Liebe/r Leser/in, am Donnerstag dieser Woche ist Olaf Scholz ein Jahr lang im Amt. Zwölf Monate, von denen lediglich die ersten beiden als normale oder erwartbare Regierungszeit gelten können. Denn seit dem 24. Februar ist alles anders. Seit Russland die Ukraine überfallen hat, bestimmt dieser Krieg mitten in Europa die Politik. Sämtliche Prioritäten, die sich die Ampel zum Start gegeben hatte, sind über den Haufen geworfen. Es wird auf Sicht gefahren und im Zweifel auf Pump finanziert. Eine große Angst schweißt die Koalitionspartner zusammen: Das Volk könnte unter der erdrückenden Last von Strom-, Heiz- oder Lebensmittelkosten aufbegehren und womöglich AfD wählen. Das Personaltableau hat Risse bekommen. Erinnern Sie sich noch an König Karl? Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da war Karl Lauterbach der mit Abstand beliebteste SPD-Politiker des Landes. Die Corona-Welle hatte den etwas nerdigen Professor durch sämtliche Talkshows ganz an die Spitze der Beliebtheitsumfragen gespült. Dem Bundeskanzler blieb damals gar nichts anderes übrig, als den notorischen Einzelgänger in sein Kabinett aufzunehmen, vielleicht in der Hoffnung, dass ein Teil des Glanzes von „König Karl“, wie er nun halb spöttisch, halb bewundernd genannt wurde, auf den neuen Kanzler abstrahlen möge. Die Zeiten sind längst vorbei. In dem Maße, in dem Corona seinen Schrecken verlor, schrumpfte Scheinriese Lauterbach in sich zusammen. An diesem Wochenende wagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki eine Prognose: „Ich gehe ehrlich gesagt nicht davon aus, dass Karl Lauterbach als Gesundheitsminister die ganze Legislaturperiode im Amt bleibt“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“. Und weiter: „Die SPD ist doch selbst komplett genervt von Lauterbach. Wenn Sie sich bei Mitarbeitern seines Hauses umhören, ist die Frustration nicht mehr zu toppen. (…) Lauterbach verzettelt sich. Er kann das Haus nicht führen.“ Hier bilanziert der Koalitionspartner, nicht der Oppositionsführer! Sollte der Kanzler am Donnerstag einen Moment innehalten und sein erstes Amtsjahr Revue passieren lassen, dürfte ihm die Episode um „König Karl“ besonders kurios vorkommen. Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diese Woche! | | Mit vielen Grüßen Robert Schneider, Chefredakteur FOCUS Magazin |
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