Audi streicht 7500 Jobs in Deutschland
● Schuldenpakt – der Zeitplan |
● OECD – schlechte Aussichten |
● Krönung für Julia Klöckner |
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Liebe Leserin, Lieber Leser, täusche ich mich, oder wurde in puncto Republik-Rettung zuletzt nur noch übers Geldausgeben gesprochen statt übers Geldverdienen? 900 Milliarden Euro neue Schulden werden heute beschlossen. Deshalb will ich Ihnen mal eine kleine Geschichte erzählen, die alle großen Dramen jener Wirtschaft illustriert, die am Ende doch immer die Rechnung zahlt. Neulich traf ich Holger Loclair (Foto unten), 74, vielleicht der erfolgreichste Familienunternehmer Ostdeutschlands. Seine Firma Orafol verkauft weltweit selbstklebende Hightech-Folien. 3000 Beschäftigte sorgen für einen Jahresumsatz von rund 900 Millionen Euro. Es wird Sie überraschen, wie Loclair die schwarz-rote Operation Gießkanne sieht. Aber wir sollten ihn vielleicht zuerst mal seine deutsch-deutschen Polit-Erfahrungen beschreiben lassen. Loclair war Direktor des kleinen VEB Spezialfarben Oranienburg, als die Mauer fiel. Davor hatten sie Angst, dass die Hinterhof-Butze von der SED wegrationalisiert werden könnte. Danach bekam Loclair als „Ossi“ erst einen Kredit, als er einen westdeutschen Partner vorweisen konnte. „Das war damals Politik.“ Immerhin ging’s dann endlich aufwärts für Orafol – bis die Ära von Angela Merkel immer bleierner wurde. Eines blieb zunächst: „Man kannte noch die Bedeutung einer starken Wirtschaft. Davon haben wir uns meilenweit entfernt.“ Loclairs Schlüsselerlebnis: die Ampel. Unter Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck bekam er das Gefühl, als energieintensives Unternehmen „schlicht nicht mehr erwünscht“ zu sein. „Wir mussten uns geradezu entschuldigen für unser gutes Geschäft.“ Loclairs Eindruck war, „dass man es durchaus darauf anlegte, bestimmte Industrien zu vergraulen“. |
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| Der Unternehmer Holger Loclair (r.) zeigt unserem Autor eine Weltkarte mit den Standorten seiner Firma Orafol (© Benjamin Zibner für FOCUS) |
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„Ein Wahnsinn und gleichzeitig ein Irrglaube für eine Volkswirtschaft, deren Stärke so sehr vom Maschinenbau, der Chemie- und der Autoindustrie abhängt und geprägt ist“, sagt der Unternehmer. Sein Fazit: „Der produzierende Mittelstand und Familienunternehmen, beides tragende Säulen der Republik, wurden sträflich vernachlässigt.“ Zugleich haben wir erlebt, „wie die Ampelregierung mit Geld um sich warf, um politisch gewünschte Großindustrien in Deutschland anzusiedeln. Planwirtschaft eben.“ Das kannte er ja schon. Das vollständige Interview lesen Sie hier. Das Einzige, was seither noch wuchs: die Bürokratie zu Hause. In den USA baut Orafol gerade das siebte Werk. Bei jedem vergeht von der Idee bis zum Start kaum ein Jahr. In Oranienburg dauerte es zuletzt allein dreieinhalb Jahre, bis sie überhaupt die Genehmigung für eine Produktionserweiterung bekamen. Deindustrialisierung ist für Loclair längst Realität: „Man nahm billigend in Kauf, dass sich Unternehmen leise vom Standort verabschiedeten.“ Trotzdem würde er selbst nie aus Deutschland und Oranienburg weg. Heimat halt. Und Ehrensache. Apropos: Schwarz-rot findet Loclair gut. Ebenso wie die XXL-Finanzspritzen. Das sei einfach nötig: „Dennoch: sich auf ein Schuldenpaket zu einigen, ist das eine. Das Geld nun auch diszipliniert in das Land zu investieren, ist das andere.“ Loclair hofft jetzt auf echte Strukturreformen. Er ist ein höflicher Mensch. Fördergelder will er gar nicht. Ein bisschen Anerkennung würde ihm völlig reichen. Wäre nicht zu viel verlangt, oder? [email protected] |
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| Hier im Berliner Bundestag sollen heute historische Schulden mit Zweidrittelmehrheit grundgesetzfest beschlossen werden (© dpa) |
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Schuldenpakt I: So entscheidet der Bundestag heute |
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Zum letzten Mal kommt der 20. Bundestag heute früh um 10 Uhr zu einer Sondersitzung zusammen. Die Abgeordneten stimmen über zwei Änderungen des Grundgesetzes ab. Union und SPD wollen auf diese Weise Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur finanzieren. Drei Stunden lang können die Abgeordneten noch einmal über die Gesetzentwürfe debattieren. Anschließend wird namentlich abgestimmt. Das Sitzungsende ist offiziell für 13.30 Uhr angesetzt. Bis dahin sollte ein Ergebnis feststehen. Verzögerungen nicht ausgeschlossen. SPD, CDU und CSU benötigen eine Zwei-Drittel-Mehrheit für ihr Vorhaben. Gemeinsam mit der Grünen-Fraktion haben die Parteien theoretisch 31 Stimmen mehr als notwendig. In allen Fraktionen fehlen allerdings Abgeordnete krankheitsbedingt. In der Unionsfraktion haben einige bereits angekündigt, nicht für die Gesetzesänderung stimmen zu wollen, darunter der ehemalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Auch unter den Grünen könnte es eine geringe Anzahl an Abweichlern geben. Die SPD votierte am Montagabend bei einer Probeabstimmung in der Fraktion einstimmig für die Grundgesetzänderung. Das Erreichen der Zweidrittelmehrheit gilt also als wahrscheinlich. Zumal alle Fraktionen vor der Sitzung heute erneut zusammenkommen – zu einer Art Zählappell, der die Abgeordneten zusätzlich disziplinieren soll. (jcw) |
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| Sind sich wieder einig: das bayerische Regierungs-Duo Hubert Aiwanger (li.) und Markus Söder (© dpa) |
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Schuldenpakt II: Bayern macht den Weg frei |
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Tagelang hatte Bayerns Vize-Ministerpräsident und Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger die Koalitionsverhandler von CDU, CSU und SPD in Berlin unter Druck gesetzt. Mit seinem angekündigten „Nein“ drohten die Grundgesetzänderungen zwecks Schuldenbremse und Sondervermögen am Freitag im Bundesrat zu scheitern. Grund: ohne die sechs bayerischen Stimmen hätte der Schuldenpakt nicht die nötige Zweidrittelmehrheit in der Länderkammer erreicht. Plötzlich stand sogar ein Bruch der bayerischen Koalition im Raum. Am Montagnachmittag sah sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schließlich dazu gezwungen, einen Koalitionsausschuss mit den Freien Wählern einzuberufen. Nach zwei Stunden Beratung gab Aiwanger letztlich grünes Licht: Auch die Freien Wähler werden die Schuldenprojekte nun unterstützen, kündigte der Fraktionsvorsitzende Florian Streibl danach an. „Die überwiegend große Mehrheit des Bundestages und der Bundesländer wird diesem Paket zustimmen”, sagte Streibl dem FOCUS. „Es gibt also einen starken demokratischen Willen, dass das so kommt. Diesem demokratischen Willen können wir uns als Freie Wähler nicht entziehen.” Bereits am Wochenende hatte Aiwanger eingeräumt, dass man „eh keine Chance“ habe mit einer Blockade. Als Teilerfolg konnten die Freien Wähler immerhin eine Protokollnotiz für sich verbuchen: Die Pflicht zur Klimaneutralität ab 2045, wie sie nun auf Grünen-Forderung ins Grundgesetz kommt, werde vom Freistaat nicht als Verfassungsauftrag angesehen. (rub) |
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| Team Audi (v.l.): Rainer Schirmer (Betriebsratschef im Werk Neckarsulm), Vorstandschef Gernot Döllner und Gesamt-Betriebsratschef Jörg Schlagbauer (© Schmidtutz) |
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Audi streicht bundesweit bis zu 7500 Stellen |
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Die VW-Tochter Audi will mit einem drastischen Personalabbau, aber auch Milliardeninvestitionen aus der Krise kommen. Das sieht die am Montagabend vorgestellte Zukunftsvereinbarung des Unternehmens mit dem Audi-Betriebsrat vor. Demnach will der Autobauer bis 2029 insgesamt maximal 7500 Stellen an den deutschen Standorten streichen, teilte das Unternehmen mit. Der Jobabbau solle „sozialverträglich“ erfolgen, verkündete Audi-Chef Gernot Döllner am Montagnachmittag bei einer Betriebsversammlung in Ingolstadt. Zugleich werde die Beschäftigungsgarantie für die verbleibenden Mitarbeiter in den Werken in Ingolstadt und Neckarsulm bis Ende 2033 verlängert. Um die deutschen Standorte langfristig abzusichern, will der Konzern bis 2029 überdies acht Milliarden Euro investieren. Nach den Plänen soll in Ingolstadt künftig auch die nächste Generation des Q3 vom Band rollen – im Verbund mit dem Werk im ungarischen Győr. Der Marktstart des SUV ist Mitte des Jahres geplant. Der konkrete Produktionsstart im bayerischen Werk ist noch offen. Zugleich soll Neckarsulm zum KI- und Digitalisierungs-Zentrum für Audi aufgebaut werden. Die vom Audi-Management ursprünglich angedrohten Einschnitte bei Tarifentgelten, Zulagen oder die Auslagerung ganzer Bereiche wie Instandhaltung ist dagegen vom Tisch. Auch die angestrebte Verschiebung der zweistufigen Tariferhöhung im April 2025 und April 2026 ist abgewendet. (utz) |
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| Container-Verladung im Hamburger Hafen: die deutsche Wirtschaft bleibt im Stillstands-Modus (© dpa) |
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OECD senkt erneut Wachstumsprognose für Deutschland |
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Schlechte Aussichten für Deutschlands Wirtschaft: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr nahezu halbiert. Demnach soll das Bruttoinlandsprodukt 2025 nur um 0,4 Prozent wachsen. Im Dezember ging die Organisation noch von 0,7 Prozent Wachstum aus. In der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer belegt Deutschland damit den vorletzten Platz. Schlechter ist nur noch Mexiko mit einer Prognose von minus 1,3 Prozent. Die OECD korrigierte auch ihre globale Wachstumsprognose nach unten und begründet das mit der aktuellen politischen Situation und „Handelsschranken” von mehreren Volkswirtschaften. Ein Lichtblick für Deutschland: Das Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur, das heute im Bundestag beschlossen werden soll, ist in den Berechnungen noch nicht berücksichtigt. Laut OECD könne es sich signifikant positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken. |
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| Bunte Truppe: Der öffentliche Dienst will mindestens 350 Euro mehr Geld und drei freie Tage zusätzlich (© imago) |
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Öffentlicher Dienst – jetzt müssen Schlichter ran |
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Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind vorläufig gescheitert. Auch die dritte Runde für die zweieinhalb Millionen angestellten Beschäftigten von Bund und Kommunen endete am Montagabend ohne Ergebnis. Nun sollen Schlichter nach einer Lösung suchen. Das kündigte die Verhandlungsführerin des Bundes, Innenministerin Nancy Faeser (SPD), in Potsdam an. Die Arbeitgeber haben den früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU benannt. Für die Arbeitnehmerseite soll der frühere Bremer Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr Schlichter werden. Die Gewerkschaft Ver.di und der Beamtenbund dbb hatten ursprünglich eine Tariferhöhung um acht Prozent gefordert, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat. Außerdem verlangten sie drei zusätzliche freie Tage. Den Arbeitgebern von Bund und Kommunen war das zu teuer. Ende März könnte die mehrwöchige Schlichtung beginnen. Scheitert auch die, drohen flächendeckende Vollstreiks. |
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| Immer mehr Zeit verwenden Jugendliche auf die Kommunikation per Smartphone (© Science Photo Library) |
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Was die Jugend auf Social Media besonders stresst |
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Digitaler Stress kann Streit provozieren und Freundschaften zerstören, zeigt eine neue Studie. Ein Forschungsteam der italienischen Universität Padua hatte dafür über 1100 junge Menschen begleitet. Die lieferten ihnen im Abstand von einem halben Jahr Daten zu ihren Freundschaften und ihrer Social-Media-Nutzung. Streit definierten die Wissenschaftler als Konflikte, die eine Freundschaft auch nach sechs Monaten noch belasteten. Überraschendes Resultat: Der Druck, permanent erreichbar sein zu müssen, sei selten ein Problem. Stattdessen sei häufiger Eifersucht der Auslöser für Streits. Jugendliche könnten heute quasi live verfolgen, was und mit wem ihre Freunde etwas unternehmen. Da tauche schnell das Gefühl auf, ausgeschlossen oder zurückgewiesen zu werden. Das ständige Bewusstsein darüber, was andere tun, intensiviere negative Gefühle und belaste Beziehungen, so das Autorenteam. Ihr Rat: im Gespräch mit Familie und Freunden Offline-Zeiten vereinbaren. Jugendliche müssten lernen, dass nicht jede Nachricht sofort eine Antwort brauche. Das könne digitalen Stress reduzieren und im Zweifel Freundschaften retten. |
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Gewinnerin: Sie war schon als Journalistin, Weinkönigin und Landwirtschaftsministerin aktiv. Nun soll Julia Klöckner Bundestagspräsidentin werden. Zumindest wenn es nach der Unionsfraktion geht. Die hat Klöckner gestern einstimmig für das zweithöchste Amt (hinterm Bundespräsidenten) nominiert. Offiziell gewählt wird die 52-jährige CDU-Politikerin allerdings erst bei der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments am 25. März. | |
Verlierer: René Benko, 47 sitzt seit rund einem Monat wegen Veruntreuung von Vermögenswerten in einem Insolvenzverfahren in Untersuchungshaft. Jetzt kommt auch noch ein herber privater Nackenschlag dazu: Ehefrau Natalie soll laut Medienberichten die Scheidung von dem einstigen Milliardär und Gründer der Immobilien- und Handelsgruppe Signa eingereicht haben. Das Paar hat 2010 geheiratet und drei gemeinsame Kinder. | |
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Russisch-amerikanischer Telefon-Gipfel US-Präsident Donald Trump will heute mit Kremlchef Wladimir Putin telefonieren. Es wäre das zweite Gespräch zwischen beiden Staatschefs, seit Trump wieder im Amt ist. Der US-Präsident hat bereits angekündigt, dass die Chancen auf eine Verständigung in der Ukraine-Frage gut stünden. Ob die Führung in Kiew das ähnlich sieht, bleibt abzuwarten. Die Uhrzeit des Gesprächs wurde zunächst nicht bekanntgegeben. | |
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… nur eine kleine Randbemerkung: Hier am Ende wollen wir Sie ja immer mit einem Lächeln in den Tag schicken, was mir heute etwas schwerer fällt. Gestern wurde bekannt, dass Andrea Neuenhofen, geb. Rosenbaum, gestorben ist. Sie selbst nannte sich AnNa R. und war Sängerin des früheren Schlager-Pop-Duos Rosenstolz. Die gebürtige Ostberlinerin wurde nur 55. Da stirbt man doch noch nicht, Mensch! Ich war kein Rosenstolz-Fan, weiß aber, dass es auch gut zwölf Jahre nach der Trennung der Band noch viele dieser Fans gibt, die bis heute melancholisch die Songs mitsummen: „Liebe ist alles“, „Gib mir Sonne“ und viele andere. | | AnNa R., Sängerin des deutschen Pop-Duos Rosenstolz (©imago) | Und ich erzähle Ihnen das auch nur, weil mich das Lied „Ich bin ich“ von ihr und ihrem Rosenstolz-Partner Peter Plate auch mal mitten ins Herz traf. Und darum geht es ja das ganze Leben, oder? Danke AnNa R. und Peter Plate für Musik und Text: „Bin doch gestern erst geboren Und seit kurzem kann ich gehen Hab' mein Gleichgewicht verloren Doch kann trotzdem grade stehen.“
Ein paar Akkorde lang blieb damals wie gestern die Zeit stehen. Einfach so. Herzlichst | | Thomas Tuma |
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