von „Notwehr“ sprach eine Greenpeace-Aktivistin. Ich würde es eher als einen Akt der Selbstjustiz und als eine glasklare Straftat bezeichnen. Was ist geschehen? Mehrere Greenpeace-Leute sind am Mittwoch in einen niedersächsischen Verladehafen eingedrungen, um aus 300 bis 400 dort zur Verschiffung bereitstehenden VW-Modellen die Zündschlüssel zu stehlen. Selbstverständlich geschah dies alles für den guten Zweck – denn welche Beweggründe als gemeinwohlorientiert zu gelten haben, das entscheiden in diesem Land offenbar schon seit langem demokratisch nicht legitimierte Vereinigungen, die sich stets auf eine höhere Moral berufen. Im Fall der aktuellen Greenpeace-Aktion geht es mal wieder darum, „unsere Zukunft“ gegen die Verbrennungsmotoren von Volkswagen zu verteidigen. Wie diese „Zukunft“ auszusehen hat, das bestimmt natürlich die Aktivistenszene in ihrer himmelschreienden Selbstgerechtigkeit ganz alleine. Was wäre eigentlich los, wenn eine Gruppe von VW-Beschäftigten zur Auffassung gelangte, dass ihre Arbeitsplätze (und damit ihre Zukunft) durch Greenpeace in Gefahr gebracht werden und folglich der Hamburger Deutschland-Zentrale dieser Organisation einen kleinen Hausbesuch abstattet, um dort sämtliche Türschlüssel zu entwenden? Ob der Norddeutsche Rundfunk dann auch von einer „gewieften Aktion“ schreiben würde, wie er es mit Blick auf den Diebstahl von Emden getan hat? Wahrscheinlich wäre eher das Gegenteil der Fall: Die Industriearbeiter würden in den Abendnachrichten mindestens als militante Öko-Säue und Feierabend-Terroristen präsentiert. Wer jetzt immer noch glaubt, die öffentlich-rechtlichen Sender betrieben eine ausgewogene Berichterstattung, hält wahrscheinlich auch Jan Böhmermann für einen talentierten Comedian. Meine Kollegin Antje Hildebrandt hat sich in Sachen Schlüssel-Klau umgehört, und zumindest Volkswagen scheint den Vorfall nicht einfach auf sich beruhen lassen zu wollen: Zwar hat die Polizei die Rucksäcke mit den Schlüsseln inzwischen beschlagnahmt. Bei VW heißt es jedoch, man müsse die Schlösser aus Sicherheitsgründen trotzdem austauschen. Die Geschichte dürfte Greenpeace am Ende also teuer zu stehen kommen, und zwar nicht nur finanziell. Denn wer will schon eine Organisation unterstützen, die mit Spendengeldern Straftaten begeht? Vielleicht wäre das ja auch mal ein Thema für den Norddeutschen Rundfunk. Ist aber wahrscheinlich nicht „gewieft“ genug. Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |