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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 14.10.2021 | Verregnete und wolkige 13°C. | ||
+ Insider-Berichte aus der Innenverwaltung säen Zweifel an Schuld der Wahlleiterin + Kampf um den 23. Dezember: Schulleitungen wollen einen Tag mehr Weihnachtsferien + Platz 12 von 40: Berlins Ämter weniger unbeliebt als gedacht + |
von Julius Betschka |
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Guten Morgen, um 10 Uhr ist es soweit: Trommelwirbel...! Das amtliche Endergebnis der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wird vorgestellt. Sie erinnern sich: Pleiten, Pech und Purzelbäume… Landeswahlleiterin Petra Michaelis, die nach diesem Tag von ihrem Amt zurückgetreten sein wird, will heute auch eine abschließende Liste der vielen Ungereimtheiten und Wahlpannen vortragen. Und: Ab heute sind Widersprüche möglich gegen die Abgeordnetenhauswahl. Die ersten sind angekündigt. Auf Bundesebene läuft die Einspruchsfrist längst: 113 Beschwerden hat der Wahlprüfungsausschuss seither erhalten. „Ein großes Paket“ davon beziehe sich auf den Ablauf der Bundestagswahl in Berlin, teilt eine Sprecherin mit. Wahlleiterin Michaelis ist deshalb zurückgetreten. Aber hat es die Richtige getroffen? Dem Checkpoint liegen Insider-Berichte aus der Innenverwaltung vor, die sich ergänzen und bestätigen. Sie zeichnen ein anderes Bild: das einer allgemeinen, berlintypischen Unzuständigkeit – in der Innenverwaltung, in der Wahlleitung, im statistischen Landesamt und bei Dienstleistern. + Personalmangel: „Die Organisation der Wahlbezirke und Wahllokale liegt bei den Bezirken. Frau Michaelis kann keine Vorgaben machen. Die Bezirkswahlämter waren unterbesetzt, bei einer Doppelwahl hätte es doppelt so viel Personal gebraucht. Die Landeswahlleiterin hat Herrn Akmann und Herrn Geisel bereits 2020 informiert, dass eine Doppelwahl mit den bestehenden Ressourcen nicht zu stemmen ist. Dies wurde weggewischt.“ + Spätes Wahlergebnis: „Die Landeswahlleiterin wurde dafür verantwortlich gemacht, dass Wahlergebnisse erst am Dienstag vorlagen. Ihr waren jedoch die Hände gebunden, weil das die hoheitliche Aufgabe des Landesamtes für Statistik ist. Es hat die Veröffentlichung der Wahldaten an das Unternehmen electIT GmbH ausgelagert. Es gab einen Softwarefehler bei electIT, weshalb es zu der enormen Verzögerung kam. Die Leiter des Amtes für Statistik hätten handeln müssen. Frau Michaelis ist nicht weisungsberechtigt.“ + Fehlende Schulungen: „Die Probleme sind systembedingt. Ohne Ausstattung der Bezirkswahlämter mit Personal und Technik und ohne frühzeitig geschulte Wahlhelfer, musste diese Wahl schiefgehen. Die Warnungen wurden frühzeitig an Herrn Akmann und Herrn Geisel kommuniziert.“ + Wahlbenachrichtigungen: „Die Probleme begannen nicht am Wahltag, sondern mit dem Versand der Wahlbenachrichtigungen. Der Dienstleister PIN AG hat versagt. Zwei Wochen lang haben betroffene Wahlberechtigte die Bezirke und die Landeswahlleitung deshalb belagert. Die eigentliche Vorbereitung des Wahltages konnte kaum stattfinden. Bereits 2016, 2017 und 2019 gab es Probleme mit dem Dienstleister. Aber das Land Berlin schreibt ihn vor, die Landeswahlleiterin muss auf ihn zurückgreifen.“ + Falsche Stimmzettel: „Die Auslieferung durch die Brandenburgische Universitätsdruckerei verlief von Anfang an problematisch. Vereinbarte Lieferzeiten wurden nicht eingehalten, falsche Stimmzettel versandt.“ + Briefwahlunterlagen: „Die Briefwahlunterlagen werden händisch durch Leiharbeiter gepackt und dann an die PIN AG übergeben. Bei fast einer Million angeforderter Unterlagen entstehen in Akkordarbeit Fehler. In 30 Jahren hat es das Land Berlin nicht geschafft, diese Arbeit durch eine zuverlässige Maschine zu ersetzen.“ + Fazit: „Die Funktion der Landeswahlleiterin ist weitgehend kompetenzfrei, weil sie keine Weisungsberechtigungen hat. Die Berliner Landespolitik trägt eine Mitschuld am Desaster, denn alle Beteiligten haben das dysfunktionale System akzeptiert. Der einzige Fehler, den Frau Michaelis gemacht hat, ist, das System nicht zu hinterfragen, das sich am Ende gegen sie selbst gerichtet hat.“ Am Freitag um 10 Uhr findet eine Sondersitzung des Innenausschusses statt. Der einzige Tagesordnungspunkt: „Ablauf und Organisationen der Wahlen und der Abstimmung am 26.9.2021“. Innensenator Andreas Geisel (SPD) wird nicht erklären können, er, seine Verwaltung und der Berliner Senat wären nur „Zuschauer“ gewesen. Noch-Regierungschef Michael Müller hat es am vergangenen Freitag gesagt: „Die Rahmenbedingung für den korrekten Ablauf der Wahl zu schaffen, ist die Aufgabe der Politik.“ Die Insiderberichte zeichnen davon ein wenig vorteilhaftes Bild. | |||||
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Vom Blick zurück ins Futur: Bald werden neue Senatorinnen und Senatoren an der Spitze der Verwaltung stehen, manche werden ganz weg sein, einige nur mit neuen Themen betraut. In welcher Koalition das passieren soll, dazu schweigt die Spitze der Berliner SPD öffentlich. Kein Wort dringt seit Dienstag nach außen. Gibt es die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot oder eine Ampel-Bündnis? Die Grünen wollen jetzt Tatsachen schaffen und haben für Freitag, 19 Uhr, zu einem Landesausschuss eingeladen, eine Art kleiner Parteitag im Neuköllner Hotel Estrel. Ausgerechnet, jaja, in Franziska Giffeys Neukölln. Sie wollen dort über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden – am liebsten mit SPD und Linken. Grünen und Linkspartei könnte in die Karten spielen, dass sich die andere starke SPD-Frau, Manuela Schwesig, in Mecklenburg-Vorpommern am Abend für ein Linksbündnis entschieden hat. Heute Vormittag, so lautete das heißeste Gerücht in kalter Nacht, könnte es zur Koalitionsfrage ein Statement von Giffey geben. Könnte – das Wort dieser Woche. | |||||
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Wir zitieren den alten Franz Beckenbauer: Ja, ist denn heut‘ schon Weihnachten? Nee, Franz, keine Sorge. Aber Lehrer müssen sich immer schon ein bisschen früher Gedanken machen: Deshalb appellieren jetzt alle sechs Berliner Schulleiterbände an die Bildungsverwaltung, die Weihnachtsferien schon am 23. Dezember zu beginnen. Die Schüler sollen nämlich die kürzesten Ferien in ganz Deutschland haben: vom 24. bis 31. Dezember. Nachdem viele in den Herbstferien in der Ferienschule durchgearbeitet hätten, argumentieren die Schulleiter, sei zu befürchten, „dass die extrem kurzen Weihnachtsferien in diesem Jahr nicht zur Erholung ausreichen und es im zweiten Halbjahr zu einem Leistungseinbruch kommt“. Leider hat sich aber die Bildungsverwaltung mit den maximalen Ferientagen vertan. Das vorgeschriebene Limit von 75 ist ausgeschöpft, weil die Verwaltung lieber vor dem Frauenfeiertag noch einen Brückentag eingeschoben hatte. Aber zurück zu Franz Beckenbauer. Wie hatte Kalle Rummenigge einst auf ihn gereimt? „Lieber Franz, ich danke dir, ich danke dir, ich danke dir sehr! Ich danke dir, du bist ein Schatz, dies sag‘ ich dir in diesem Satz.“ Ein ähnliches Gedicht könnte auch die Bildungssenatorin erweichen. Frohes Fest. | |||||
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Aus der Reihe Amt, aber gar nicht glücklich ist das, was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend in den Berliner Bürgerämtern erleben. Nicht mal in einem früheren Security-Job habe er so viele Beschimpfungen erlebt wir nun im Amt, sagte ein Mitarbeiter im Bürgeramt Pankow (CP von gestern) – und erklärte damit, dass er allein im Vierer-Büro anzutreffen war: Die anderen kämen nicht mehr, Burnout. Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) sagt dazu: „Leider lässt sich auch für die Pankower Bürgerämter wie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft feststellen, dass sich Art und Weise des Umgangs miteinander geändert haben.“ Justiziable Beleidigungen seien glücklicherweise nicht aufgetreten. „Insgesamt ist aber durchaus zu verzeichnen, dass die Tonart gegenüber den Mitarbeitenden rauer wird.“ Kuhn bittet: Lassen Sie Ihren Unmut über schwierige Terminlagen nicht in unangemessener Weise an den Mitarbeitern aus! „Sowohl unser Leiter der Bürgerämter als auch ich können nur betonen, dass sich alle Mitarbeitenden der Pankower Bürgerämter insbesondere seit Beginn der Pandemie mit großem Einsatz der neuen Herausforderung gestellt haben und mit großem Engagement Lösungen für die unterschiedlichen Fragen und Probleme der Bürger*innen finden und umsetzen. Wir möchten ihnen daher unseren expliziten Dank aussprechen.“ Dem schließen wir uns an. | |||||
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Und, überraschende Erkenntnis: Berlins Behörden sind im Bundesvergleich überdurchschnittlich beliebt. Alle wach? Kein Witz: Der Verbraucherschutzverband Berlin/Brandenburg (VSVBB) hat mehr als 32.000 Bewertungen von 344 Behörden in Deutschlands 40 größten deutschen Städten analysiert und siehe da: Berlin landet auf einem überraschend guten 12. Platz. Ganz vorne in der Beliebtheit ist Wuppertal, am unbeliebtesten ist Mönchengladbach. Und ein Berliner schafft es sogar unter die Top 5: Das Ausbildungsbürgeramt Schlesische Straße zählt zu den fünf beliebtesten Bürgerämtern des Landes. Die Jugend geht voran. Und wir haben: wieder was gelernt. | |||||
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