Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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17. November 2024
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
das Grundrecht der Pressefreiheit ist nicht zur bequemeren Berufsausübung von Journalistinnen und Journalisten da, es ist für die Demokratie da - also dafür, die Zukunft gemeinsam gut zu gestalten. Einer, der das immer wusste, einer, der so viel dafür getan hat, war und ist der heute 82-jährige Journalist Günter Wallraff. Er wurde soeben in Berlin mit dem Otto-Brenner-Journalistenpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet; und es war mir eine Ehre, für ihn die Laudatio zu halten. Geehrt wurde eine „abnorme Persönlichkeit, für Krieg und Frieden untauglich“. Mit diesem Urteil hat einst die Bundeswehr den Kriegsdienstverweigerer Wallraff entlassen. Weil er seine Wehrdienst-Erlebnisse hatte veröffentlichen wollen, war er zuvor in die geschlossene Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses Koblenz gesteckt worden, um ihn unglaubwürdig zu machen. Dort kam Wallraff zu dem Etikett als „abnorme Persönlichkeit“. Diese enorme Persönlichkeit hat dann jahrzehntelang der Presse- und der Meinungsfreiheit ein bis dahin ungeahntes Leben gegeben.

Den Dingen auf den Grund gehen

Zu ehren war Wallraff in all seinen wunderbaren Rollen. Zu ehren war also der türkische Leiharbeiter Ali. Zu ehren war Bildreporter Hans Esser. Zu ehren war der Paketauslieferer bei GLS, der 14 Stunden am Tag Pakete zu den Kunden schleppte. Zu ehren war ein Mann, der mit seinen Undercover-Geschichten Geschichte geschrieben hat – Mediengeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Rechtsgeschichte. Wallraff hat den Journalismus geprägt, er hat ihn verändert, er hat ihn vorangetrieben, er hat ihn erweitert. Er war und ist ein Vorbild für viele junge Kolleginnen und Kollegen, die wegen ihm in den Journalismus gegangen sind. Demokratie ist so viel mehr als ein Wahlakt. Demokratie heißt: Zukunft! Gemeinsam! Gestalten! Wallraff hat das ernst genommen, er nimmt das ernst, er hat Debatten provoziert, er hat Diskussionen befruchtet, er hat Reformen bewirkt, er hat sie mit seinen Recherchen erzwungen. Wallraff war und ist anstößig im Wortsinn: Er hat Anstöße gegeben.

Die Hartnäckigkeit, die Wallraff immer hatte, die Lust, den Dingen auf den Grund zu gehen – und die Fähigkeit, sich nicht abschrecken zu lassen: Das sind auch Gaben, die die Kollegen vom kleinen Hohenloher Tagblatt auszeichnen. Auch sie haben einen Otto-Brenner-Preis erhalten - für ihre Recherchen über Rechtsextremismus. Sie schreiben als Lokaljournalisten über Neonazi-Umtriebe auf dem Land, in ihrer Nachbarschaft. Das Hohenloher Tagblatt mit Sitz in Crailsheim schaffte damit die Grundlage für eine sehr aktive und weitgespannte Bürgerinitiative gegen Rechtsdraußen – für das „Kirchberger Bündnis“ mit einem Wertekonzept, „in dem Rassismus, Antisemitismus und antidemokratische Überzeugungen keinen Platz haben“. Wenn Journalismus so etwas schafft, ist das vorbildlicher Journalismus.
SZPlus Prantls Blick
Wallraffs Nachfolger
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Ich wünsche Ihnen Novembertage, die nicht nur grau, sondern hoffnungsvoll sind.
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Novemberlicht
Für diese Empfehlung ist es eigentlich schon fast zu spät; es ist nämlich eine Empfehlung für den ganzen Monat November – und der ist ja schon halb vorbei. Aber dieser besondere Kalender für jeden Tag des elften Monats wird Ihnen und Ihren Kindern auch noch 2025 ff. Freude machen. Es ist ein Kalender für die Vor-Adventszeit, es ist ein Kalender, der Licht in die grauen Tage bringt. Die Autorin Marlene Fritsch und die Journalistin Angela Krumpen haben Novemberlicht-Ideen in eine Kassette gepackt; die Kassette enthält dreißig Pappkarten, für jeden Novembertag eine; darauf stehen Denkanstöße und Gedanken zum Tag. Ein kleines Pappkärtchen lässt sich zu einem Teelichthalter falten, auf diesen Kerzensessel wird dann die Karte des Tages hinter das Licht gesteckt und erleuchtet. Am 11. November ein Text zum Martinsfest: „Das halbe Geteilte / hält wärmer / als das ganze Ungeteilte.“ Am Buß- und Bettag wird der Begriff „Schuld“ neu interpretiert. Am 22. November wird mit der Frage „Wie hell leuchten 11 300 Leben?“ an die „Ile de Lumiere“ erinnert, die Insel des Lichts; so hieß das Schiff des französischen Arztes und Politikers Bernard Kouchner, der in den 1970er Jahren den Ertrinkenden im Südchinesischen Meer, die vor dem Vietnam-Krieg flohen, Rettung brachte. Am 27. November wird der vom NS-Regime zum Tod verurteilten Widerständler der „Roten Kapelle“ gedacht und zur Zivilcourage im Alltag ermutigt: „Heldinnenmut, wie den von Hilde, brauchen wir zum Glück (noch) nicht!“

Marlene Fritsch / Angela Krumpen: Novemberlicht. Du bist es, der die Welt erleuchtet. Die Kartenbox ist im Vier-Türme-Verlag erschienen und kostet 16,90 Euro.
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Der entstaubte Antiquar
Dieses wunderbare Stück des Kollegen Josef Wirnshofer von der Seite 3 der SZ ist ein modernes Märchen. Da trifft nicht das Rotkäppchen den Wolf, sondern eine junge Frau mit wilden Locken und einer großen Brille trifft einen alten, liebenswürdig-sturen Antiquar, der kurz vor der Pleite steht. Der Ort der Begegnung ist nicht der finstere Wald, sondern das mit Büchern vollgestopfte Geschäft des alten Herrn, das „Antiquariat im Weyertal“ in Köln, das kaum noch Kunden hat. Und dann beginnt das Wunder, es ist ein Internet-Wunder: Die junge Frau nimmt Videos auf mit dem alten Mann, er spricht über Bücher - über Celan, über Böll, über Proust, über Thomas Mann. „Es gibt Videos von ihm, die wurden mehr als eine Million Mal angeschaut“, schreibt der Kollege Wirnshofer, „Videos, unter denen mehr als tausend Kommentare stehen“. Die Bücher-Boxen, die der Antiquar jetzt im Internet anbietet (jeweils drei Bände Prosa, Philosophie oder Lyrik) sind ganz schnell ausverkauft.
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