Das TOUR Tech-Briefing zur 6. Etappe der Tour de France 2024 |
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Auch in Ausreißergruppen führt kein Weg an guter Aerodynamik vorbei, Fotograf: Getty Images/Dario Belingheri |
Vom 29. Juni bis zum 21. Juli messen sich die besten Radsportler der Welt bei der Tour de France. Über Sieg und Niederlage auf den Straßen Frankreichs entscheiden dabei nicht nur die Beine, sondern auch das Material. Das TOUR Tech-Briefing zur 6. Etappe. |
Tour de France 2024 - 6. Etappe: Macon - Dijon | 163,5 Kilometer |
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Das Höhenprofil der 6. Etappe, Fotograf: A.S.O. |
Die sechste Etappe ist erneut Sprinterterrain. Dass die schnellen Männer nicht genug Gelegenheit bekommen, ihr Rennen im Rennen zu bestreiten, kann man nicht behaupten. Insgesamt acht Etappen haben einen Zuschnitt, der Sprintern entgegenkommt. Was dieses Jahr aus Sprintersicht fehlt, ist ein versöhnliches Ende nach der Plackerei in den Bergen. Die letzten fünf Tage dürften Sprintern wenig schmecken. Am letzten Tag steht ein Zeitfahren an statt der üblichen Sprinterrunde auf den Champs Elysees. |
Doch zurück zur sechsten Etappe. Die Anfahrt ist ähnlich problemlos wie am Vortag. Ein Kreisverkehr 600 Meter vor der Ziellinie ist die größte Herausforderung, dann geht es schnurgerade und sieben Meter breit bis zum Zielstrich. |
Ausreißer können potentiell den Berg der vierten Kategorie, der schon nach 10 Kilometern im Profil steht, als Startrampe für eine Flucht nutzen. Aber der Weg bis Dijon ist weit. |
Klar ist, wer zur Flucht antritt, muss gerüstet sein, um lange schnell und effizient fahren zu können. Die Hauptzutat hierzu haben wir schon ausführlich besprochen: an guter Aerodynamik führt kein Weg vorbei. Anders lässt sich ein Schnitt von 43-47 km/h – das ist die Spanne, mit der der Veranstalter rechnet – nicht realisieren. |
Ausreißer und Sprinter haben damit das gleiche Thema vor der Brust. Beide müssen so aerodynamisch sein wie möglich. Die einen, um mehrere Stunden ziemlich schnell fahren zu können, die anderen, um knapp zehn Sekunden richtig schnell fahren zu können. |
Rauer Stoff für mehr Tempo |
Bei den Rädern gibt’s keine echte Wahl. Es gibt eine Sorte Aeroräder, die für beide gesetzt sind. Einen Unterschied aber gibt es bei den Rennanzügen. Denn diese lassen sich maßschneidern – sowohl für den Fahrer, als auch für den anvisierten Geschwindigkeitsbereich. |
Hintergrund ist, dass der Fahrer selbst den Löwenanteil des Luftwiderstands verursacht. In den von uns publizierten Windkanaldaten der Räder sind immer schon die Beine des Dummy-Fahrers mit drin. Hinzu kommt noch der Oberkörper, was wir in den Simulationen berücksichtigen. Mindestens zwei Drittel des Gesamtwiderstands geht auf das Konto des Fahrers. Arme und Beine sind näherungsweise Zylinder und damit aerodynamisch sehr ungünstig geformte Körper. Mittels Bekleidung lässt sich der aerodynamische Widerstand aber reduzieren. Dazu wird der Stoff partiell sogar künstlich aufgeraut – gut erkennbar an den Oberarmen der Rennanzüge, die oft ein Feinrippprofil ziert. |
Die optimale Rauigkeit, um den Luftwiderstand zu senken, hängt vom Durchmesser des Objekts und der Geschwindigkeit ab. Faustformel: je dünner und je langsamer, desto mehr Rauigkeit ist notwendig, um die Luft zu bändigen. Ein Ausreißer mit dünnen Armen braucht dort also einen anderen Stoff, als ein bulliger Sprinter, der zudem 20 km/h schneller unterwegs ist. An den Oberschenkeln muss die Oberfläche glatter sein als an den Armen. |
So kommt es, dass Ausreißer und Sprinter im Prinzip verschiedene Aero-Klamotten benötigen, um bestmöglich gerüstet zu sein. Mit gezielter Rauigkeit senkt Continental auch den Luftwiderstand seines neuen Aero-Reifens Aero 111, der sein Debüt bei der Tour de France feiert. TOUR hat den Reifen schon getestet. |
Ein Fahrer, der erfolgreich über alle Aero-Details nachgedacht hat, ist Mark Cavendish. Der Brite hatte zum Start der dritten Etappe neue Aero-Tricks parat. In seiner Rennmaschine steckten Aero-Flaschen, über dem Mittelteil seiner Schuhe trug er strukturierte Stulpen und natürlich auch strukturierte Aero-Socken, halbwadenlang, wie es das Reglement vorsieht. Hinzu kam ein neuer Aero-Anzug. Auf der fünften Etappe errang Cavendish mit dieser Detailbesessenheit seinen historischen 35. Etappensieg und ist damit nun der erfolgreichste Fahrer der Tour nach Etappensiegen. |
Zahl des Tages: 6:36 Minuten |
Welchen enormen Unterschied gutes Material bei einer langen Flucht macht, zeigt unsere heutige Simulation. 6:36 Minuten spart ein Ausreißer auf dem schnellsten Rad verglichen mit dem langsamsten aus unserer Liste, wenn er gleich zu Beginn der sechsten Etappe ausreißt und 160 km von vorne fährt. |
Das (fast) gesamte Feld im Überblick* |
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Fotograf: Robert Kühnen |
*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation. |
Das Ranking zeigt: die schnellsten Fluchträder sind die, die besonders aerodynamisch geformt sind. |
Unser Experte |
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Fotograf: Robert Kühnen |
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt. |
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