Schon im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen sein IPO geplant, dieses aber abgeblasen. Auch der Automatisierungsspezialist Onoff machte kurz vor dem geplanten Börsengang einen Rückzieher und will das Vorhaben vorerst verschieben. Teamviewer ist hier mit seinem erfolgreichen ersten Anlauf fast schon eine Ausnahme (Mein Video zu Teamviewer gibt es hier...). Nachfolgend ein Überblick wie die letzten deutschen IPOs performt haben und meine Einschätzung zu den Werten. In den letzten 52 Wochen wagten vor Teamviewer ganze fünf weitere Unternehmen aus der DACH-Region, also aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, den Sprung in die Öffentlichkeit. Wobei eigentlich waren es nur vier, denn Haier Smart Home war ein Zweitleistung. Das Unternehmen ist schon Jahrzehnte in Shanghai börsennotiert. Hier die Bilanz: Unternehmen | Branche | Erstnotiz | Perf. AP* | GLOBAL FASHION GROUP S.A. | Internetkommerz | 02.07.19 | -53,93% | TRATON SE | Gütertransport | 28.06.19 | -5,94% | FREQUENTIS AG | IT-Dienstleistungen | 14.05.19 | -0,41% | DFV DEUTSCHE FAMILIENVERSI. | Finanzdienstleistungen | 04.12.18 | -8,62% | HAIER SMART HOME | Elektroausstattung & Vertrieb | 24.10.18 | -3,81% | Nicht ein IPO weist eine positive Performance auf. Teamviewer befindet hat also scheinbar reichlich schlechte Gesellschaft mit dem verpatzten Börsenstart. Doch so schlecht wie es auf den ersten Blick scheint, sind die Neuankömmlinge nicht: Am besten schlägt sich bisher Frequentis, ein IT-Dienstleister, der seit 14. Mai am prime market der Wiener Börse notiert ist. Der Kurs hält sich nahe am Ausgabepreis von 18,00 Euro. Frequentis hat seinen Sitz in Wien/Österreich und bietet sehr komplexe Kommunikations- und Informationssysteme für Leitzentralen mit sicherheitskritischen Aufgaben. Das Geschäft unterteilt man in die beiden Bereiche zivile und militärische Flugsicherung (z.B. Luftraumkontroll-Behörden in aller Welt) sowie Öffentliche Sicherheit und Transport für Polizei, Rettungsdienste, Schifffahrt und Bahn. Das klingt wenig spektakulär, der Kursverlauf war es ebenfalls nicht. Trotzdem hat das Papier seinen Reiz: Frequentis hat über 30 Jahre hinweg überdurchschnittliche Wachstumsraten in seinen Zielmärkten erreicht - und das mit hoher Konstanz. Lediglich die Extremereignisse 9/11 sowie die Finanzkrise in 2008 haben den Wachstumspfad kurz unterbrochen, aber selbst da blieb das Unternehmen immer profitabel. Im Geschäftsjahr 2018 stieg die Gesamtleistung um 7 Prozent auf 293,9 Mio. Euro und der operative Gewinn (EBIT) überproportional um 9 Prozent auf 15,6 Millionen Euro. Das sind nun nicht gerade spektakuläre Wachstumsraten und auch die Gewinnmargen sind für ein Softwareunternehmen eher unterdurchschnittlich, aber eine Rendite von > 10 Prozent auf das eingesetzte Kapital (ROIC) kann sich trotzdem sehen lassen. Und vor allem: Durch den Nettomittelzufluss von 20,2 Mio. Euro aus dem IPO ist das Familienunternehmen, das inzwischen global aktiv ist, mit einer hohen Nettoliquidität nun gut gerüstet für kleinere Zukäufe. Mein Fazit: Frequentis bietet eine ausgewogene Kombination aus innovativer Technologie und solidem Wachstum. Es gibt hohe Markteintrittsbarrieren im Sektor, die die Marktstellung der Österreicher gut schützt. Mit einem 2019er-KGV von 19 und einem Enterprise Value-Umsatz-Verhältnis von nur 0,6 ist die Aktie alles andere als teuer. Für langfristig orientierte Anleger ist die Aktie ein Kauf bis 18 Euro. Frequentis AG (ISIN: ATFREQUENT09) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 18/19e/20e | Kurs | A2PHG5 / FQT | 215 Mio. EUR | - / 19 / 17 | 17,90 EUR | Deutlich schlechter lief es bisher bei der VW-Nutzfahrzeug-Tochter Traton, die jüngst in den SDAX aufgenommen wurde. Dank des Lastwagenbauers Scania, einem Portfoliounternehmen, gab es zwar im ersten Halbjahr einen Gewinnsprung. Die Schweden führten ihre neue Lkw-Generation auch in Südamerika und Asien ein und konnten deshalb den Bau des Vorgängermodells einstellen. So steigerten sie ihr Ergebnis um ein Drittel auf 828 Millionen Euro, was den Großteil des operativen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro ausmachte (+25 %). 2018 war es noch knapp die Hälfte des operativen Gewinns von damals 1,5 Milliarden Euro gewesen. Interessant sind die Beteiligungen an dem US-Hersteller Navistar und der chinesischen Sinotruk sowie die Partnerschaft mit Hino in Japan. Mit seinen Partnern hat Traton eine so genannte Heavy Duty Platform aufgebaut, die auf Basis der 2017er-Zahlen mit zusammengenommen 423.000 verkauften Fahrzeugen weltweit die größte war, vor Volvo und Daimler Trucks. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Zudem ist Scania im Bereich Nachhaltigkeit, also alternativen Antriebskonzepten, führend. Bis 2025 sollen mehr als 10 Prozent aller verkauften Trucks mit alternativen Treibstoffen fahren. Das Unternehmen ist Marktführer sowohl in Europa als auch in Südamerika mit Marktanteilen von 32 bzw. 30 Prozent. Der besondere Schwerpunkt liegt dabei auf Deutschland und Brasilien. Die Bewertung ist im Vergleich zur Konkurrenz nur scheinbar günstig. Volvo zum Beispiel hat zwar ein ähnliches 2019er-KGV, aber eine deutlich niedrigere Enterprise Value zu EBIT-Ratio (EV/EBIT) von 8,5 im Verhältnis von leicht über 12 bei Traton. Der Enterprise Value berücksichtigt im Gegensatz zur Marktkapitalisierung auch den Verschuldungsgrad und das EBIT gibt das operative Ergebnis an. Die Bewertung halten wohl auch viele Anleger deshalb für zu hoch, weil die Nettomarge bei Traton nur bei 6 Prozent liegt im Vergleich zu 10 Prozent bei Volvo. Nur wenn es gelingt bei MAN Synergien zu heben und die Kosten zu senken, kann Traton näher an Volvo heranrücken. Andere Zykliker wie beispielsweise Daimler, primär ein Autobauer, aber ebenfalls mit großer LKW-Sparte, sind momentan extrem günstig bewertet. Die Befürchtung ist, dass wir einen stärkeren wirtschaftlichen Abschwung in Folge des Handelskonflikts erleben könnten. Dann wären die aktuellen Gewinnschätzungen schnell Makulatur. Mein Fazit: Traton hat eine sehr gute Marktstellung und ist durchaus zukunftsträchtig aufgestellt. Mittelfristig könnte die Aktie interessant werden - auf einem ermäßigten Preisniveau. Traton SE (ISIN: DE000TRAT0N7) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 18/19e/20e | Kurs | TRATON / 8TRA | 12,3 Mrd. EUR | - / 9 / 9 | 24,61 EUR | Interessant finde ich, dass mit DFV Deutsche Familienversicherung unter den Neulingen auch ein Ultrawachstumsunternehmen ist, das aber vom Markt kaum beachtet wird - obwohl doch eigentlich solche Unternehmen momentan gefragt sind bzw. zumindest bis vor kurzem gefragt waren. Auch die DFV braucht einen zweiten Anlauf. Der Ausgabepreis lag da dann bei 12 Euro nachdem ursprünglich noch 17 und 23 Euro angepeilt worden waren. Der aktuelle Kurs liegt mit 10,60 Euro noch darunter. Warum eigentlich? DFV ist das erste börsennotierte Insurtech in Europa, also eine Art Fintech für Versicherungen. Der Vertrieb der Policen erfolgt ausschließlich über das Internet und ist quasi im Handumdrehen abschließen möglich, auch Beratung und Schadensregulierung gibt es online. Seit der Kooperation mit Amazon kann man sich dabei sogar von der mittlerweile allseits bekannten Sprachassistentin Alexa unterstützen lassen. Im Angebot sind Krankenzusatzversicherungen sowie Unfall- und Sachversicherungen. Das Unternehmen war bereits profitabel, rutschte dann aber quasi absichtlich wieder in die Verlustzone, weil man für die Expansion investieren muss. Genau für solche Unternehmen ist die Börse ja eigentlich gedacht. Beim Börsengang erlöste man immerhin 52 Millionen Euro, mit der der selbstbewusste Unternehmenslenker Stefan Knoll das kräftige Wachstum nun finanzieren kann. Obwohl die Versicherungsbranche insgesamt praktisch stagniert Die Ziele der Frankfurter sind sehr ehrgeizig: Das Prämienvolumen will man in den nächsten Jahren mit 30 Prozent p.a. steigern - obwohl der Markt ja insgesamt hierzulande stagniert. Das entspräche für 2019 immerhin 100.000 Neuverträgen. Die Vertriebskosten werden sich in 2019 voraussichtlich auf rund 30 Millionen verdoppeln. Der Sprung in die schwarzen Zahlen soll dann 2021 gelingen. Das Ziel von Knoll liegt bei Marktkapitalisierung von einer Milliarde Euro. Aktuell sind es gerade mal 142 Millionen. Gelingt das ohne weitere Kapitalerhöhung winkt eine Versiebenfachung des Kurses. Knoll hält das nicht für utopisch, auch weil der kleinere US-Wettbewerber Lemonade mit einem Prämienvolumen 55 Millionen zuletzt mit 1,5 Milliarden US-Dollar bewertet worden ist. Das Unternehmen befindet sich auf Platz vier der Forbes-Liste mit den 50 vielversprechendsten Artificial Intelligence-Unternehmen Amerikas. Mit Hippo Insurance ist da noch ein weiterer Versicherer ganz vorne mit dabei. Mein Fazit: Die Ziele sind ambitioniert, aber bei der aktuellen Bewertung ist die Aktie durchaus interessant für spekulative Anleger. DFV Deutsche Familienversicherung (ISIN: DE000A2NBVD5) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | GpA 18/19e/20e | Kurs | A2NBVD / DFV | 142 Mio. EUR | -0,27 / -0,54 / -0,20 | 10,69 EUR | Weniger zuversichtlich bin ich für die Global Fashion Group. Ich hatte hier bereits bei meinem Video zu den letzten Rocket Internet-Börsengängen (hier abrufbar) gewarnt. Rocket Internet, der ehemalige Mehrheitsaktionär, scheint dazu zu neigen, IPOs zu sehr hohen Preisen in den Markt zu drücken. Die Angebotsfrist für die Aktien musste vor dem Start um drei Tage verlängert werden. Der Umfang des Angebots wurde reduziert. Offenbar hatte man große Probleme die Papiere an den Mann bzw. die Frau zu bekommen. Die Aktie brach dann sofort danach weiter ein und hat sich seit dem Ausgabepreis bei 4,50 Euro jetzt mehr als halbiert in weniger als drei Monaten. Ein Trauerspiel. Dabei hatte das Unternehmen auch in den letzten Jahren immer wieder Probleme. Es gab mehrere Umstrukturierungen. Unter dem Dach der GFG sind der Internet-Modehändler Dafiti in Südamerika, Lamoda in Russland oder Zalora in Südostasien vereint. Vorbild soll Zalando sein, die bisher größte Erfolgsgeschichte aus dem Hause Rocket Internet. Allerdings wirkt das ganze Gebilde arg zusammengewürfelt. Mein Fazit: Weiter meiden! Global Fashion Group (ISIN: LU2010095458) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | GpA 18/19e/20e | Kurs | A2PLUG / GFG | 451 Mio. EUR | - / -0,64 / -0,51 | 2,10 EUR | Haier Smart Home wiederum ist so ganz anders als das die hiesigen Anleger gewohnt sind, die ja in der Vergangenheit quasi regelmäßig und vor allem ohne Ausnahme abgezockt worden sind bei chinesischen Aktien, die in Deutschland ein IPO oder ein reines Listing vollzogen haben. Haier Smart Home notiert seit Oktober 2018 an der Frankfurter Börse. Der erste Kurs lag damals bei 1,06 Euro, aktuell notieren die Aktien bei rund 1,03 Euro. Haier ist mit einer Marktkapitalisierung von rund 12,6 Milliarden Euro ein Schwergewicht. Bei einer Ausschüttungsquote von 30 Prozent liegt die Dividendenrendite bei ansprechenden 2,9 Prozent. 2018 setzte der Weltmarktführer bei Haushaltsgeräten immerhin umgerechnet 23,2 Milliarden Euro um. Zu den meistverkauften Produkten zählen Waschmaschinen, Öfen und Kühlschränke. Auch die Marken Hoover und Candy gehören zu Haier. Ähnlich wie Xiaomi (die ich morgen auf meinem YouTube-Kanal bespreche) setzt auch das Traditionsunternehmen aus China auf die Internet of Things-Revolution, die bisher ja noch auf sich warten lässt. Eine Innovation dabei: Die Waschmaschine mit App, bei der der Verbraucher mittels eines vom Handy aufgenommenen Bildes des Wäscheberges erfährt, welches Waschprogramm er nehmen soll. Während der Marktanteil in China bei 22,4 Prozent liegt hat man in Europa bei 5,9 Prozent noch deutliches Nachholpotenzial. Noch ist Russland der wichtigste Markt in Europa. Mit dem Börsengang in Frankfurt will man aber u.a. die Marke auch in Deutschland bekannter machen. Ein Vorteil: Weil Haier zunehmend auch in Europa produziert ist man vom US-chinesischen Handelskonflikt weniger betroffen. Die Bewertung ist mit einem 2019er-KGV von 11 absolut im grünen Bereich. Mein Fazit: Die Aktie ist für konservativere Anleger, die China-Exposure suchen, durchaus eine Option. Haier Smart Home (ISIN: CNE1000031C1) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 18/19e/20e | Kurs | A2JM2W / 690D | 12 Mrd. EUR | - / 11 / 10 | 1,03 EUR | Damit fallen meine Einschätzungen der sechs jüngsten IPOs (wenn man Teamviewer mit dazu nimmt) am deutschen Aktienmarkt überraschend positiv aus. Mit Ausnahme der Global Fashion Group sind alle Titel für die jeweilige Anleger-Zielgruppe durchaus kaufenswert. Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es liegt daher kein Interessenskonflikt vor. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen & ein schönes Wochenende wünscht Dir Dein Armin Brack Chefredakteur Geldanlage-Report >> Die nächste Ausgabe erscheint am 05. Oktober Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen. Gerne kannst Du uns auch Themenvorschläge unterbreiten. Fragen und Anregungen bitte per Mail an [email protected] Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten! Hier kommst Du zu Tradesignal Online. Geldanlage-Report weiterempfehlen! Wir würden uns freuen, wenn Du den Geldanlage-Report Deinen Freunden und Kollegen weiterleiten würdest! Kostenlose Anmeldung unter www.geldanlage-report.de |