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#trending Nummer 431 - Freitag, 1. März 2019

Der Momo-Hoax, Politiker im Karneval und das Comeback der Jonas Brothers

 

Guten Morgen! Ich habe mich gestern sehr aufgeregt. Über hunderte, wenn nicht tausende Medien, die über die angebliche "Momo Challenge" schreiben, die Kinder mit einer Horror-Figur in den Tod oder zu schweren Verletzungen treiben würde. Denn: An der Geschichte ist nahezu nichts dran und erst die vielen Berichte lassen die Gefahr für Kinder womöglich wahr werden.

#trending // Der Momo-Hoax

 

Seit geraumer Zeit tauchen im Internet immer wieder mal Berichte über die angebliche "Momo Challenge" auf, mit der Kinder in den Tod getrieben worden seien. Eine gruselige Figur mit riesigen Augen steht dabei im Mittelpunkt. In Videos singt sie entweder Lieder oder spricht Sätze, in denen dem Hörenden gedroht wird, dass er sterben würde oder der Hörer angestiftet wird, sich die Arme aufzuschneiden. Auch von gefährlichen Aufgaben wurde berichtet, die über WhatsApp verschickt würden. In dieser Woche sammelten die britischen Boulevard-Riesen Mirror und Mail Online 740.000 bzw. 530.000 Likes und Shares mit entsprechenden Artikeln.

Am Donnerstagabend sprang auch die Bild auf den Zug auf, schrieb "Eltern aufgepasst - Selbstmord-Aufrufe in YouTube-Videos für Kinder!" über den Artikel und stürmte innerhalb weniger Stunden mit 27.400 Facebook- und Twitter-Interaktionen auf Platz 1 der journalistischen Artikel Deutschlands. Wobei "journalistisch" in diesem Fall sicher diskutabel ist. Denn: An der Momo Challenge ist kaum etwas wahr. Der Guardian und die BBC berichteten schon am Donnerstagmorgen in viel beachteten Artikeln über "Momo" und bezeichneten den Hype um die Figur als "Hoax", also als Scherz.

Die Behauptungen der Boulevard-Medien, es gäbe Todesfälle und zahlreiche Eltern, die sich besorgt bei Behörden melden, seien falsch. Die britische "National Society for the Prevention of Cruelty to Children" hat dem Guardian gegenüber beispielsweise zu Protokoll gegeben, man hätte mehr Telefonanrufe von Medien als von besorgten Eltern bekommen. Die "Samaritans", eine Organisation, die sich u.a. um Suizidprävention kümmert, wird mit den Worten zitiert: "These stories being highly publicised and starting a panic means vulnerable people get to know about it and that creates a risk."

Medien machen einen harmlosen Scherz ohne realen Hintergrund also erst zur Gefahr. "The rumour mill appears to have created a feedback loop, where news coverage of the Momo challenge is prompting schools or the police to warn about the supposed risks posed by the Momo challenge, which has in turn produced more news stories warning about the challenge", so der Guardian. Und weiter: "Although the Momo challenge has been circulating on social media and among schoolchildren in various forms since last year, the recent coverage appears to have started with a single warning posted by a mother on a Facebook group for residents of Westhoughton, a small Lancashire town on the edge of Bolton. This post, based on an anecdote she had heard from her son at school, went viral before being picked up by her local newspaper and then covered by outlets from around the world."

Und einen halben Tag nach diesem wichtigen Artikel kommt dann also Bild und schreit: "Eltern augepasst!" ins Netz. Und: "Selbstmord-Aufrufe in YouTube-Videos für Kinder". Und bettet zu allem Überfluss "Peppa Pig"-Videos ein, in die solche "Momo"-Sequenzen eingebaut wurden. Schon das Upload-Datum der Videos (27. Februar) zeigt, dass offenbar genau das entsteht, wovor der Guardian-Artikel gewarnt hat: Aus dem Hoax entsteht durch Medienberichte die tatsächliche Gefahr. Je weiter die Stories und Artikel verbreitet werden, desto mehr Trittbrettfahrer tauchen auf, die tatsächlich entsprechende Videos bei YouTube hochladen, obwohl das Unternehmen zu Beginn des "Momo"-Hypes noch gesagt hatte: "Contrary to press reports, we have not received any evidence of videos showing or promoting the Momo challenge on YouTube." Mirror, Mail, Bild und andere sorgen nun indirekt dafür, dass es doch solche Videos gibt, über die dann wiederum berichtet werden kann.

Der gesamte "Momo"-Hoax steht exemplarisch für das große Qualitätsproblem vieler Online-Medien: Ein einzelner Facebook-Post mit einer Anekdote wird von einem Lokalmedium aufgegriffen, von immer mehr Medien abgeschrieben und zum weltweiten Aufreger und Angstmacher. Nicht nur Bild ist in Deutschland übrigens auf den Zug aufgesprungen. Bei Google News fanden sich am Donnerstagabend auch Artikel von Merkur.de, Web.de, der Hannoverschen Allgemeinen, watson, Nordbayern.de, Bunte.de, Gala.de und inFranken.de.

#trending // Politiker im Karneval

 

Die Karnevalsstimmung hat diverse Politiker erfasst. Und in den sozialen Netzwerken posten sie entsprechende Fotos. Politiker-Karnevals-Foto Nummer 1 auf Instagram war am Donnerstag mit 1.200 Likes das Kinderfoto von Cem Özdemir als Cowboy: "Seit meiner Kindheit freue ich mich jedes Jahr auf diese Zeit: Endlich darf man alle gehörig auf die Schippe nehmen und auch sich selbst nicht ganz zu ernst nehmen", schrieb er dazu. Auf der Grenze zum Fremdschämen balanciert Markus Söder inmitten von Karnevalistinnen, von denen eine dem bayerischen Ministerpräsidenten mit zwei Fingern auch noch Hasenohren macht. 740 Likes.

Auf Facebook lag die verkleidete Familienministerin Franziska Giffey vorn: 1.250 Likes & Co. gab es für ein Foto und Sätze wie "Juten Tach allerseits. Ick bin die Berta aus Berlin. Hab fünf Kinder und bin Fabrikarbeiterin bei Borsig. Heute hab ick mir mal so richtich rausjeputzt und werd denen hier im Ministerium mal nen Schnack aus‘m echten Leben erzählen." 800 Interaktionen gab es für den Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen und seinen Weiberfastnachts-Post "Rathausschlüssel verloren... ;-)"

#trending // Das Comeback der Jonas Brothers

 

Rund zehn Jahre nach dem bisher letzten Studioalbum kehrt die Boyband Jonas Brothers zurück. Freitagmorgen erschien die neue Single "Sucker", zuvor wurde in den sozialen Netzwerken schon ein gagaeskes "Hello Again"-Filmchen veröffentlicht und millionenfach abgerufen. Auf Facebook gab es dafür 270.000 Likes & Co., auf Twitter sogar 683.000 und auf Instagram 1,4 Millionen, 960.000 und 485.000.

#trending // Deutsche Tops des Tages

 

Story nach Social-Media-Interaktionen: Bild - "Eltern aufgepasst - Selbstmord-Aufrufe in YouTube-Videos für Kinder!" (27.400 Interaktionen bei Facebook und Twitter)

Story nach Likes & Shares bei Twitter: Der Postillon - "Daher die Wolfs-Panikmache: 'Bild'-Redaktion besteht zu 90% aus Rehen" (1.800 Retweets und Likes)

Story bei Blendle (nach Likes): Süddeutsche Zeitung - "Eine Klasse für sich"

Google-Suchbegriff: Lisa Sheridan (200.000+ Suchen) [verstorbene Schauspielerin]

Wikipedia-Seite: Mysterious Mermaids (51.200 Abrufe am Mittwoch) [neue ProSieben-Serie]

Youtube-Video: DAZN Premier League - "Guess Who's Back? Mesut Özil mit Gala-Auftritt: FC Arsenal - Bournemouth 5:1 | Premier League | DAZN"

Song (Spotify): Shirin David - "Gib Ihm" (562.400 Stream-Abrufe aus Deutschland am Mittwoch)

Musik (Amazon): Various - "Bravo Hits, Vol. 104" (Audio CD)

DVD/Blu-ray (Amazon): "A Star is Born" (Blu-ray)

Game (Amazon): Sony PlayStation Classic

Buch (Amazon): Güldane Altekrüger - "Abnehmen mit Brot und Kuchen" (Taschenbuch)

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