Warum Sahra Wagenknecht an Zustimmung verliert
● Ministertreffen in Berlin |
● Radikaler Jobabbau in Essen |
● Absturzdrama in Vilnius |
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Liebe Leserin, Lieber Leser, selten habe ich einen so verlorenen Gewinner gesehen wie gestern: Der SPD-Vorstand hat seinen Noch-Regierungschef Olaf Scholz nun auch ganz offiziell zum Kanzlerkandidaten gekürt. Nach drei eher trostlosen Regierungsjahren. Nachdem Scholz seinen FDP-Finanzminister Christian Lindner öffentlich beschimpfte und rausschmiss, was der Ampel endgültig die Lichter ausblies. Und nach wochenlangem Rumgeeiere innerhalb der SPD, ob Boris Pistorius nicht doch der bessere Kandidat sei. Es braucht offenbar gar keine Opposition mehr, um Scholz zu zerlegen. Das macht der entweder selbst, oder seine Partei hilft eifrig mit. Zur Strafe müssen ihn jetzt alle als größten Hoffnungsträger der Partei feiern, die längst gewarnt war: Wahlergebnisse können zu Nahtoderfahrungen werden. Nicht erst seit den letzten Voten in Ostdeutschland. Schon der Niedergang der Linken hat gezeigt, wie das läuft: Man verliert erst die Stammwähler konsequent aus den Augen, dann sich selbst in der Wokeness der eigenen Großstadtblase. Die Damals-Noch-Linke Sahra Wagenknecht sezierte den Prozess genüsslich in einem Buch, das zum Bestseller wurde. Die Linke ist inzwischen weitgehend verpufft. Und die deutsche Sozialdemokratie? Wirkt nach nur drei Jahren im Kanzleramt ähnlich erschöpft: strategisch wirr, personell ausgezehrt, inhaltlich verzweifelt. |
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| Kanzler und -kandidat Olaf Scholz (© Reuters) |
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Was macht der neue Generalsekretär Matthias Miersch in dieser Situation? Er verspricht Freibier – also im Polit-Sprech: höhere Löhne, sicherere Renten, mehr Mindestlohn, Deutschlandticket, mehr von allem etc. Mierschs dazu passende Werbekampagne startet namenlos: „Wir kämpfen für …“ Warum juckt’s mich nur so, den Slogan leicht albern zu ergänzen? „Wir kämpfen für … unsere Bundestagsmandate und -Diäten, dem Olaf sein Image, die Fettnäpfchen von Saskia Esken, Claudia Roth etc.“ Erinnert sich noch jemand an die SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die zu Ampel-Anfang meinte, sie könne mit ein paar tausend Stahlhelmen die Ukraine retten? Die einzige SPD-Kraft in der Regierung, die geräuschlos und effizient Erfolg hatte, war Arbeitsminister Hubertus Heil. Das sozialdemokratischste Herzensprojekt „Bürgergeld“ hat er höchst effizient realisiert. Fast zu effizient. Die Kosten dürften sich im neuen Jahr um einige Milliarden erhöhen, fürchten Experten. Selbst Heil hat sich also quasi ins Abseits gesiegt. Dabei würde ich der deutschen Sozialdemokratie nicht nur wieder mehr Wirtschaftskompetenz wünschen, sondern auch ein paar kluge Charismatiker. Ehrlich! Es braucht diese Partei, die Kanzler hervorgebracht hat wie Willy Brandt, Helmut Schmidt und – ja, auch Gerhard Schröder. Und, wie antwortet die SPD-Spitze? Am Samstag veranstaltet der Vorstand in Berlin – kein Witz – eine „Wahlsieg-Konferenz“. Ich fürchte, sie glauben das selbst. Wie erleben Sie die SPD? Schreiben Sie uns: [email protected] |
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| Boris Pistorius (M.) mit Amtskollegen aus europäischen NATO-Staaten (© dpa) |
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Europas Verteidigungsminister rücken zusammen |
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Mission Miteinander: Am Montag begrüßte SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius gleich vier seiner Kollegen aus europäischen NATO-Staaten. Ziel des Treffens war es, künftige Militärkooperationen auszuloten, aber auch ein Zusammenwachsen der nationalen Rüstungsindustrien voranzubringen. Waffenimporte etwa aus den USA sollen dagegen zurückgefahren werden. Hintergrund der Initiative: Der künftige US-Präsident Donald Trump ließ zuletzt keinen Zweifel daran, dass er mit der finanziellen Unterstützung seiner europäischen Bündnispartner unzufrieden ist. Die haben sich eigentlich verpflichtet, jedes Jahr zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die NATO-Kasse zu überweisen, kommen ihren Verpflichtungen für Trumps Geschmack aber nicht immer nach. Andererseits hat Europa sein Militär schon viele Jahre kaputtgespart. Im Fall des Angriffs eines Aggressors wären selbst die Achsenmächte Frankreich und Deutschland nicht lange zu halten. Man brauche endlich eine eigene „effektive Abschreckung“, sagte Pistorius. Seine Gäste waren Sébastien Lecornu aus Paris und John Healey aus London, Wladyslaw Kosiniak-Kamysz aus Warschau und Guido Crosetto aus Rom. |
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| FOCUS Salon: Innenministerin Nancy Faeser (M.) und Burda-Vorstand Philipp Welte mit den Aktivistinnen Anna-Sophie Herken, Iris Brand und Sarah Bora von der Initiative #DieNächste (© Markus Hurek) |
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Innenministerin Faeser fordert mehr Schutz für Frauen |
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Es war ein Treffen aus ernstem Anlass: Am Montag wurde der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen begangen. In Berlin trafen sich deshalb Fachleute aus Politik, Justiz, und Medien zum FOCUS Salon. Zu den Gästen, die Burda-Vorstand Philipp Welte und FOCUS-Chefredakteurin Franziska Reich begrüßten, gehörten Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sowie die Initiative „Die Nächste“. Gewalt gegen Frauen und Mädchen nimmt nicht nur weltweit zu, auch in Deutschland steigen die Fallzahlen. Laut dem aktuellen Lagebild des Innenministeriums wurden im zurückliegenden Jahr 360 Frauen von ihren Partnern getötet. Durch den Bruch der Ampel-Koalition steht das von SPD, FDP und Grünen auf den Weg gebrachte Gewaltschutzgesetz auf der Kippe. Es soll durch Beteiligung des Bundes für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sorgen. „Ich werbe dafür, dass wir die elektronische Fußfessel für Gewalttäter einführen“, sagte Faeser in ihrem Vortrag. Anti-Gewalt-Trainings müssten verpflichtend werden. Am morgigen Mittwoch soll das Gesetz vom Kabinett gebilligt und noch ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Notwendig wäre die Zustimmung der Union. |
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| Stahlproduktion in Essen (© dpa) |
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Thyssenkrupp Steel streicht Tausende Stellen |
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Der nächste Schlag für die hiesige Industrie: Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) will in den kommenden Jahren massiv Personal abbauen. Innerhalb von sechs Jahren soll die Mitarbeiterzahl von aktuell rund 27.000 auf 16.000 schrumpfen. Das teilte der Tochterkonzern von Thyssenkrupp am Montag mit. Ziel sei es, die Personalkosten in den kommenden Jahren im Schnitt um zehn Prozent pro Jahr zu senken. 5000 Stellen sollen bis Ende 2030 durch „Anpassungen in Produktion und Verwaltung“ abgebaut werden. 6000 weitere Stellen müssten durch Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder Verkäufe verlagert werden. Der Schritt kommt nicht überraschend. Seit Jahren sind die Kapazitäten bei TKSE nicht ausgelastet. Dazu kommt die Billigstahl-Konkurrenz aus Asien. Zudem ist das Stahlgeschäft stark konjunkturabhängig. Parallel zu dem Sparprogramm treibt die Konzernmutter Thyssenkrupp den Verkauf des Stahlbereichs voran. Zugleich läuft die Transformation hin zur Herstellung von klimaneutralem Stahl weiter, die mit rund zwei Milliarden Euro auch aus Steuergeldern von Land NRW und Bund finanziert wird. |
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| Neubauwohnungen in Kirchheim bei München (© dpa) |
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In der deutschen Bauwirtschaft trübt sich die Lage weiter ein. Im September sank der Auftragseingang der Branche gegenüber dem Vorjahr um 11,5 Prozent. Der Umsatz gab preisbereinigt um 3,7 Prozent nach, teilte das Statistische Bundesamt gestern mit. Zur Begründung für die Entwicklung verweisen Experten unter anderem auf die stark gestiegenen Baukosten, gekürzte staatliche Förderprogramme, hohe Zinsen und das „sehr ungünstige Investitionsklima für Unternehmen“, sagte ifo-Experte Ludwig Dorffmeister dem FOCUS. Eine rasche Trendwende sei „nicht in Sicht“. So verdüstere sich die Finanzlage der Kommunen weiter. Dies mache vor allem den Tiefbau-Unternehmen zu schaffen. Zudem dürfte der Wohnungsbau weiter schrumpfen. Erst Mitte des Monats hatte das ifo Institut vor der schwierigen Lage der Branche gewarnt. Von Januar bis September waren noch 157.200 neue Wohnungen genehmigt worden und damit fast 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung von 400.000 Neubauten im Gesamtjahr wird weiterhin dramatisch verfehlt. |
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25 Prozent sollen ab Januar die Einfuhrzölle auf Waren aus Mexiko, Kanada und China in die USA betragen. Das erklärte der künftige US-Präsident Donald Trump heute Nacht. Allen drei Ländern wirft er vor, die Vereinigten Staaten u.a. mit Drogen zu überschwemmen. |
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Kalorienzahlen helfen nicht beim Abnehmen |
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In Großbritannien sind 63,7 Prozent der Menschen übergewichtig oder fettleibig (in Deutschland: 52,7 Prozent). Deshalb verabschiedete die britische Regierung im April 2022 ein Gesetz, das Restaurants und Kantinen verpflichtet, bei jedem Gericht die Kalorienzahl anzugeben. Der Gedanke dahinter: Wer weiß, dass er zu viel isst, ändert sein Verhalten. Eine aktuelle Studie zeigt nun: Die Köche rechneten zwar brav die Kalorienzahlen aus und druckten sie auf ihre Speisekarten. Aber lediglich ein Drittel aller Kundinnen und Kunden lasen sie. Nur sieben Prozent reagierten darauf – und suchten sich ein leichteres Gericht aus. Das ergab eine Befragung von über 6.000 Gästen direkt nach dem Essen. Fazit der Forscher: „Insgesamt zeigten die Analysen, dass die Regelung im Schnitt weder dazu führte, dass die Kundinnen und Kunden Gerichte mit weniger Kalorien bestellen noch dass sie weniger zu sich nehmen.“ Vielleicht hätten die Gesetzgeber eine größere Schrift für die Angaben verlangen müssen. Ein Drittel der Kalorienzahlen waren nämlich unleserlich. |
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Gewinner: Für Alexander Sagel, 53, Vorstandsmitglied der Renk Group, hält das kommende Jahr einen Aufstieg bereit. Ab 1. Februar wird der ehemalige Rheinmetall- und Daimler-Manager das Augsburger Rüstungsunternehmen als Vorstandsvorsitzender leiten. Sagel folgt auf Susanne Wiegand, die sich nach knapp vier Jahren erfolgreicher Aufbauarbeit und Börsengang aus persönlichen Gründen verabschiedet. | |
Verliererin: Vor wenigen Wochen konnte sich die Ex-Linken-Politikerin noch über ein Umfragehoch freuen. Nun steckt Sahra Wagenknecht, 55, in einer ersten Krise. Bei der Landtagswahl in Thüringen holte ihr Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) fast 16 Prozent der Stimmen. In aktuellen Umfragen schafft es die Partei bundesweit kaum noch über die Fünf-Prozent-Hürde. Gleichzeitig wird die Kritik an Wagenknechts autoritärem Führungsstil und ihrer unklaren Programmatik lauter. | |
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… noch ein Blick auf den schrecklichen Absturz eines DHL-Frachtflugzeugs, das auf dem Weg von Leipzig gestern früh beim Anflug auf die litauische Hauptstadt Vilnius abstürzte und in Flammen aufging. Vier Menschen waren an Bord der 31 Jahre alten Boeing 737. Einen davon konnten die Rettungskräfte nur noch tot bergen. | | Abgestürzte DHL-Frachtmaschine im litauischen Vilnius (© Reuters) | Woran lag es? Technisches Versagen? Ein Sabotageakt? Russische Rache? Das Verrückte ist ja, dass man mittlerweile so vieles für möglich hält. Der Funkverkehr zwischen dem Piloten und dem Tower deutet zwar nicht auf eine Notsituation hin. Aber erst kürzlich hatten deutsche Sicherheitsbehörden vor „unkonventionellen Brandsätzen“ gewarnt, die von Terroristen mit solchen Frachtfliegern verschickt werden könnten. Bis man Näheres weiß, werden wohl noch ein paar Tage vergehen. Wir halten Sie auf dem Laufenden! Herzlichst | | Thomas Tuma |
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