in China lesen sie Kinderbücher. Das ist an und für sich natürlich keine Nachricht, man würde nichts anderes erwarten. Kleine Chinesinnen und Chinesen lesen Bücher für Kleine, große bedienen sich bei der Erwachsenenliteratur. Andere Länder, gleiche Sitten. Die Sache ist nun aber die: In China lesen sie deutsche Kinderbücher, und das nicht auf Chinesisch, sondern gleich in der deutschen Ursprungsfassung. Den Eindruck zumindest muss man bekommen, wenn man jene Posse näher betrachtet, die sich in den vergangenen Tagen rund um den Hamburger Kinderbuchverlag Carlsen ereignet hat. Im letzten Jahr hatte der Verlag ein Welterklärerbuch der Autorin Constanze Steindamm und der Illustratorin Dorothea Tust herausgegeben. In diesem sollte den Kleinsten das derzeit Größte erklärt werden: die Covid-19-Krise. Es war eine liebevolle Sachgeschichte rund um Anna, Moritz und das Virus. Leider kam es in der Geschichte dann aber so, dass Anna die Sache mit der in China als „Wuhan Lungenentzündung“ bekannt gewordenen Krankheit etwas genauer wissen wollte. Und so entfuhr Moritz schließlich ein kleiner, unbedachter Satz: „Das Virus kommt aus China und hat sich von dort aus auf der ganzen Welt ausgebreitet.“ Im chinesischen Konsulat in Hamburg hat der kleine Moritz seither für viel Wirbel gesorgt. Nach langer Kinderbuchlektüre fühlte man sich schließlich derart auf den Schlips getreten, dass man dem Carlsen-Verlag mit einer Strafanzeige drohte. Der hat daraufhin die Auslieferung des Buches tatsächlich gestoppt und in einer nun produzierten Neuauflage den kleinen Naseweis um all seine bisherigen epidemiologischen Erkenntnisse gebracht. Verboten! Dass man mit derartigen Interventionen zwar möglicherweise sein Image aufbessern, nicht aber die Infektionswege des Virus‘ verändern kann, liegt auf der Hand. Wer es nicht glauben mag, der muss nur einmal das Interview lesen, das Sina Schiffer mit dem Bremer Epidemiologen Hajo Zeep für Cicero geführt hat. Darin wird genau erklärt, wie sich die Epidemie derzeit entwickelt und was andere Länder möglicherweise besser machen. Das Verbot von kritischen Kinderbüchern gehört übrigens nicht dazu. Apropos verbieten: CDU-Parteichef Armin Laschet würde bestimmt gerne die weitere Ausstrahlung des Dienstagabend-Talks bei Markus Lanz verbieten lassen. Da das aber natürlich nicht geht, hatte Marko Northe, der Leiter unserer Online-Redaktion, gestern einen durchaus unterhaltsamen Fernsehabend. Warum er sich seither Sorgen um die weitere berufliche Zukunft des rheinischen Schattenkanzlers macht, erklärt er hier. Lassen Sie sich also bitte nicht von Kinderbüchern irritieren, zumindest bei Cicero kommt man an der Wahrheit letztlich nicht vorbei. Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |