| | | die Flammen des Lagerfeuers loderten nochmals leuchtend hell und weithin sichtbar. Etwa jeder Zweite, der am Samstagabend vor der Glotze saß, hatte das ZDF eingeschaltet. Dort verabschiedete sich Moderator Thomas Gottschalk nach 154 Ausgaben vor einem Millionenpublikum als Conférencier von „Wetten, dass..?“. Es waren 12,13 Millionen Fernsehzuschauer, um genau zu sein. Da die Show in Eurovision zeitgleich auch in Österreich und der Schweiz zu sehen war, dürfte aber mindestens noch eine weitere Zuschauermillion dazukommen. Das sind Werte, die heutzutage nur noch der „Münster-Tatort“ erreicht. Oder die TV-Übertragungen eines Fußballspiels – und auch nur dann, wenn gerade Weltmeisterschaft ist. |
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| | Wird man sich an Gottschalks vermeintlich letzte „Wetten, dass..?“-Sendung erinnern? Vermutlich ja. Es dürften allerdings weniger die Wetten sein, die wie immer von kurios bis vollkommen gaga reichten, die das Gottschalk-Finale unvergesslich machen. Take That? Die zum Trio geschrumpfte und optisch etwas verlotterte Boyband durfte zumindest eine Zugabe trällern. Und die unverwüstliche Cher (77) zeigte dem staunenden Publikum, welch Wunder fähige Schönheitschirurgen heutzutage vollbringen können. Skurril auch Gottschalks verbale Verirrungen, der bei seinen Gästen Bastian Schweinsteiger und Matthias Schweighöfer schon mal Vor- und Nachnamen durcheinanderbrachte. |
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| | Ja, wirklich unvergesslich war selbst der gemeinsame Gesangs-Auftritt von Helene Fischer und Shirin David nicht, die als Duo den Schlagerohrwurm „Atemlos“ in ein zeitgemäßes musikalisches Gewandt kleideten. In Erinnerung bleiben werden allerdings die Schlussworte, die der 73-jährige Moderator in die Kamera sprach, kurz bevor ein Bagger ihn final von der großen Bühne schaufelte. Dass er sich nun heute von der Sendung verabschiede, die ihn nicht nur wohlhabend, sondern zu Deutschlands bekanntestem Entertainer gemacht hat, habe im Wesentlichen zwei Gründe, sagte Gottschalk: „Der eine wäre: Es ist problematisch, wenn man mir irgendwann die Gäste erklären muss, die hier bei mir auf der Bank sitzen. Noch kenne ich sie alle. Aber es ist doch ein Blödsinn, wenn ich frage: Wo bleiben Sophia Loren und Rod Stewart? Und die sagen: Die können beide nicht mehr laufen. Und der zweite Grund ist, dass ich, und das muss ich wirklich sagen, immer im Fernsehen das gesagt habe, was ich Zuhause auch gesagt habe. Inzwischen rede ich Zuhause anders als im Fernsehen – und das ist auch keine dolle Entwicklung. Und bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin und her rennt und sagt, „du hast wieder einen Shitstorm hergelabert“, dann sage ich lieber gar nichts mehr.“ |
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| | Als die „Bild“-Zeitung tags darauf „Gottschalks bittere Abrechnung!“ titelte, wurde in den sozialen Netzwerken längst heftig über den Begriff „Cancel Culture“ im Allgemeinen und „Sprachverbote“ im Speziellen gestritten. Sogleich mischten sich auch prominente Stimmen unter die Diskutanten. Wetter-Experte Jörg Kachelmann kommentierte beispielsweise: „Das Schicksal vieler älterer Herren: Bei der Arbeit nicht mehr reden zu dürfen wie zu Hause.“ Sind es also die alten weißen Männer, die hier vom woken Zeitgeist und der entfesselten Sprachpolizei in die ewigen Jagdgründe – mindestens aber in entlegene Schweigeklöster – vertrieben werden sollen? Darf man heutzutage wirklich nicht mehr (laut) sagen, was man (im Stillen) denkt? Muss man fürchten, dass jedes unbedachte Wort einem sofort als messerscharfer Boomerang um die Ohren fliegt – und damit nichts weniger als den eigenen Kopf kostet? Natürlich ist in Zeiten von Social Media und Political Correctness niemand mehr davor gefeit missverstanden zu werden. Unbedachte Äußerungen, aber auch aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und Wortfetzen können innerhalb kürzester Zeit einen orkanartigen Shitstorm heraufbeschwören. Mit nachhaltig negativen Folgen für Karriere und Unternehmen. Gottschalk hatte seinen öffentlichen Abschied mit persönlichen Motiven begründet. Und doch zielen seine Worte eindeutig auf unsere gesamte Gesellschaft. Und offenbaren dabei ein Dilemma: Nicht wenige in diesem Land hadern offen mit dem Zeitgeist und fühlen sich zunehmend gegängelt und bevormundet. Von Medien, von Politikern, von ihren Mitbürgern. Was heute alles nicht mehr geht! Winnetou – Held unserer Jugend? Kulturelle Aneignung und deshalb nicht korrekt. Ottos Harmlos-Witze von anno dazumal? Frauenfeindlich, rassistisch und deshalb nur noch mit Warnhinweisen zu konsumieren. Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling? Hält doch glatt das biologische Geschlecht für maßgeblich – Maulkorb! Ob „Genderzwang“ oder angebliche „Verbotskultur“: In Deutschland (und nicht nur hier) ist ein Kulturkampf entbrannt, der längst nicht mehr nur auf den Feuilletonseiten einzelner Blätter ausgefochten wird – sondern das politische Klima fächendeckend anheizt. |
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| | Für die einen bis heute zum Lachen, für andere zum Heulen: „Otto – Der Film“ von 1985 |
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| Auf der einen Seite stehen vermeintlich diejenigen, denen es nicht schnell genug gehen kann mit den gesellschaftlichen Veränderungen. Sei es bei der Mobilitätswende, der Sprache, oder ganz allgemein beim Thema Gender. Wer es dabei auf die Spitze treiben will, stellt gleich grundsätzlich in Zweifel, dass es überhaupt noch unterschiedliche Geschlechter gibt. Und träumt womöglich von einer Welt, in der es weder Verlierer gibt noch Gewinner. Ein erster Schritt dorthin: die Abschaffung der Bundesjugendspiele. Wer will heute seinem heulenden Kind schon erklären müssen, dass es vielleicht einfach zu ungeübt, zu ungelenk oder einfach zu mopsig ist für eine Ehrenurkunde? Auf der anderen Seite stehen die, bei denen „Gebärende“ oder „Entbindende“ noch immer „Mütter“ heißen. Die es für einen schlechten Witz halten, wenn man sein Geschlecht im Jahr bald so oft wechseln darf wie seine Autoreifen. Die aber auch heute noch über alte Otto-Filme lachen können, weil sie auch ohne Warnhinweise wissen, dass Humor vor allem immer Spiegel der jeweiligen Zeit ist. Politische Comedians wie Lisa Eckhart und Dieter Nuhr spielen dabei gekonnt und lustvoll mit politischer Überkorrektheit und dem vermeintlich Unsagbarberen. Und provozieren damit nur umso mehr die hyperventilierenden Verfechter einer Verbotskultur. Beide Lager stehen sich unversöhnlicher gegenüber denn je. Stellt sich also die Frage: Hat Gottschalk mit seinen wohlüberlegten Abschiedsworten vom Samstag nun doch nur seine persönliche Kränkung (darüber, nicht mehr als en vogue zu gelten) zum Ausdruck gebracht, oder läuft in diesem Land einfach doch mehr schief als gedacht? Ist es einfach nur fehlender Respekt vor der Lebensleistung eines 73 Jahre alten Unterhaltungs-Titanen, wenn eine etwas vorlaute Jungmillionärin wie Shirin David Herrn Gottschalk in seinem eigenen „Wohnzimmer“ schnippisch Contra gibt, indem sie ihm einen kleinen Vortrag darüber hält, dass Feministinnen heute „klug und wunderschön“ sein können und nicht mehr zwingend aussehen müssen wie eine Mischung aus Alice Schwarzer und Karl Lauterbach? Oder hat da ein alter weißer Mann schlicht und einfach den Schuss nicht gehört? Noch mal Kachelmann: „Ich kann nur ahnen, wie Herr Gottschalk sich zu Hause benimmt, wenn er Angst davor hat, mit nämlichem Verhalten öffentlich einen Shitstorm zu erzeugen“, kritisiert der Wetter-Experte und Moderationskollege das aus seiner Sicht peinliche „Abschiedsgejammer“ Gottschalks. Um noch zu ergänzen: „Alte reiche Männer sollten keine Wutbürger sein und sich auf schöne Auftritte bei Julian Reichelt vorbereiten. Das ist nicht der Gnadenhof, den man sich für Herrn Gottschalk wünschen möchte.“ Wie haben Sie den finalen Show-Auftritt von Thomas Gottschalk erlebt? War es längst überfällig, diesen charmanten wie unbelehrbar gockelhaften Alt-Chauvi in die verdiente TV-Rente zu schicken? Oder wurde da eine Unterhaltungslegende unverschuldet Opfer eines erbarmungslosen Zeitgeistes? Schreiben Sie mir Ihre Meinung gerne unter [email protected]. |
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| | Wetten, dass Ihnen das eine oder andere nachfolgende Thema meiner „Top 6 der Woche“ zusagt? Top, die Wette gilt! Herzlichst, Ihr |
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