Das TOUR Tech-Briefing zur 16. Etappe der Tour de France 2024 |
|
Die 16. Etappe ist die letzte Chance für die Sprinter bei der Tour de France 2024, Fotograf: picture alliance / Reuters / Stephane Mahe |
Vom 29. Juni bis zum 21. Juli messen sich die besten Radsportler der Welt bei der Tour de France. Über Sieg und Niederlage auf den Straßen Frankreichs entscheiden dabei nicht nur die Beine, sondern auch das Material. Das TOUR Tech-Briefing zur 16. Etappe. |
Tour de France 2024 - 16. Etappe: Gruissan - Nimes | 188,6 Kilometer |
|
Das Höhenprofil der 16. Etappe, Fotograf: A.S.O. |
Die 16. Etappe ist die letzte Möglichkeit für die Sprinter, bei dieser Tour noch eine Etappe zu gewinnen. Entsprechend werden diejenigen, die sich erfolgreich über die Pyrenäen gekämpft haben, alles daran setzten, dass es auf dem Boulevard du President Salvador Allende im Herzen von Nimes zum Massensprint kommt. |
Mark Cavendish, der am Sonntag nur knapp im Zeitlimit ins Ziel kam, rüstet wohl zum letzten Mal in seiner langen Karriere zum Endspurt in einer Tour de France. Entsprechend motiviert wird Cavendish sein, nochmal alles zu geben. Die Anfahrt in Nimes hat Haken und Ösen. Zahlreiche Kreisverkehre sind zu passieren, der letzte nur 380 Meter vor der flachen Zielgeraden. Der Veranstalter wird diese aber begradigt und entschärft haben, sollte davon eine Gefahr ausgehen. |
Die topographischen Schwierigkeiten der Etappe sind auch überschaubar: nur 1200 Höhenmeter stehen auf dem Programm. Ein Anstieg der vierten Kategorie 76 Kilometer vor dem Ziel ist die höchste Hürde. Ein Klacks nach den Pyrenäengipfeln. Eher könnte der Wind, der vom Meer weht, das Peloton zerblasen und damit auch die Träume vom Endspurt. |
Technisch ging Mark Cavendish die gewaltige Bergetappe am Sonntag auch als Windkämpfer an. 60 Millimeter hohe Vision-Aero-Laufräder zierten seine Wilier-Rennmaschine. Das Kalkül dahinter: Angesichts des erwarteten frühen Rückstands aufgrund der Kletterei ab Kilometer Null, rüstete sich Cavendish für eine effiziente Fahrweise bergab und in den Tälern, um die Zeitverluste zu minimieren und seine Chancen zu wahren, im Zeitlimit ins Ziel zu kommen. Bestmögliche Aerodynamik sollte helfen auf dem langen Weg ins hohe Ziel – auch zum Preis von etwas mehr Gewicht, das die hohen Laufräder mit sich bringen. In unserer Vorschau erbrachte die Simulation ja auch, dass so am meisten Zeit zu sparen ist. |
Vor dem Zielstrich der 16. Etappe zählt nun wieder Aerodynamik bei Top-Speed. Darum dreht sich auch unsere Simulation. Wir simulieren einen Endspurt über 160 Meter für Mark Cavendish auf der 16. Etappe. Seine Hauptgegner dürften Jasper Philipsen und Biniam Girmay sein. |
Zahl des Tages: 34 Hundertstelsekunden |
Cavendish verliert in einem Kopf-an-Kopf-Sprint rechnerisch 34 Hundertstel gegenüber Jasper Philipsen – wenn man nur die Performance der Räder betrachtet. Das schnellste Rad hat Mark Cavendish demnach nicht zur Verfügung. |
Aber er wird dieses Defizit mit Körperaerodynamik versuchen wettzumachen. Denn kaum ein anderer Fahrer hat die Kunst des aerodynamischen Sprintens so perfektioniert wie Cavendish. Er duckt sich extrem tief übers Rad – und bringt dabei trotzdem die Power auf die Straße. Neben seiner unbestreitbaren Schnelligkeit und dem guten Auge für Positionierung seine dritte Fähigkeit, die er beim Sprinten einbringt. |
Das (fast) gesamte Feld im Überblick* |
|
Fotograf: Robert Kühnen |
*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation. |
Tabelle: Die Fahrzeiten im kurzen Sprint über 160 Meter. Technisch hat Jasper Philipsen mit dem Canyon Aeroad den Reifen vorne. Dass Mark Cavendish auf seinem Wilier Filante (markierte Zeile) mithalten kann, liegt an seiner Fahrweise und seiner sehr guten Körperaerodynamik. |
Rückschau auf die Pyrenäen: Materialmix bei Visma | Lease a Bike |
Die erste Pyrenäenetappe begann wie erwartet zunächst mit einer defensiven Taktik von UAE. Pogacars Entschluss zur Attacke kam nach eigener Aussage spontan. Er nutzte Adam Yates, der aus der Spitzengruppe attackiert hatte, kurz als Sprungbrett (Windschatten) und zog dann unaufhaltsam davon. Damit wendete Pogacar das Blatt wieder zu seinen Gunsten und wischte Zweifel beiseite, die aufkeimten, nachdem er auf der elften Etappe überraschend den Schlussspurt gegen Jonas Vingegaard verloren hatte. |
Auf der 15. Etappe ließ Vingegaard sein Team arbeiten und machte es Ausreißern schwer, einen ausreichenden Abstand für einen Etappensieg zu erarbeiten. Materialtechnisch verließ sich Vingegaard wie am Vortag auf das leichtere Cervelo R5. Interessant – und schlüssig – war hingegen, dass seine Helfer für die Fahrt durch die Täler auf dem aerodynamischeren S5 fuhren. |
Tadej Pogacar konnte das alles nicht irritieren. Er fuhr Vingegaard fünf Kilometer vor dem Ziel auf seinem Colnago im gewohnten Set-up auf und davon und machte den Vorentscheid komplett. Sportlich stehen die Vorzeichen nun wieder auf einen Sieg Pogacars. Aber die Tour ist die Tour. Ein kleiner Fehler kann reichen und die Karten werden neu gemischt. Zwei schwere Bergetappen und das Abschlusszeitfahren am letzten Tag halten die Spannung aufrecht. |
Unser Experte |
|
Fotograf: Robert Kühnen |
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt. |
|
>> Exklusiv: Rennräder der Stars und andere Highlights von der Tour de France im Blog |
>> Zum Tour de France Special |
|
|