktstellung herausragend ist und die aktuellen Unternehmensergebnisse durch die momentan hohen Investitionen gebremst werden. Dem steht gegenüber, dass ARMs Einnahmen ganz überwiegend auf Lizenzgebühren beruhen, weshalb man auch die enormen Bruttomargen von 96% generiert. Es sollen 10% der Aktien an die Nasdaq gebracht werden, aber Softbank wird sich wohl von mehr Anteilen trennen. Einige namhafte Interessenten, darunter auch Nvidia, wollen sich an ARM beteiligen. Beim ARM-IPO zugreifen? Für Privatanleger stellt sich die Frage, ob sie beim IPO in ARM-Aktien investieren sollten, frühestens wenn die Konditionen feststehen. Aber auf Basis der vorliegenden Informationen dürften die Aktien sehr teuer sein und als Privatanleger sollte man nicht unbedingt bereit sein, einen strategischen Preis zu bezahlen, wie Kunden (wie Nvidia) zu zahlen bereit sind. Börsen-Legende Warren Buffett rät Anlegern, IPOs zu meiden, und vergleicht Börsengänge mit Lottospielen. Er setzt vielmehr darauf, die Aktien nach dem IPO einige Zeit lang zu beobachten und zu überprüfen, ob sie ihre Versprechungen auch einhalten können und wie sich die Geschäfte entwickeln. Dann ist immer noch Zeit genug, um sich langfristig in dem Unternehmen zu engagieren. Softbank Group-Aktien kaufen? Ein großer Gewinner wird die Softbank Group sein, denn der gehört die wertvolle Firma ARM Holdings ja nunmal und je höher die Bewertung beim IPO ist, desto mehr Geld fließt ihr auch in die Kasse. Wenn man nun die potenzielle Bewertung von ARM mit 66 Mrd. US-Dollar als gegeben ansieht und dem die momentane Börsenbewertung der Softbank Group von 68 Mrd. US-Dollar gegenüberstellt, und dazu noch den verbliebenen 3,8%-igen Anteil an Alibaba rechnet im Wert von 8,5 Mrd. US-Dollar, dann riecht das förmlich nach einer Fehlbewertung. Denn die Softbank Group hält ja auch noch Anteile an den Vision Funds 1 und 2 und hat ihr Asset Management Business, das ihr aus der Fondsverwaltung Provisionen in die Kasse spült. Beides ist einige Milliarden US-Dollar wert und das auf Basis der momentan sehr stark gedrückten Bewertungen vieler Wachstums-Unternehmen in den Fonds. Rein von den Zahlen her schreit die Aktie also geradezu nach einem Kauf. Und doch... Son und seine Softbank Group haben vor 23 Jahren einen Wahnsinnsdeal eingefädelt, als sie für nur 20 Mio. US-Dollar bei Alibaba eingestiegen sind. Von diesem gewaltigen Erfolg zehrt das Unternehmen noch heute. Und konnte ihn nicht auch nur ansatzweise wiederholen seitdem. Auch mit ARM nicht. Das wird ein weiteres großes Erfolgsgeschäft, aber eine Wertsteigerung von 100% in 7 Jahren ist kein Ausnahmeergebnis, das leisten viele Finanzinvestoren auch, ob nun Blackstone, KKR oder Apollo Global. Das Erfolgsrezept der Softbank Group war, viel Geld in Start-ups zu pumpen, die damit starkes Wachstum generierten und Wettbewerber übernahmen oder vom Markt fegten, und dann diese Start-ups mit großem Gewinn an die Börse zu bringen. Nicht umsonst fand dieses Szenario als ‚Greater Fool Theory‘ Eingang in die Finanzwissenschaft, denn es geht nur darum, ob man einen noch größeren Trottel findet, der später noch mehr Geld zu zahlen bereit ist. Bis zum Platzen der Internetblase im Frühjahr 2000 funktionierte das, dann erhöhte die US-Notenbank FED die Leitzinsen und beendete das Spiel. Und auch Ende 2021 war es die FED, die mit kräftigen Leitzinsanhebungen die Party gecrasht hat – der erste Versuch Ende 2018 war nur ein vorübergehender Fehlversuch, der schnell wieder beendet worden war. Man kann also sagen, dass das Softbank-Geschäftsmodell auf Unmengen von billigstem Geld basiert, das in einem prosperierenden wirtschaftlichen Umfeld auf waghalsige Jungunternehmen prallt. Unser Fazit Wer also 2023 für 1999 oder 2020 hält, dürfte voll auf seine Kosten kommen. Sowohl bei der Softbank Group als auch beim ARM-IPO. Es ist erfreulich, dass mit ARM ein so erfolgreiches und attraktives Unternehmen zurück auf das Börsenparkett strebt. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Aktie auch automatisch ein gutes Investment wird. ARM hat bei Vorlage seines Börsenprospekts selbst auf einige große Risiken hingewiesen. So macht man 57% seines Umsatzes mit nur 5 Großkunden und im Jahr 2022 entfielen 24% des Umsatzes auf China. Da die USA zunehmend Sanktionen gegen China und dort insbesondere die Chip-Branche, verhängen, ist das ein durchaus beachtliches Risiko. Und hinsichtlich der Bewertung lohnt vielleicht der Blick auf ein anderes, ähnlich stark positioniertes Chip-Unternehmen: Den Chip-Auftragsfertiger Taiwan Semiconductor Manufactoring. Der wird „nur“ mit dem 27-fachen Gewinn bewertet, während es ARM wohl auf das 122-fache bringt. Zu preiswert dürfte die ARM-Aktie also nicht werden. Vielleicht sollte man sich die Sache lieber erstmal aus der Entfernung ansehen und den Verlauf abwarten. Wird es eine Erfolgsgeschichte, kann man später noch zusteigen. Und gibt es erstmal Enttäuschungen, bietet sich vielleicht eine günstigere Einstiegsgelegenheit. So oder so, der erste Lemming zu sein muss nicht zwangsläufig Vorteile bieten...
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig. | | Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte: Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: Apollo Global, Apple, Blackstone, KKR, Microsoft & Nvidia Weitere Informationen dazu findest Du hier... Meine neuesten Videos
Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen & ein schönes Wochenende wünscht Dir Dein Armin Brack Chefredakteur Geldanlage-Report >> Die nächste Ausgabe erscheint am 2. September Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen. Gerne kannst Du uns auch Themenvorschläge unterbreiten. Fragen und Anregungen bitte per Mail an [email protected] TradingView© ist eine eingetragene Marke der ICE Data Services. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten! Hier kommst Du zu TradingView©. Geldanlage-Report weiterempfehlen! Wir würden uns freuen, wenn Du den Geldanlage-Report Deinen Freunden und Kollegen weiterleiten würdest! Kostenlose Anmeldung unter www.geldanlage-report.de |