es gibt bekanntlich eine Welt vor und eine Welt mit Corona. In Welt Nummer eins war der Winter stets die beste Jahreszeit, um mental schon einmal in den Sommer und somit in die Ferne zu schweifen. Spätestens wenn Anfang März die Pforten der Internationalen Tourismusbörse in Berlin geöffnet wurden, wurde es Zeit, sich ernsthafte Gedanken über die kommende Sommerfrische zu machen. Nun hilft kein Zetern und kein Klagen, für geraume Zeit leben wir eben noch in Welt Nummer zwei – und wie es dann weitergeht, das wird man sehen. Jetzt jedenfalls geht es gar nicht weiter. Daran erinnerte vor einigen Tagen auch Innenminister Horst Seehofer (CSU), als er den Souverän dazu ermahnte, auf Auslandsreisen zu verzichten. Das sei zwar nicht erste, aber immerhin doch „Bürgerpflicht“. Zugegeben, das Vokabular klang etwas oll und roch nicht von ungefähr nach vorrepublikanischen Mief. Dabei war selbst damals, also in den miefigsten deutschen Jahren, das Reisen noch vergleichbar einfach. Eine aktuelle Erwerbung des Deutschen Historischen Museums in Berlin etwa dokumentiert die Kolonialreisen des deutschen Diplomaten Bernhard Dernburg aus dem Jahr 1907. Das Museum, so heißt es in einer Pressemeldung, habe jüngst drei Fotoalben des 1937 verstorbenen Fernreisenden in seinen Besitz bringen können. Auf vergilbten Fotos sieht man da einen leicht überforderten Mann in fremden Flüssen schwimmen und durch hohes Schilfgras schreiten. Das Recht auf Bewegung Bis ins Jahr 1907 müssen wir hoffentlich nicht zurückgehen, bis uns erste Erinnerungen von ferneren Ländern und Menschen sowie von glücklicheren Zeiten kommen. Selbst die Bundeskanzlerin hat während ihres gestrigen Auftritts in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“ daran erinnert, dass es neben der Bürgerpflicht zum Stillstand eigentlich auch ein Recht auf Bewegung geben müsste. Die Wiedererlangung der Grundrechte, so Merkel, sei der Normalzustand. Was die Kanzlerin darüber hinaus noch alles gesagt hat, das können Sie in einem Artikel von Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier nachlesen. Und Apropos Rechte: Zu diesen gehört in normalen Zeiten auch das Recht auf Freiheit von Forschung und Wissenschaft. Das es um dieses Recht aktuell nicht immer zum Besten steht, darauf weist die Bochumer Philosophin Maria Sibylla Lotter in einem interessanten Interview hin. Es gibt also wieder genug Lektüre für einen geistigen Kurztrip. In diesem Sinne: Bleiben Sie zu Hause und reisen Sie mit uns durch die Welt von cicero.de. Ihr Ralf Hanselle, Stellvertretender Chefredakteur |