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Vom 5. Juli bis zum 27. Juli messen sich die besten Radsportler der Welt bei der Tour de France. Über Sieg und Niederlage auf den Straßen Frankreichs entscheiden dabei nicht nur die Beine, sondern auch das Material. Das TOUR Tech-Briefing zur 6. Etappe. |
Tour de France 2025 - 6. Etappe: Bayeux - Vire Normandie | 201,5 Kilometer | 3550 Höhenmeter |
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Das Höhenprofil der 6. Etappe, Fotograf: A.S.O. |
Die zweitlängste Etappe hat ein Profil, das einer Fluchtgruppe in die Karten spielen könnte: 3550 Höhenmeter sind zu überwinden. Fünf Anstiege zählen zur dritten Kategorie, wobei der erste schon nach 35,5 Kilometern dazu einlädt, eine Flucht zu initiieren. Im Finale ist noch ein Anstieg der vierten Kategorie zu meistern, die Côte de Vaudry (1,2 km, 7,2 %). Im Mittelstück ist die Côte bis zu 11 Prozent steil und flacht nach oben ab. Von dort sind es noch 4,4 Kilometer bis ins Ziel. Die 700 Meter lange Schlussrampe hat im Schnitt 10,2 Prozent Steigung, erreicht vor dem Ziel aber 14 %. |
Ein Massensprint ist ausgeschlossen. Entweder kommt eine Fluchtgruppe durch oder es kommt zum Showdown eines reduzierten Feldes mit Attacken an den letzten beiden Steigungen. Auch ein Klassementfahrer könnte versuchen, ein paar Sekunden zu schinden. |
Aus Materialsicht ist die Etappe kniffelig. Für eine lange Flucht ist ein aerodynamisch optimiertes Rad das Beste, soviel ist klar, und zwar weitgehend unabhängig davon, wieviel Zacken im welligen Profil stehen. Das wissen wir aus den zahlreichen Berechnungen der letzten Jahre. Über eine längere Strecke gerechnet sticht Aerodynamik immer, dann reden wir über Minuten im direkten Vergleich zwischen aerodynamisch optimierten Rädern und solchen, die das Potential nicht ausnutzen. |
Eine späte Entscheidung um den Etappensieg, zum Beispiel mit einem Sprint am Schlussanstieg, ist aus Materialsicht schwieriger abzuschätzen. Bei 14 % Steigung kurz vor dem Ziel setzt sich erfahrungsgemäß das etwas leichtere Rad durch. |
Ist es offen, wie das Finale verläuft, ist ein Bike, das Mini-Gewicht mit maximaler Aerodynamik vereint, die beste Wahl, denn damit ist der Fahrer immer bestens gerüstet. Dies würde zum Beispiel zutreffen, wenn die Attacke an der vorletzten Steigung gesetzt würde und der Fahrer den Vorsprung bis in den Schlussanstieg verteidigen müsste. |
Nachgewogen |
Die Kollegen vor Ort bei der Tour de France konnten inzwischen einige Räder nachwiegen und fanden ein Beispiel, dass es gelingen kann, Mini-Gewicht mit Top-Aerodynamik zu verheiraten: |
Das Cervélo S5 von Jonas Vingegaard wiegt rennfertig in Rahmenhöhe 52 mit 1x12-Antrieb 6950 Gramm. Zum Vergleich: Das Specialized Tarmac SL8 von Primož Roglič hing mit 6920 Gramm an der Tour-Waage, hat aber etwas schlechtere Aero-Werte (209 statt 202 W). Der Trick von Visma | Lease a Bike ist aus dem letzten Jahr bekannt: Der 1x12-Antrieb drückt das Gewicht dicht an die UCI-Marke von 6,8 kg. Sofern das Übersetzungsspektrum reicht, ist die Ein-Blatt-Strategie aus technischer Sicht eine gute Entscheidung und macht den Aero-Renner zur Universalwaffe. Kein Wunder also, dass Jonas Vingegaard auf den ersten Etappen genau dieses Rad benutzt hat. |
Am anderen Ende des Spektrums fanden die Kollegen das Rad von Mathieu van der Poel. Sein Canyon Aeroad hing mit 8020 Gramm an der Waage und ist damit deutlich schwerer als ein Serienrad. Das Rad vom mittlerweile ausgeschiedenen Jasper Philipsen ist nach unserer Wiegung 200 g leichter. Auch das ist deutlich über dem Gewicht des Serienrades. Der Gewichtszuschlag lädt zur Spekulation ein: Fahren die Profis verstärkte Rahmen? Anders ist das Mehrgewicht kaum zu erklären. Die 30er-Reifen, die inzwischen Standard sind, reichen als Erklärung nicht aus. Wir haben unsere Liste aktualisiert und rechnen fortan mit dem gewogenen Gewicht von Mathieu van der Poels Rad. |
Die Zahl des Tages: 14 Tausendstelsekunden |
0,014 Sekunden holt das schnellste Rad im simulierten Schlussspurt an der Zielsteigung, das ist nach unserer Berechnung das S5 im 1x12-Setup. Umgerechnet gut acht Zentimeter beträgt der rechnerische Vorsprung gegenüber dem Zweiten. |
Auf den weiteren Plätzen folgen Bikes, die an der 6,8-Kg-Marke kratzen. Diejenigen, die aerodynamischer sind, sortieren sich dabei weiter nach vorne. |
Das (fast) vollständige Feld im Schlusssprint bergauf* |
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Fotograf: Robert Kühnen |
Die Tabelle zeigt, dass Gewicht die Grundlage für die Sortierung im Steilstück von 14 % liefert, dass die Aerodynamik die Reihenfolge im Ranking am Berg aber auch beeinflusst. |
*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation. |
Unser Experte |
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Fotograf: Robert Kühnen |
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt. |
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