nach aktuellem Stand ist in Deutschland jede zweite Person (49,7 Prozent der Gesamtbevölkerung) gegen Covid geimpft, 61 Prozent der Menschen haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Von jetzt an dürfte es eher zäh weitergehen, denn knapp sind die Vakzine längst nicht mehr. Die naheliegende Frage lautet also: Wie kann der Staat auf die Impf-Verweigerer reagieren? Und soll er das überhaupt? Es wird von Tag zu Tag deutlicher, dass Nicht-Geimpfte künftig mit empfindlichen Einschränkungen werden leben müssen – vom Restaurantbesuch bis hin zu Auslandsreisen. Denn immer mehr Politiker äußern sich in diese Richtung. Das Thema birgt enorme politische Sprengkraft, eine „Impf-Pflicht durch die Hintertür“ wird die Gesellschaft spalten. Der Blick nach Frankreich genügt. Wie auch immer man zu alledem stehen mag: Fakt ist, dass hier zwei Güter in Einklang gebracht werden müssen. Auf der einen Seite geht es um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung, auf der anderen Seite stehen die Individualrechte jener, die eine Impfung – aus welchen Gründen auch immer – ablehnen. Insofern empfehle ich ein Interview, das meine Kollegin Alissa Neu mit Andrew Ullmann geführt hat, der hier schon öfter zu Wort kam. Ullmann ist nämlich nicht nur Professor für Infektiologie, sondern noch dazu Bundestagsabgeordneter der FDP. Man kann also davon ausgehen, dass er kein leichtfertiges Urteil fällt. Eine flächendeckende Impfpflicht dürfe es nicht geben, sagt Ullmann – zumal der Staat es immer noch nicht hinbekommen habe, das Impfangebot auf niedrigschwelligster Form anzubieten. „Die Impfkampagne muss vor die Supermärkte, sie muss in die Innenstädte und auf die Dörfer auf dem Land. Sie muss flexibel sein und sich auf die Menschen einlassen, die impfwillig sind, aber es noch nicht geschafft haben, sich impfen zu lassen. Freiheitseinschränkungen, Ängste und Verbote sind immer der einfachste Weg für Regierende, aber kontraproduktiv.“ Ähnlich gelagert ist die Sache beim Klimaschutz, denn auch hier können große Ziele nur erreicht werden, wenn der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin mitzumachen bereit ist. Eine Klimapolitik mit der Brechstange dürfte zum Scheitern verurteilt sein. Journalisten fällt in diesem Zusammenhang eigentlich die Aufgabe zu, die Argumente von Wissenschaftlern, Politikern, Aktivisten und Betroffenen abzubilden und kritisch zu hinterfragen. Meine Kollegin Antje Hildebrandt hat sich deshalb das jüngst erschienene Buch von Luisa Neubauer und Bernd Ulrich vorgenommen, in dem sich die Fridays-for-Future-Repräsentantin und der stellvertretende „Zeit“-Chefredakteur über „Freiheit, Ökologie und den Konflikt der Generationen“ unterhalten. Hildebrandts Fazit: Ulrich habe die in den vergangenen Jahren immer durchlässiger gewordene Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus in diesem Buch endgültig überschritten. „Das Parteilichkeitsverbot hört dort auf, wo die Demokratie bedroht ist“, dekretiert er. Antje Hildebrandt merkt dazu an: „Wer aber entscheidet das? Und selbst wenn es so wäre – ist die Demokratie nicht immer irgendwie in Gefahr? Nach diesem Maßstab wäre die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus grundsätzlich obsolet.“ Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |