die Hoffnungen, die türkische Oppositionelle in das Sechser-Bündnis um Erdogan-Herausforderer Kemal Kılıcdaroglu gesteckt haben, waren groß – und doch vergebens. Am Wochenende hat sich der amtierende türkische Präsident nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen wieder einmal durchgesetzt. Was nun folgt, ist noch unklar. Wird Erdogan seine Macht noch stärker zementieren und die Türkei konsequent zu einer Diktatur weiterentwickeln? Oder, auch solche Prognosen sind zu hören, führt die Machtbestätigung, die Erdogan erhalten hat, vielleicht dazu, dass er die Schlingen, die er in den vergangenen Jahren um die Hälse Oppositioneller gelegt hat, wieder lockern wird? Cicero-Mitherausgeber Dirk Notheis ist sicher: Für die türkische Demokratie sowie für die Wirtschaft ist die Wiederwahl Erdogans ein schlechtes Omen. Atatürk, so Notheis, wird sich im Grabe umdrehen, denn die Wahl markiert und zementiert zugleich das endgültige Ende der demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft in der Türkei und wird in die Geschichte eingehen. Seinen Kommentar lesen Sie hier. Während Erdogan-Anhänger nun also den Sieg ihres Wunschkandidaten feiern, rechnen liberale Türken mit dem Schlimmsten. Oppositionelle, Journalisten und Menschenrechtler erwarten neue Verhaftungswellen, ein Erstarken islamistischer Bruderschaften und weitreichende Angriffe auf Frauenrechte. Ilgin Seren Evisen über die Folgen einer Wahl, die jene Deutsch-Türken, die mit fast 70 Prozent für Erdogan gestimmt haben, nicht werden tragen müssen. Auch das nächste Thema hat in Teilen mit der Türkei zu tun. Denn das Land grenzt an Syrien, wo seit mittlerweile über zwölf Jahren Krieg herrscht. Ein Krieg, dessen sich abzeichnendes Ergebnis den westlichen Vorstellungen widerspricht, schreibt der ehemalige deutsche Botschafter Hans-Ulrich Seidt. Er meint: Nur eine von den Realitäten ausgehende Politik kann zur Stabilität im nahöstlichen Umfeld Europas beitragen und Fluchtursachen eindämmen. Apropos Realität: Auf dem diesjährigen G7-Gipfel in Japan formulierte die Gruppe der führenden westlichen Industrieländer in einem gemeinsamen Kommuniqué ihre bisher detaillierteste gemeinsame Position zu China. Künftig solle noch enger zusammengearbeitet werden, um Chinas globale Ambitionen einzuhegen. Antonia Colibasanu, Analystin bei Geopolitical Futures und Dozentin an der rumänischen National Defence University mit Sitz in Bukarest, mit den Details. Trotz aller Unsicherheiten dieser Tage gefällt sich auch Brüssel mittlerweile sehr gut darin, Themen zu behandeln, die sich als Erste-Welt-Probleme bezeichnen ließen. Nun will die EU-Kommission ihre Konjunkturanalysen um ein Maß des „Wohlbefindens“ ergänzen – ein Vorwand, um in das Leben der Bürger einzugreifen, meint der Ökonom Stefan Kooths. Im Cicero-Interview mit Lukas Koperek spricht er über die Missverständnisse der Wachstumsskeptiker und die Rolle des Staates in einer freien Wirtschaft. Ganz oben auf der Agenda steht in Brüssel und anderswo der Kampf gegen den Klimawandel. Und wo die Politik die Grundlagen liefert und die Medien den passenden Zeitgeist, ist freilich auch die Wirtschaft nicht weit. Das globale Geschäft mit angeblichen CO2-Einsparungen wächst. Doch kluge Klimapolitik ist das nicht, kritisiert Joachim Weimann, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Magdeburg. Denn mit sinnvollem Emissionshandel hat derlei nichts zu tun. Blick nach Deutschland: In den vergangenen Monaten machte die Ampelkoalition vor allem mit Zerwürfnissen und massiven Meinungsverschiedenheiten Schlagzeilen. Doch ein Bruch des Regierungsbündnis ist nicht in Sicht – die Angst vor Neuwahlen und persönliche Machtinteressen sind zu groß, schreibt Hugo Müller-Vogg. Denn: Machterhalt ist ein strapazierfähiger Kitt. An der Spitze der Ampelkoalition steht bekanntlich Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen Rolle in der Cum-Ex-Affäre bis heute nicht endgültig geklärt ist. Bei einem anderen Protagonisten sieht das ganz anders aus: Früher kontrollierte Hanno Berger als Finanzbeamter für den Staat Banken. Später wirkte er an einem Geschäftsmodell mit, durch das der Fiskus um Milliarden geprellt wurde. Nun ist ein zweites Urteil gegen „Mr. Cum-Ex“ gefallen. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Leitung Debatte |