War SAP der Auslöser für die weltweite Verkaufswelle?
War SAP der Auslöser für die weltweite Verkaufswelle? von Sven WeisenhausBevor ich dieser Frage nachgehe, möchte ich noch kurz auf die Reihe an Konjunkturdaten eingehen, die heute veröffentlicht wurden. Sie finden dazu sicherlich auch unzählige Informationen in anderen Medien. Dort wird allerdings meist nicht erklärt, wie die Daten zu werten sind und welche Konsequenzen sie für die Börsen haben. Diese Lücke füllt die Börse-Intern regelmäßig, so auch heute: BIP-Daten: Besser im 3. Quartal, schlechter im 4. Quartal Besonderes Augenmerk richteten die Medien auf die Zahlen zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des 3. Quartals 2020. In Deutschland lag das Plus bei 8,9 %. Und die Eurozone brachte es sogar ein einen BIP-Zuwachs von 12,7 %. In beiden Fällen wurden die Erwartungen übertroffen. Eigentlich ist dies natürlich bullish für die Aktienmärkte und den Euro zu werten. Doch einerseits betreffen diese Daten die Vergangenheit, während an der Börse die Zukunft gehandelt wird. Und andererseits zeigt sich beim Blick in eben diese Zukunft, dass die BIP-Erwartungen für das 4. Quartal wohl angesichts der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus zurückgenommen werden müssen, womit sich das höhere Wachstum des 3. Quartals relativiert. Insofern hatten die BIP-Daten kaum einen Effekt auf die Börsen. Erneut negative Inflation war keine Überraschung Ähnliches gilt für die Inflationsdaten. Gestern wurden bereits Zahlen zur Preisentwicklung in Deutschland gemeldet. Heute folgten die Werte zur Eurozone. Demnach ist es auch im Oktober jeweils zu Preisrückgängen gekommen. Aber auch das hatte kaum einen Effekt auf die Märkte, weil die Europäische Zentralbank (EZB) gestern bereits eingeräumt hat, dass es wohl bis Anfang 2021 bei einer „negativen Inflation“ bleiben wird. Insofern hätte es eher überrascht, wenn die Inflation deutlich angestiegen oder im Vergleich zu den Werten der Vormonate stark eingebrochen wäre. Doch das war nicht der Fall. Rückgang im Einzelhandel wurde erwartet Wenig überraschend waren auch die Einzelhandelsdaten aus Deutschland für den Monat September. Es kam zu einem Rückgang der Umsätze gegenüber dem Vormonat um 2,2 %. Da bereits diverse andere Daten darauf hingedeutet haben, dass sich die Konjunkturerholung abgeschwächt hat, und die Zahl der positiven Corona-Tests schon seit Anfang September wieder ansteigt, war bereits ein Rückgang erwartet worden (-0,8 %). Und so hatten auch diese Daten kaum spürbare Auswirkungen auf die Kurse, was Einzelhandelsdaten aber in den wenigsten Fällen haben. War SAP allein der Auslöser für die Verkaufswelle an den Aktienmärkten? Wesentlich spannender war für mich daher heute die Frage eines Lesers, die er mir gestern bereits geschickt hat und die einen sehr interessanten Aspekt über die Funktionsweise der Märkte anspricht. Ich gebe die Frage daher einmal in voller Länge wider: „Hallo Herr Weisenhaus, mit viel Interesse lese ich jeden Abend die Börse intern. Besonders faszinierend finde ich immer, wie zielgenau die Chartmarken angelaufen werden. Gestern haben Sie den aktuellen Kurseinbruch aus charttechnischer Sicht behandelt. Mir kam dazu eine andere Idee und es würde mich interessieren, was Sie davon halten: Zunächst ist die Vorabsituation gewesen, dass die Kurse sich mit guten Gründen in beide Richtungen bewegen können, wegen Corona und Lockdowngefahr nach unten (was ja nichts Neues ist), wegen der Wahlrally nach oben. In dieser Situation veröffentlicht SAP schlechte Zahlen und gibt einen schwachen Ausblick, wohl zum Teil für die Märkte unerwartet. Das führt dazu, dass institutionelle Anleger in größerem Stil SAP verkaufen, was zu einem 20%-igen Kurseinbruch innerhalb eines Tages führt. (Ich dachte immer ein solches Schwergewicht kann unmöglich solche Kurssprünge machen). Da SAP aber in vielen Indizes (DAX, TecDAX und sicher viele weitere) und auch in vielen Fonds z.T. nennenswert vertreten ist, sackten diese natürlich mit ab. Dies führte dann bei vielen Anlegern, womöglich z.T. auch einfach durch Stop-Loss-Orders zu Verkäufen, die schließlich über die Fonds den ganzen Markt erfasst haben. Sprich, der Kurseinbruch hat nichts mit Corona zu tun, was ich auch sinnvoll finde, denn etliche Länder hatten zu dem Zeitpunkt längst drastische Maßnahmen beschlossen, nur bei Deutschland stand es gerade an. Halten Sie das für plausibel und welchen Schluss könnte man für die nächsten Tage daraus ziehen? Vielen Dank für Ihre Einschätzung“ Wie ein einzelnes Unternehmen die Aktienmärkte belastet Dem Leser habe ich geantwortet, dass an seiner Theorie durchaus etwas dran ist – und zwar insofern, als dass Kursverluste bei einem Aktienschwergewicht einen ganzen Index nach unten bewegen können. Und die Kursverluste bei SAP am 26. Oktober könnten durchaus ein Auslöser für die stärkeren Kursverluste diverser Aktienindizes gewesen sein – aus folgendem Grund: Am Tag der SAP-Gewinnwarnung wurden markante Unterstützungen gebrochen Mehrere Aktienindizes hatten bereits am 12. Oktober Abwärtstendenzen begonnen. Diese verliefen allerdings bis zur Gewinnwarnung von SAP noch relativ moderat und es konnten Unterstützungen gehalten werden. Der DAX hatte bis dato zum Beispiel noch das untere Ende seiner Seitwärtsbewegung gehalten (horizontale Linie des roten Rounding-Tops im folgenden Chart) und war am Handelstag vor der Gewinnwarnung sogar wieder auf dem Weg nach oben. Als dann die SAP-Meldung raus war und es in der Folge zu starken Verlusten in der Aktie kam, brach der DAX nach unten aus (roter Pfeil). Im DAX und im TecDAX ist SAP jeweils das größte Schwergewicht. SAP hat also in beiden Indizes die größte Gewichtung, im DAX mit 10,6 % und im TecDAX sogar mit rund 33 %. Und so verwundert es nicht, dass der DAX durch die starken Verluste der SAP-Aktie seine Unterstützung riss, was das Auslösen von Stopps und somit weitere Verkäufe bzw. Kursverluste nach sich zog. SAP ist weltweit relevant Da SAP ein wichtiger Player im Technologiesektor und weltweit agierend ist, haben auch Anleger aus Übersee die Gewinnwarnung zur Kenntnis genommen. Und sie haben womöglich potentielle Risiken für ihre Investments gesehen. Dementsprechend haben sie sich defensiver positioniert und von Anteilen getrennt. Das hat weitere Aktienindizes, wie den S&P 500 oder den Dow Jones, belastet. Schauen wir uns dazu den Chart des S&P 500 an, wie ich ihn in der Börse-Intern vom 21. Oktober analysiert hatte: Auch hier hatte die Abwärtstendenz bereits am 12. Oktober begonnen. Doch zum Geschehen im gelben Rechteck schrieb ich in der S&P 500-Analyse, dass die Kurserholungen zwar immer kürzer ausfielen, so dass sich tiefere Hochs bildeten (rote Linie), doch für einen klaren Abwärtstrend die tieferen Tiefs fehlten (grüne Linie). „So wirkt die moderate Abwärtstendenz eher wie eine Konsolidierung der vorangegangenen Kursgewinne“, hieß es dazu. Am Tag der SAP-Gewinnwarnung (roter Pfeil) brach der S&P 500 jedoch die 50-Tage-Durchschnittslinie (blau) und beschleunigte in der Folge seine Talfahrt. Noch deutlicher ist ein möglicher Zusammenhang mit der SAP-Gewinnwarnung im Dow Jones zu sehen: Und so wurde quasi die sowieso bereits herrschende Abwärtstendenz der Aktienmärkte, die natürlich eigentlich insbesondere den steigenden Corona-Zahlen zugeordnet werden kann, durch SAP verschärft. Vor SAP hatten auch schon andere Kursreaktionen auf Unternehmensmeldungen, die im Rahmen der laufenden Berichtssaison veröffentlicht wurden, an den Nerven der Anleger genagt, SAP hat aber womöglich das Fass zum Überlaufen und eine stärkere Verkaufswelle ins Rollen gebracht. Fazit Man sollte daher stets im Hinterkopf behalten, dass Aktienindizes aus einzelnen Aktien zusammengesetzt werden. Und die Kursbewegungen dieser Aktien bewegen den gesamten Aktienindex. Über- oder unterschreitet ein Index aufgrund der Kursbewegung eines Einzeltitels wichtige Kursmarken, kann dies die ganze Aktienwelt beeinflussen. Noch markanter ist dies aktuell natürlich bei ebenso prominenten Werten wie Apple, die wohl heute den Nasdaq 100 besonders stark belastet haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
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