Liebe Frau Do, man ist ja einiges gewohnt von der Europäischen Union, jenem liebenswürdig komplexen Gebilde der 27 europäischen Staaten, die sich erst bis aufs Blut bekämpften, bevor sie sich vertraglich auf Frieden in Freiheit einschworen. Diese heterogene Gruppe in eine Richtung zu bewegen, ist seit jeher eine Herkulesaufgabe. Doch das Personaltableau, das die EU-Staatschefs gestern schnürten und dem Parlament heute zur Abstimmung vorlegen wollen, birgt jede Menge Überraschungen. Vor allem diese: Ursula von der Leyen, die in der Heimat wegen Pannen und Affären gescholtene Verteidigungsministerin, die schon als Bundespräsidentin und Bundeskanzlerin gehandelt, aber nie nominiert wurde, soll nun das einflussreichste Amt der Union übernehmen. Die CDU-Politikerin aus Hannover soll Kommissionspräsidentin werden und wäre damit die erste Frau in diesem Amt. Mit der ähnlich zähen und resoluten Französin Christine Lagarde, die für den Posten der EZB-Präsidentin nominiert wurde, würde Europa künftig in der Exekutive und in der Währungspolitik von zwei Frauen geführt, die in ihrer Karriere oft unterschätzt wurden, aber sich stets mit List und Finesse, aber nie mit dem verbalen Holzhammer bis ganz nach oben durchgekämpft haben. Welch ein Gegenentwurf zu den herrischen Macho-Staatschefs Putin, Trump und Erdogan, die sich die Weltbühne derzeit teilen! Doch es gibt auch Kritik, denn Frau von der Leyen hat die dramatische Materialausstattung, die technischen Mängel beim fliegenden Gerät und die finanzielle Misere in der Bundeswehr in ihrer mehr als fünfjährigen Amtszeit nie abstellen können. Auch ist die Berateraffäre aus ihrem Haus mehr als nur ein Geschmäckle, das sie mit nach Brüssel nimmt. Hinzu kommt: Die monatelangen Versprechen, dass nur ein Spitzenkandidat oder eine Spitzenkandidatin aus der Europawahl auch den höchsten Posten der EU bekommen soll, sind endgültig Makulatur. Manfred Weber darf als Parlamentspräsident wirken, und Frans Timmermans soll Vize-Chef der Kommission bleiben. Die beiden dürften „not amused“ sein. Das Europäische Parlament ist beschädigt. Und die Kanzlerin? Angela Merkel war mit ihrem ersten Personalvorschlag, Manfred Weber als Parlamentspräsident und Frans Timmermans als Kommissions-Chef zu nominieren, zwar bei Frankreichs Präsident Macron auf offene Ohren gestoßen, aber von den osteuropäischen Ländern frontal blockiert worden. Die französisch-deutsche Dominanz wurde gebrochen, auch das ist historisch. Doch wer wird sich daran erinnern, wenn von der Leyen reüssiert und in zwei Jahren Merkel als die große Taktikerin gepriesen wird? Meinen Kommentar zum EU-Postenpoker lesen Sie hier. Unsere Berliner Parlamentschefin Eva Quadbeck beobachtet und begleitet Ursula von der Leyen seit vielen Jahren. Ihr lesenswertes Porträt über „Merkels Allzweckwaffe“ steht hier. Und was passiert nun im Bundeskabinett? Angela Merkel braucht einen neuen Verteidigungsminister oder eine neue Verteidigungsministerin. Eine Spekulation in Berlin besagt, dass Jens Spahn ins Bundeswehr-Ressort wechseln könnte. Aus meiner Sicht ein kluger Schachzug, weil sich Spahn so breiter aufstellen könnte und mit Annette Widmann-Mauz eine fachlich versierte CDU-Politikerin für das Gesundheitsministerium zur Verfügung stünde. Aber auch, weil Homophobie in der Bundeswehre ein Thema ist, das sich mit einem schwulen Minister glaubwürdig angehen lassen würde. Gregor Mayntz hat sich in die Gerüchteküche begeben. Haben Sie schon mal von den Preppern gehört? Nein. Dann sollten sie den Text von Christian Schwerdtfeger lesen. So wird eine Gruppe von Menschen genannt, die angeblich aus Angst vor Kriegen und Naturkatastrophen große Vorräte an Lebensmitteln und Dingen des täglichen Lebens horten, aber immer öfter auch Waffen. Der Verfassungsschutz ist auf die Prepper aufmerksam geworden. Die Nachfrage aus der Szene nach Selbstverteidigungs- und Schießkursen ist stark gestiegen. Herzlichst Ihr Michael Bröcker Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |