Wir starten mit Nikola, weil es hier ganz aktuell spannende Entwicklungen gibt. Bitte lese aber unbedingt auch die Ausführungen von Michael zu Berkshire Hathaway, die meiner Ansicht nach wirklich exzellent sind. Viel Spaß dabei! ;-) Nikola Motors: LKWs, die alles besser können? Erstmals vorgestellt hatte ich Dir die Aktie ja bereits im Video von vergangenen Sonntag auf meinem YouTube-"Aktien Kanal". Damals notierte die Aktie noch bei rund 13,15 US-Dollar. Während ich diese Zeilen schreibe am Freitag Nachmittag bricht die Aktie auf über 17 US-Dollar nach oben aus und erreicht damit ein neues Allzeit-Hoch in ihrer zugegebenermaßen noch sehr kurzen Börsenhistorie. Meine These kennt ihr vielleicht schon aus dem Video: Jede neue aufsteigende Branche braucht ihr Aushängeschild. Bei der Elektromobilität ist das ganz klar Tesla. Und bei Wasserstoff bzw. Brennstoffzellen war es früher einmal Ballard Power. Zukünftig könnte es aber Nikola Motors werden, die zukünftig nur noch Nikola Corporation heißen werden. Warum? So wie Tesla gerade dabei ist, den Automarkt auf den Kopf zu stellen, könnte das Nikola zukünftig bei LKWs machen: Nikola will noch in diesem Jahr damit beginnen, absolute Hightech-LKWs zu bauen. Die ersten Modelle kommen noch mit einem „herkömmlichen“ Batterie-Elektroantrieb. Ab 2023 sollen dann die Brennstoffzellen-LKWs den Markt erobern. Glaubt man den Ankündigungen von Nikola, werden die so ziemlich alles besser können als bisherige LKWs: Viel größere Reichweite mit einer Ladung, weniger Zeit zum Auftanken, einfach zu fahren, bessere Beschleunigung. Und rollende Supercomputer werden es noch dazu: mit Over-the-Air-Updates wie bei Tesla und einem Echtzeit-Monitoring der Fahrzeuge. Dadurch soll es möglich sein, dass die LKW-Flotten quasi ohne Ausfallzeiten betrieben werden können. Mit Trevor Milton hat das Unternehmen noch dazu einen charismatischen CEO, den in den USA die ersten bereits in einem Atemzug mit Elon Musk nennen. Wenn das alles so klappt wie geplant, könnten herkömmliche LKW-Hersteller schweren Zeiten entgegen gehen. Wo es Gewinner gibt bzw. geben könnte, da gibt es eben auch Verlierer und die könnten – aus deutscher Sicht – leider, wie schon bei der Elektromobilität wieder mal aus Deutschland stammen. Denn: Die größten deutschen Hersteller sind ja die VW-Nutzfahrzeug-Tochter Traton mit ihren großen Marken MAN und Scania, die inzwischen wenig erfolgreich selbst an der Börse notiert ist. Und Daimler mit seiner LKW-Sparte. Das heißt also, zwei börsennotierte Unternehmen, die ja eh schon unter dem Siegeszug der Elektromobilität und speziell von Tesla leiden. Übrigens: Nikola Tesla, der Erfinder, Physiker und Elektroingenieur, der von 1856-1943 gelebt hat, stand ja pikanter Maßen Pate bei der Namensgebung von Nikola und Tesla. Das Spannende an Nikola ist auch das Geschäftsmodell an sich: Trevor Milton sagt, sein Unternehmen sei „focused on the development of next generation smart transportation”. Das heißt, es geht hier nicht einfach darum, LKWs zu verkaufen. Nikola plant ein reines Leasing-Modell salonfähig zu machen. Das heißt Kunden, die diese LKWs kaufen, können mit festen monatlichen Ausgaben kalkulieren. Die Kosten für die Ladeinfrastruktur und für Wasserstoff sind dort bereits integriert. So können z.B. Speditionen im Voraus eine genaue Kosten-/Nutzenkalkulation durchführen, sich also genau ausrechnen, wie hoch mögliche Einsparungen ausfallen würden. Zu diesem Geschäftsmodell „smart transportation“ gehört auch, dass man seine LKW-Modelle nicht komplett selbst entwickelt, sondern mit hochkarätigen Partnern zusammenarbeitet und so selbst relativ schlank aufgestellt ist. Ein solcher Partner und zugleich Investor ist CNH Industrial. Die haben bei der jüngsten Series D-Finanzierung 250 Millionen US-Dollar in Tesla investiert. Zu CNH gehören zwölf Marken, u.a. IVECO, Steyr, New Holland und Magirus. Inveco will künftig am Standort im Donautal bei Ulm Elektro- und Brennstoffzellen-LKWs für Nikola bauen. Basierend auf der Iveco S-Way-Plattform, die für das Design, die Aerodynamik und die Funktionalität verantwortlich ist. Der zweite große deutsche Partner ist Bosch, die die Vehicle Control Unit, also das zentrale Steuergerät liefern. Nikola selbst integriert dann die Antriebstechnologie, Steuerungen und das Infotainment. Was hier passiert hat Jason Roycht, ein Manager von Bosch USA, ganz gut auf den Punkt gebracht: «Ingenieurteams von Bosch-Standorten in den USA und Deutschland haben mehr als 220 000 Stunden in die Entwicklung gesteckt, um die Idee der Nikola Motor Company umzusetzen.» In diesem Zusammenhang könnte man sich dann auch mal die Frage stellen, warum solche Ideen eigentlich immer aus den USA kommen und nicht aus Deutschland? Oder liegt es vielleicht gar nicht daran, dass die Ideen fehlen, sondern an den fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten über Venture Capital. So haben wir bereits jetzt wieder die Situation, dass ein Newcomer wie Nikola sich eine starke Marke aufbauen kann und bereits jetzt schon eine ähnlich hohe Marktkapitalisierung hat wie z.B. CNH Industrial – und das bevor der erste Nikola-LKW überhaupt serienmäßig in Produktion gegangen ist. Nikola Motors: Reverse Merger mit VectoIQ Acquisition vor Abschluss Aber zurück zu Nikola: Noch ist ja vieles Zukunftsmusik. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Verzögerungen und noch ist speziell der benötigte «Grüne Wasserstoff» zu teuer, damit die Kalkulationen der Amerikaner aufgehen. In einem wichtigen Punkt gab es aber in dieser Woche Fortschritte. Dazu muss man wissen, dass Nikola Motors ja quasi durch die Hintertür an die Börse kommt, nämlich durch einen so genannten Reverse Merger mit einem Unternehmen namens VectoIQ Acquisition Corporation. Das Börsenkürzel ist entsprechend aktuell noch VTIQ. In einem Tweet sprach das Unternehmen nun von «great news» und Fortschritten hinsichtlich des Mergers. Man geht davon aus, dass der Zusammenschluss in den ersten beiden Juni-Wochen vollendet wird. Obwohl das noch nicht offiziell ist, reichte diese Ankündigung, um die Aktie auf neue Hochs zu treiben: VectoIQ Acquisition (ISIN: US92243N1037) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A2P1CV / VTIQ | 7,2 Mrd. USD | neg. / neg. / neg. | 17,78 USD | Die Aktie wird nur an der NASDAQ gehandelt, nicht in Deutschland bisher. Im Zuge des Reverse Mergers mit VectoIQ gab es auch eine Privatplatzierung. Einer der Investoren, Jeffrey Ubben von Value Act Capital, einer in San Francisco ansässigen Investmentgesellschaft mit einem Portfoliowert von rund 9,3 Milliarden US-Dollar, ist davon überzeugt, dass Nikola das nächste 100 Mrd. US-Dollar-Unternehmen wird. Trevor Milton äußerte sich vor kurzem in einem Forbes-Artikel auch hinsichtlich einer Konkurrenz mit Tesla, die ja vor kurzem ihren Cybertruck vorgestellt haben. «Wasserstoff funktioniert bei schweren LKWs (Trucks) viel besser (Anm. d. Verf.: gemeint ist im Vergleich zu Batterie-Elektro-Trucks) und wir sind 5.000 Pfund leichter als Tesla. Schaut zu Anheuser-Busch. Die haben 40 oder 50 Trucks von denen (Anm. d. Verf.: gemeint ist Tesla) und 800 von uns. Milton behauptet, dass Nikola bereits Leasingverträge im Umfang von 14 Milliarden US-Dollar abgeschlossen hat mit großen Transporteuren wie Anheuser Bush und auch U.S. Express. Jeder dieser Deals umfasst einen 7-Jahres-Leasing-Vertrag, der je ca. eine Million US-Dollar wert ist. «Unsere Produktion ist für acht Jahre ausverkauft», ergänzte Milton, der übrigens früher für das Stahl- und Metallproduktionsunternehmen Worthington Industries gearbeitet hat und emissionsarme Kraftstoffsysteme für den deutschen Ingenieurdienstleister DHYBRID verkauft hat. DYBRID bietet nach eigenen Angaben sowohl schlüsselfertige Lösungen als auch individuell angepasste Systemsteuerungen für alle hybriden Energie Versorgungen an. Es gibt also auch in der Vita von Milton Querverbindungen nach Deutschland. Mein Fazit: Die Story ist in der Tat sehr spannend. Ich hatte die Aktie im jüngsten Webinar mit Lars Erichsen ja auch als meinen persönlichen Wasserstoff-Favoriten vorgestellt. Ähnlich wie bei Tesla liegt der Schlüssel zum Erfolg bei Nikola darin, ob es das Unternehmen schafft, seinen eigenen Zeitplan einigermaßen einzuhalten, speziell natürlich was den Verkaufsstart der LKWs selbst betrifft. Wichtig wird auch die Preisentwicklung bei «grünem» Wasserstoff sein. Aber ich denke, dass hier auch durch den politischen Handlungsdruck bzgl. der CO2-Reduktion und in der Folge entsprechende finanzielle Unterstützungen, technologisch in den kommenden Monaten schnell Fortschritte gemacht werden. Noch ist VectoIQ bzw. Nikola Motors ein echter Hot Stocks. Kurzfristig könnte die Aktie einen ähnlichen Hype erleben wie Virgin Galactic. Mutige Anleger müssen hier aber mit extremer Volatilität rechnen.
Berkshire Hathaway: Warren Buffett und sein Gespür für ... Geld??? Warren Buffett ist der wohl bekannteste und am meisten beachtete Investor und so verwundert es nicht, dass die Hauptversammlung von Berkshire Hathaway wieder mit größter Spannung erwartet wurde. Sie fand in diesem Jahr unter ganz besonderen Vorzeichen statt: dank Corona ohne Publikum und als Live-Stream, aber ohne Buffetts Alter Ego Charlie Munger. Stattdessen mit Greg Abel, Berkshires Energy-Manager und einer von Buffetts potenziellen Nachfolgern. Weit mehr als die Erläuterung des Quartals-Verlusts von 50 Milliarden Dollar interessierte die Fangemeinde des „Orakels von Omaha“, welche Unternehmen auf der Kaufliste von Berkshire gestanden haben während des beispiellosen Sell-offs Ende März. Aber was die Börsenwelt zu hören bekam, wirft vor allem eines auf: Fragen. Denn Buffett erklärte, im 1. Quartal kaum Aktien gekauft zu haben, obwohl sein Leitspruch lautet, ängstlich zu sein, wenn andere gierig sind, und gierig, wenn andere ängstlich sind. Des Weiteren rät er dazu, einen Eimer vor die Tür zu stellen, wenn es Gold regnet, und keinen Fingerhut. Nun, mehr Angst als Ende März erlebt man selten an der Börse und im dem Sell-off waren alle Aktien im Ausverkauf, die kränkelnden, die siechen, aber auch die Qualitäts-Aktien und Zukunftswerte. Es bestand die freie Auswahl, fast alles wurde zu 30, 40 oder 50 Prozent billiger verkauft. Für Buffett nicht günstig genug? Hat er sein Gespür für Aktien verloren, war er ängstlich, als andere auch ängstlich waren? Oder steckt womöglich etwas anderes hinter seiner vordergründigen Passivität? Buffett und die Airlines: Ende eines Irrtums Warren Buffett war nie ein Fan von Airlines, er wollte niemals in sie investieren. In Oliver Stones Börsenepos „Wall Street“ haut Gordon Gekko, der brillant von Michael Douglas verkörperte Anti-Buffett, ein Ding raus, das direkt aus dem Mund von Warren Buffett hätte stammen können: „Fluggesellschaften kann ich nicht leiden. Scheiß Gewerkschaften“. Fluggesellschaften bewegten sich Jahrzehnte lang in einem ruinösen Wettbewerbsumfeld mit schmalen Margen, hohen Investitionen, Personal- und Kerosinkosten, starken Gewerkschaften und entsprechend häufigen Streiks. Dann kamen die Terroranschläge vom 9. September 2001 und ihnen wurde das Leben noch schwerer gemacht: Sky Marshalls, enorme Sicherheitsvorkehrungen, Schwarze Listen. In der Folge kam es zu Zusammenschlüssen und großen Rationalisierungen. Und ab hier wurde es für Buffett dann doch interessant. Denn es entstand ein Oligopol, ein Markt, der von nur einer Handvoll Anbieter dominiert wird und damit endete der Preiswettbewerb und -druck. Wir kennen das ja von den Tankstellenketten. Buffett änderte seine Meinung und kaufte sich in die vier größten US-Airlines ein. Denn diese verdienten mit den Passagieren wieder Geld, ruinierten sich nicht mehr gegenseitig und konnten über ihre Loyalty-Programme die wirklichen Gewinne einstreichen. Hinzu kam, dass sie in einem sich ständig vergrößernden Markt tätig waren, in den es für neue Wettbewerber kaum Einstiegschancen gab aufgrund der hohen Kosten. Doch dann kam Corona. Corona änderte – wieder – alles. Die Leute reisen nicht mehr, sie fliegen nicht mehr. Der Tourismus ist eingebrochen und selbst die Flugzeuge, die noch zur Verfügung stehen, werden kaum genutzt. In Zeiten von Social Distancing möchte niemand mit fremden Leuten und potenziellen Virusverbreitern stundenlang auf engstem Raum in einer Stahlröhre zusammen gepfercht herumsitzen. Die Beschränkungen werden doch gerade wieder gelockert, könnte man einwenden. Das stimmt. Aber Buffett ist der Meinung, dass Corona für die Luftfahrtbranche dennoch dauerhaft eine Belastung bleiben wird. Er ist überzeugt davon, dass die Menschen per se weniger fliegen werden, dass es künftig weniger Dienstreisen sondern viel mehr Videokonferenzen geben wird. Er glaubt, dass die Menschen lieber andere Transportmittel wählen werden anstelle enger Flugzeuge – und wenn man dort die Plätze ausdünnt, um größere Abstände einzuhalten, geht das enorm zulasten der Profitabilität. Kurzum: Buffett meint, dass sich die Kosten der Fluggesellschaften auf Dauer deutlich erhöhen werden und damit die Gewinne tendenziell viel niedriger ausfallen als bisher angenommen. Und da Buffett sich langfristig an Unternehmen beteiligt, möglichst für immer, sind die künftigen Gewinne maßgeblich. Fallen diese absehbar dauerhaft viel niedriger aus, reduziert sich der Wert des Unternehmens entsprechend und zwar zurückgerechnet auf heute. Anders gesagt: verdient ein Unternehmen nicht mehr 10 Milliarden in den nächsten zehn Jahren, sondern nur noch drei Milliarden, dann wird man heute wohl kaum den gleichen Preis bezahlen, oder? „Wir haben uns geirrt“ Daher sagte Buffett schlicht: „Wir haben uns geirrt“ und hat all seine Airline-Aktien Anfang April verkauft. Und aus seiner Sicht ist das nur konsequent und er hat daher auch die Kursverluste in Kauf genommen. Genau so ging er vor, als er Oracle gekauft hat, den bekannten Datenbankspezialisten. Er hat in einem Quartal für rund eine Milliarde Dollar Aktien gekauft, die er bereits im folgenden Quartal wieder abgestoßen hat. Ein völlig untypischer Buffett-Move, sollte man meinen, denn Buffett mahnt uns alle stets, uns immer alle möglichen Gedanken zu machen, bevor wir Aktien kaufen. Und dann das. Doch Buffett hat ein treffsicheres Argument: er erklärte, er dachte, das Geschäftsmodell von Oracle verstanden zu haben. Doch nachdem er die Aktien gekauft hatte, traten Fragen auf, die ihm zeigten, dass er doch nicht wirklich wusste, wie Oracle sein Geld verdient und wie er bestimmte Entwicklungen in Bezug auf Oracles Geschäfte einordnen sollte. Auch hier war er dann konsequent und hat die Aktien wieder verkauft. Konsequent dahingehend, dass er immer zu seiner Meinung steht und danach handelt. Und wenn er sich geirrt hat, dann korrigiert er seinen Fehler. Buffett und das Geld: Ist Warren der neue Dagobert Duck? Der Verkauf der Airlines brachte Buffett Verluste ein, aber auch mehr als sechs Milliarden an Cash. Die Verkäufe erfolgten nach Abschluss des Auftakt-Quartals und sind daher zu dem kürzlich verkündeten Cash-Bestand hinzuzurechnen, so dass Buffett nun auf einem Berg von 137 Milliarden Dollar sitzt. Den er investieren könnte. Wenn er wollte. Oder eben könnte. Denn es gehören Können und Wollen dazu, um das Geld gewinnbringend zu investieren. Genau über diese Frage zerbrechen sich die Beobachter den Kopf. Warum hat Buffett nichts gekauft in der Krise und was bedeutet das? Deutet das nicht auf einen noch viel schlimmeren Kurseinbruch hin, wenn Buffett jetzt noch nicht kauft? Um die zweite Frage zu klären, muss man den Gründen für Buffetts Nichtstun auf den Grund gehen. Buffett wird hierzu mit den Worten zitiert: „Wir haben nicht investiert, weil wir kein attraktives Investment gefunden haben. (…) Wenn jemand zu mir ins Büro kommen und mir ein passendes Investment für 30, 40 oder 50 Milliarden Dollar vorschlagen würde, wäre ich bereit. Wenn es uns gefällt, könnten wir sofort handeln. Aber wir haben nun einmal noch nichts gefunden, was uns wirklich gefällt“. Die offensichtliche Schlussfolgerung ist, dass Buffett Aktien zu teuer waren, trotz der starken Kurseinbrüche. Allerdings gibt es auch eine andere, tiefer gehende Lesart. Buffett liebt Krisendeals. Dann kann er entsprechend seines Credos agieren: „Große Anlagemöglichkeiten kommen immer dann, wenn hervorragende Unternehmen vorübergehend in schwieriges Fahrwasser geraten und deshalb unterbewertet werden“. Während der Finanzkrise 2008/09 drehte die US-Regierung den Banken irgendwann das Wasser ab, weil man ihnen die Schuld an der Krise gab und von ihrer Gier angewidert war. So ließ man Lehman Brothers fallen -mit fatalen Folgen, weil die Pleite eine Kettenreaktion im weltweiten Finanzsystem ausgelöst hat. Ironischerweise könnte man das eine „Finanz-Pandemie“ nennen. Doch Buffett frohlockte: er lieh Goldman Sachs damals fünf Milliarden Dollar in Form einer Wandelschuldverschreibung. Und verdiente daran einige Jahre später viele Milliarden Dollar, als er die Schulden in billige Aktien tauschte. Ebenso gab er der Bank of America 2001 fünf Milliarden Dollar und verdiente bei der Wandlung vor einigen Jahren sogar einen zweistelligen Milliardenbetrag. Der größte Teil seiner BoA-Aktien im Portfolio stammt noch aus dieser Wandlung und er hat hierfür fast nichts bezahlt. Solche Deals liebt Buffett, aber in der Corona-Krise kam er nicht zum Zug. Denn anders als 2008 hat die US-Regierung die Geldschleusen weit geöffnet und jedes Unternehmen bekommt fast unbegrenzt Kredit und das fast kostenlos. In so einer Situation muss sich niemand auf Buffetts Deals einlassen, sehr zu dessen Leidwesen. Buffett muss (leider) Großwildjäger sein Buffetts nächstes Luxusproblem ist, dass Berkshire Hathaway rund 550 Milliarden Dollar „schwer“ ist. Neben dem Aktien-Portfolio hat Berkshire fast nochmal so viele nicht börsennotierte Beteiligungen, wie die zweitgrößte US-Eisenbahn Burlington Northern Santa Fe (BSNF), den Luft- und Raumfahrtzulieferer Precision Castparts (den hat Buffet für 37 Milliarden Dollar gekauft), Duracell, General Re, Geico, Berkshire Hathaway Energy (ehemals MidAmerican Energy) u.v.m. Und natürlich 137 Milliarden Dollar an Cash. Berkshire ist so groß, dass Buffett nur noch wenige Übernahme- und Beteiligungsziele übrig bleiben; sein Anlageuniversum schrumpft mit jedem verdienten weiteren Dollar. Will er eine Milliarde investieren, kann er dazu kaum ein Unternehmen mit 100 Millionen Börsenkapitalisierung anpeilen. Hier könnte er nicht mal 25% der Aktien kaufen, ohne eine Kursrallye auszulösen und sich selbst den Einstiegskurs zu verderben. Und selbst wenn er das Unternehmen kaufen könnte, würde es in Berkshires Portfolio kaum auffallen. Also müsste er schon Unternehmen mit einer Börsenkapitalisierung von 10 Milliarden aufwärts anpeilen. Und selbst dann befinden sich ja nicht alle Aktien im Streubesitz, sondern liegen teilweise in festen Händen. Hier wird Buffett als Stock-Picker Opfer der ETF-Manie. Denn immer mehr Aktien liegen den Händen der großen Fonds- und ETF-Anbieter Vanguard, Black Rock, Fidelity oder DWS. Und sie reduzieren Buffetts Investitionsmöglichkeiten weiter – wenn niemand Aktien verkauft, kann Buffett auch keine kaufen. Er muss sich also schon an die großen Brocken heranwagen, doch die müssen ja auch in sein Beuteschema passen: „Good Business, good management, good price“. Daher wollte er vor zwei Jahren Unilever kaufen (über Kraft Heinz), doch er blitzte ab. 2017 wollte er den insolventen Energienetzbetreiber Oncor übernehmen und wurde überboten. Wenn er also schon mal fündig wird, dann kommen ihm immer öfter andere in die Quere. Denn die niedrigen Zinsen veranlassen immer mehr reiche Leute, ihr Geld Finanzinvestoren wie KKR, Black Stone, Brookfield Asset Management anzuvertrauen und die gehen dann mit den Milliarden auf Einkaufstour. Und zahlen höhere Preise als Buffett, denn sie wollen die Firmen nicht besitzen und entwickeln, sondern an diesen in kürzester Zeit möglichst viel Geld verdienen. Also mit Hilfe von viel Fremdkapital und drastischen Kostensenkungen. Und beides ist nicht Buffetts Weg, daher zieht er bei Preisgefechten öfter den Kürzeren. Man kann also eher nicht sagen, dass Buffett nicht investieren will oder dass ihm die Preise zu teuer sind. Es fehlen ihm schlicht die Möglichkeiten. Nicht nur an der Börse. Berkshire als Zuhause Darüber hinaus verfügt Buffett über eine sehr hohe Sozialkompetenz und Berkshire verspricht Unternehmensverkäufern, dass Berkshire ihren Firmen ein neues Zuhause bietet. In einer Wirtschaftskrise bedeutet das auch, dass Berkshire sich um seine Töchter kümmert und für diese Liquidität und Finanzspritzen zur Verfügung stellt, wenn diese Geld benötigen sollten. Keine Berkshire-Tochter hat bisher staatliche Corona-Hilfen in Anspruch genommen! Und schaut man z.B. auf See’s Candies, so leiden die teilweise enorm. Das Ostergeschäft ist dem Anbieter hochwertigster Pralinen komplett weggebrochen und diese Umsätze werden auch nicht später nachgeholt. Herausforderungen im Versicherungsgeschäft Und dann ist da noch das Versicherungsgeschäft, eine der Quellen von Berkshires Reichtum. Durch die Prämieneinnahmen entsteht der Float, also ein Geldstrom, den Buffett kostenlos zum Investieren nutzen kann. Auf der anderen Seite verkaufen die Versicherungen Versicherungspolicen und die werden beim Schadeneintritt fällig. Der Float steht Buffett also nur für eine gewisse Zeitspanne zur Verfügung. Und Berkshires Sachversicherungsgeschäft sieht sich vor Turbulenzen. Viele Unternehmen haben Geschäftsversicherungen abgeschlossen und dafür Prämien bezahlt. Und alle wollen nun wegen der Corona-bedingten Geschäftsausfälle Geld von den Versicherungen. Allerdings sind Pandemien in den meisten Policen ausdrücklich ausgeschlossen. Entweder generell oder aber die Versicherten haben sie bewusst ausgeschlossen, weil die Prämien exorbitant hoch gewesen wären und eine Pandemie ja noch nie vorgekommen ist und auch nie vorkommen wird. Dachte man. Bis Mitte Februar. Die Versicherungen müssen also nicht zahlen, was erstmal gut für sie ist. Aber sie müssen sich auf endlose Klagen ihrer Versicherten einstellen und das wird viel Geld kosten. Und sie werden natürlich auch viele Versicherte verlieren. Weil die Unternehmen Pleite gehen und die Überlebenden werden sich genau überlegen, ob sie sich noch versichern, wenn sie im Schadensfall sowie so nichts bekommen. Berkshire wird als einer der größten Versicherer der Welt hier viel Kapital benötigen, wenn es hart auf hart kommt. Die wirklichen Auswirkungen sind kaum abschätzbar, aber Buffett will auf jeden Fall vorbereitet sein. Denn ein weiteres Credo von ihm ist, dass Berkshire zu keinem Zeitpunkt von externer Hilfe abhängig sein darf. Berkshire soll und muss immer in der Lage sein, sich und seine Töchter mit ausreichend Geld versorgen zu können. Und das erfordert eine überdurchschnittlich hohe Cash-Quote, die dann eben nur in der Theorie für Investments zur Verfügung steht, in der Praxis jedoch nicht. Insofern ist es wenig zielführend, sich an den 137 Milliarden festzubeißen – zumal die Summe bezogen auf Berkshires Gesamtvermögen auch „nur“ rund 25 Prozent ausmacht. Buffett kauft ... Berkshire Aber Buffett hat dennoch Aktien gekauft im 1. Quartal, wenn auch nur für rund eine Milliarde. Und zwar die von Berkshire Hathaway. Die Aktien-Rückkäufe zeigen, dass Buffett seine eigenen Aktien für unterbewertet hält und dass er grundsätzlich weiter positiv gestimmt ist für die Entwicklung der USA. Berkshire Hathaway Inc. (ISIN: US0846707026) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A0YJQ2 / BRK.B | 429 Mrd. USD | neg. / 17 / k.A. | 176,43 USD | Mein Fazit: „Never bet against America“ sagte Buffett während der Berkshire-Hauptversammlung und das nicht zum ersten Mal. Berkshire Hathaway ist ein Querschnitt der Amerikanischen Industrie und steht operativ unter Druck. Es verfügt über genügend Geld, um den Sturm zu meistern und kann auch große Übernahmen stemmen. Buffetts Elefantenbüchse mag entsichert sein, doch so häufig sind die Grauhäuter nicht mehr, als dass er oft zum Schuss käme. Eine Aufspaltung Berkshires lehnt Buffett ab und so muss er – und auch seine Aktionäre – damit leben, dass gute Gelegenheiten seltener werden, bei denen Buffett sein Können vollumfänglich unter Beweis stellen kann. Berkshire ist eine sichere und gute Wahl für Anleger. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktie in den nächsten zehn Jahren den S&P 500 Index wieder schlagen kann, steht allerdings nicht gut. Technologiewerte dominieren die Entwicklung und den S&P, sie setzen die Trends und gestalten unsere Welt neu. Buffetts größte Position ist Apple, das hilft. Aber er setzt nicht auf Microsoft, nicht auf Alphabet oder Adobe und auch nur eine knappe Milliarde auf Amazon. Berkshires Portfolio ist gespickt mit Versicherungen und Banken; gute und verlässliche Cash-Cows, aber keine Überflieger von morgen. Und die Frage, ob Buffetts hoher Cash-Bestand dafür spricht, dass er einen zweiten, noch verheerenderen Crash erwartet, dürfte auch beantwortet sein: Nein. Aber sollte er dennoch stattfinden, dann wäre Buffett auch dafür bestens gerüstet... Autorenprofil Michael C. Kissig studierte nach Abschluss seiner Bankausbildung Volks- und Rechtswissenschaften und ist heute als Unternehmensberater und Investor tätig. Neben seinem Value-Investing-Blog „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“ verfasst er regelmäßig eine Kolumne für das „Aktien Magazin“. | | Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in den genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Adobe, Alphabet, Amazon, Berkshire Hathaway & Microsoft. Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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