Zuletzt hatte es ja - wenig überraschend - Solarworld erwischt. Wenigstens verbleibt mit SMA Solar noch ein Hochkaräter, der Weltmarktführer bei Solarwechselrichtern, dem Herz jeder Lesen Sie, warum die Tage von SMA als Branchenprimus gezählt sein dürften. Wechselrichter wandeln den in Solaranlagen gewonnenen Gleichstrom in Wechselstrom für die Steckdose um. Lange hat sich hier technologisch relativ wenig getan. Thomas Kuther fasste das im Fachportal Elektronikpraxis jüngst so zusammen: "Für die Solarindustrie sind weiterentwickelte Wechselrichter die Eintrittskarte zur digitalen Revolution. In den letzten 25 Jahren hat sich die Wechselrichtertechnik hinsichtlich Größe, Gewicht, Herstellungskosten und Wirkungsgrad nur begrenzt entwickelt. Vergleicht man das mit der Computerindustrie, wo sich die Rechenleistung alle 18 bis 24 Monate verdoppelt, ist es nicht überraschend, dass heute jeder Haushalt einen Computer, aber nicht unbedingt eine Solaranlage auf dem Dach hat." Quelle: www.elektronikpraxis.vogel.de Und weiter: "Wenn aber Wechselrichter und damit PV-Systeme digitalisiert werden, können auch sie sich mit der Geschwindigkeit des Moore‘schen Gesetzes weiter entwickeln." Genau an diesem Punkt ist die Branche nun angekommen. Die Frage ist nur, ob das für SMA Solar angesichts der Entwicklungen in den letzten Jahren wie ein Versprechen oder doch eher wie eine Drohung klingt? Kapitalmarkt mehrmals enttäuscht Aber der Reihe nach: Am 9. November enttäuschte SMA Solar wieder mal den Kapitalmarkt. Wie so oft in den vergangenen Jahren. Man kappte das obere Ende der Umsatzprognose für 2017. Im 3. Quartal war der Umsatz um sieben Prozent auf 211 Millionen Euro zurückgegangen. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) erreichte 26 Millionen Euro. Warburg-Analyst Arash Roshan Zamir, der als einziger eine Schätzung veröffentlicht hatte, hatte mit einem Umsatzplus gerechnet. Als Gründe wurden Lieferengpässe bei Bauteilen genannt. Betroffen waren die wichtigsten Märkte Europa und USA. Die Aktie reagierte mit heftigen Kursverlusten. Einen Grund für Selbstkritik sah man deshalb aber keineswegs. Vorstandssprecher Pierre-Pascal Urbon sprach davon, dass das Geschäftsjahr für SMA bisher besser verlaufen sei, "als wir Anfang des Jahres erwartet hatten. Wir haben einmal mehr gezeigt, dass wir uns gut an die sich schnell verändernden Marktbedingungen anpassen können." Das ist meiner Meinung nach eine vorsichtig formuliert zumindest eigenwillige Interpretation der Dinge. Denn exakt am gleichen Tag meldete der an der NASDAQ notierte israelische Konkurrent SolarEdge Technologies seine Dritt-Quartalszahlen. Und die sahen so aus: Der Umsatz kletterte um 29,6 Prozent auf 166,5 Millionen US-Dollar, das waren rund 7,5 Millionen US-Dollar mehr als erwartet. Der operative Gewinn erreichte 25,4 Millionen US-Dollar. Damit wächst SolarEdge im Gegensatz zu SMA Solar nicht nur stürmisch, sondern schafft es zusätzlich noch eine höhere Profitabilität zu erzielen (EBITDA-Marge von 15 Prozent vs. 12,3 Prozent bei SMA Solar). Power Optimizer-Trend verschlafen Vor allem aber nimmt SolarEdge SMA Solar massiv Marktanteile ab. Der Wachstumstreiber sind dabei u.a. die sogenannten Power Optimizer, kleine Boxen, die an der Hinterseite des Solarmoduls befestigt werden, um die Leistung von Photovoltaikanlagen zu verbessern. Diese Technologie ist relativ neu und setzt auf der Modulebene an (inzwischen wird hierfür der Begriff "Module Level Power Electronics" (MLPE) verwendet). Bereits im September 2014 erschien im PV Magazine ein Bericht, wonach das Marktvolumen für Microinverter und Power Optimizer stark wachsen werde. Bei den Herstellern seien weiterhin Enphase und SolarEdge dominant. Vielsagend heißt es darin: "Selbst SMA präsentierte in diesem Jahr seinen ersten Modulwechselrichter." Quelle: www.pv-magazine.de Anfang Juli 2015 folgte in der IT-Times dann ein Artikel mit dem Titel "Newcomer aus Israel mischt den Wechselrichter-Markt auf". Darin war die Rede von einem explosionsartig wachsenden Geschäft mit Power Optimizern. Alleine 2014 habe SolarEdge 4,5 Millionen Stück dieser Optimierer ausgeliefert, hieß es darin. Verwiesen wurde wie im PV Magazine-Artikel auf die Marktforscher von IHS Solar, die damit rechnen würden, dass sich der weltweite Markt für diesen Power Optimizer bis zum Jahr 2016 verdoppeln und 4,0 Gigawatt erreichen werde. Quelle: www.it-times.de SMA musste die Gefahr also kommen gesehen haben, wähnte sich aber wohl immun. Die integrierte Leistungsoptimierung der eigenen Wechselrichter führe ebenfalls zu maximalen Erträgen bei Verschattungen, hieß es. Diese These wurde u.a. in einem Interview auf der SMA-Homepage noch im Januar 2016 vertreten: Quelle: www.sma-sunny.com Nun sind Wechselrichter eine komplexe Angelegenheit. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Leistung zu optimieren (s.a. auch das Interview oben, z.B. der MPP-Tracker von SMA) mit entsprechenden Auswirkungen auf die Investitionskosten einer Photovoltaikanlage und die Solarstrom-Erträge. Ich bin hier kein Experte und maße mir nicht an, aus technischer Sicht beurteilen zu können, welche Lösung wie gut ist. Fakt ist aber: Nur drei Monate später, im April 2016 stieg SMA dann beim US-Konkurrenten von SolarEdge, Tigo Energy, ein. Dadurch erhalte man "Zugang zum wachstumsstarken Markt der sogenannten MLPE mit einem jährlichen Marktvolumen von schätzungsweise ca. 700 Mio. Euro. Mit der Technologie von Tigo lassen sich die Module entsprechend nachrüsten. Mit anderen Worten: SMA versuchte nun noch auf den bereits davon gefahrenen Zug aufzuspringen und kaufte sich extern Know-how zu. Das Problem: Tigo ist im Verhältnis zu SolarEdge ein kleiner Fisch (75 Mitarbeiter vs. ca. 470 Mitarbeiter) und SMA gehören nur 27 Prozent an Tigo. 20 Millionen US-Dollar haben die Hessen dafür investiert. Die exklusiven Vertriebsrechte an der Tigo-Produktplattform TS4-Retrofit wurden auf 30 Monate beschränkt. Immerhin kooperiert man seither in den Bereichen Entwicklung, Vertrieb und Service. Das reicht aber bei weitem nicht aus, um beim Wachstum auch nur ansatzweise mit SolarEdge Schritt halten zu können. Umsatzstagnation vs. fulminantes Wachstum Unter dem Strich stagniert der Umsatz von SMA Solar seit fünf Jahren in einer Range von 800 Millionen bis einer Milliarde Euro. In 2017 hat man den Mittelwert dieser Range erreicht. In dieser Zeit hat man operativ netto keinen Cent verdient. Die rund 150 Millionen Euro, die man kumuliert von 2015 bis 2017 verdient hat, liegen unter den 196 Millionen Euro, die man kumuliert in 2013 und 2014 verloren hat. 2018 und 2019 dürften umsatzseitig nur sehr geringfügig besser ausfallen (aktuelle Konsensschätzungen bei 932 bzw. 922 Millionen Euro). Urban spricht von 900 Millionen Euro bis zu einer Milliarde Euro. Im gleichen Zeitraum, also von 2013 bis 2017, hat SolarEdge seine Umsätze von 79 Millionen US-Dollar auf 607 Millionen US-Dollar, also um fast das Achtfache(!), erhöht. Diesen Donnerstag nun meldeten die Israelis die Zahlen für das 4. Quartal und das Gesamtjahr 2017: Daraus geht hervor, dass man inzwischen alleine im Schlussquartal zwei Millionen Power Optimizer ausgeliefert hat, also rund acht Millionen annualisiert. Die Kapazität der ausgelieferten Inverter insgesamt lag bei 766 MW, annualisiert also bei rund 3 Gigawatt. Die Marktforscher haben also mit ihren Prognosen ins Schwarze getroffen. Und der Vorsprung von SMA wird weiter schrumpfen: In 2018 liegt die Konsensschätzung der Analysten für SolarEdge bei 794 Millionen US-Dollar, für 2019 dann schon bei 863 Millionen US-Dollar. In Punkto Profitabilität ist SolarEdge ohnehin längst an SMA vorbei gezogen. Während SMA in 2018 einen Gewinn pro Aktie in der Größenordnung von einem Euro je Aktie einfahren könnte (aktuelle Konsensschätzung liegt bei 0,94 Euro je Aktie) sollen es bei SolarEdge 2,46 US-Dollar werden, als rund das zweieinhalbfache. Trotzdem liegen die beiden Aktien kursmäßig fast gleich auf (SMA Solar 46,86 Euro; SolarEdge 45,85 US-Dollar). Ungerechtfertigter Bewertungsaufschlag So richtig erschließt sich mir nicht, warum SMA vom Markt derzeit ein 2018er-KGV von 45 zugestanden wird und SolarEdge nur eins von 19. Zumal SolarEdge bilanztechnisch zumindest ebenso gut dasteht wie SMA. Die Israelis sind quasi schuldenfrei, haben rund 240 Millionen US-Dollar an Cash und kurzfristig liquidierbaren Wertpapieren. Sie haben keinerlei Goodwill und eine Eigenkapitalquote von 74 Prozent. SMA Solar hat die Nettoliquidität zwar ebenfalls deutlich von 362 auf 450 Millionen Euro ausgebaut, dafür liegt die Eigenkapitalquote aber nur bei rund 50 Prozent. Operativ könnte SMA zudem besonders stark unter den Importzöllen von 30 Prozent leiden, die US-Präsident Donald Trump für Solarmodule aus dem Ausland erhoben. GTM Research schätzt, dass dadurch die installierte Solar-Photovoltaik-Kapazität in den USA in den Jahren 2018 bis 2022 um 7,6 Gigawatt (GW) zurückgehen wird. Besonders betroffen sein soll davon der "Utility-scale"-Bereich, also das Großprojekt-Geschäft mit Energieversorgern. Quelle: www.greentechmedia.com Ausgerechnet das ist aber ein Kerngeschäft von SMA. Die Analysten sind ebenfalls entsprechend skeptisch für SMA gestimmt: Oddo BHF hat das Kursziel von 28 auf 31 Euro erhöht, Independent Research von 28 auf 33 Euro. Entsprechend lauten die Einschätzungen auf "reduzieren" bzw. "verkaufen". Der bereits erwähnte Warburg-Analyst Roshan Zamir hat das Kursziel nach einer Investorenveranstaltung zwar von 25 auf 39 Euro angehoben, dabei aber klar gemacht, dass er dem Unternehmen "einen Vertrauensvorschuss" gewährt und er bei diesem Kursziel noch einige Risiken sehe. Richtig überzeugend klingt das nicht. Das mahnt zur Vorsicht: Dass Analystenkursziele derart deutlich unter dem aktuellen Börsenkurs liegen ist angesichts der normalerweise chronisch optimistischen Analystenschar eine Rarität. Der Vertrauensvorschuss, den Zamir anspricht, bezieht sich darauf, dass SMA nun den Bereich Energiedienstleistungen schnell ausbauen möchte. Dafür wurde unter anderem die Tochtergesellschaft Coneva gegründet. Dabei will man z.B. für Stadtwerke oder Supermarktketten konkrete Empfehlungen geben wie sie ihr Energiesystem optimieren können. Zudem will man mit der Technologieplattform "ennexOS" verschiedene Erzeuger und Verbraucher vernetzen und somit den Kunden letztlich auch den Handel mit Energie ermöglichen. Fragliche Vorschusslorbeeren Die Digitalisierung sei ein wichtiger Bestandteil der SMA Unternehmensstrategie, erklärt Coneva-Geschäftsführer Jochen Schneider. Quelle: www.pv-magazine.de Mag sein, Autor Kuther führt im eingangs erwähnten Artikel aber leider wieder die Konkurrenz an: "Einen Schritt in Richtung Digitalisierung der Solarindustrie hat SolarEdge mit der innovativen HD-Wave-Technologie getan: Die Umwandlung dabei läuft über einen Digitalprozessor. So konnten nicht nur Größe und Gewicht deutlich reduziert werden, auch der gewichtete Wirkungsgrad liegt nun höher, bei 99 Prozent. Die geringere Anzahl teurer Komponenten senkt Kosten und dank gesteigertem Wirkungsgrad steigt der Energieertrag." Immerhin: Eine Chance für SMA könnte eventuell darin liegen, dass SolarEdge schwerpunktmäßig bisher auf den "residential"-Markt ausgerichtet ist, also auf den Wohnungsmarkt (in Q4 gingen nur 33 Prozent der ausgelieferten Megawatt (MW) in den Bereich "commercial and industrial"), während SMA gezielt den "commercial"-Markt angeht mit den oben genannten Zielgruppen. Speziell in Europa haben die Hessen hier zudem noch einen Zeitvorsprung. Zunächst einmal kostet die Expansion in den Bereich Energiemanagement und Energiedienstleistungen aber Geld. Erst 2020 will man damit in die Gewinnzone kommen. Bis zu 50 Millionen Euro sollen hier dann umgesetzt werden, aber mit "exponentiellem Wachstum und Margen von bis zu 40 Prozent". Quelle: www.handelsblatt.com SMA Solar Technology AG (ISIN: DE000A0DJ6J9) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 18e/19e | Kurs | A0DJ6J / S92 | 1,6 Mrd. EUR | 45 / 43 | 46,86 EUR | MEIN FAZIT: SMA Solar hat seinen Technologievorsprung bei Wechselrichtern verspielt. Man verliert dramatisch Marktanteile an SolarEdge, weil man neue technologische Entwicklungen verschlafen hat (Power Optimizer). Woher der Markt den Optimismus nimmt, dass SMA nun ausgerechnet bei der bevorstehenden Digitalisierungs-Revolution vorne mitspielen wird, erschließt sich mir nicht. Ich rate dazu SMA Solar auf aktuellem Kursniveau zu verkaufen und SolarEdge zu kaufen. Mehr tief gehende Recherchen zu Value- und Wachstumsaktien sowie klare Handlungsempfehlungen erhalten Sie in meinen Premium-Diensten Trendaktien-Report (www.trendaktien-report.de) und Breakout-Trader (www.breakout-trader.de). Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert: Es liegt daher kein Interessenskonflikt vor. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. |