Newsletter, 18.05.2019
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verbraucherzentrale
Newsletter, 18.05.2019

Testament - wer braucht es und was kann geregelt werden? Rechtsanwalt Dr. Otto N. Bretzinger zum Thema

Testament - wer braucht es und was kann geregelt werden?


Interview mit Rechtsanwalt
Dr. Otto N. Bretzinger

Bild von RA Dr. Otto N. Bretzinger
Dr. Otto Bretzinger
ist Jurist und Journalist.
Er hat mehrere Bücher für die Verbraucherzentrale geschrieben, unter anderem die Ratgeber „Richtig vererben und verschenken“ und „Handbuch Testament“.
Vorab: Sage und schreibe rund 250 Milliarden Euro werden Jahr für Jahr in Deutschland an die nächste Generation übertragen. Die Rede ist deshalb auch von der „Generation der Erben“. Allerdings haben fast drei Viertel der Deutschen keine Regelungen für den Erbfall getroffen. Mit der Frage, was nach ihrem Tod mit ihrem Vermögen geschehen soll, beschäftigen sich also die meisten Menschen wohl lieber nicht.

Herr Bretzinger, welche Folgen hat es, wenn man kein Testament errichtet?


Für diesen Fall wird unmittelbar vom Gesetz die Erbfolge festgelegt. Wenn der Erblasser mit dieser gesetzlichen Erbfolge einverstanden ist, hat es also für ihn keine nachteiligen Konsequenzen, wenn er auf die Errichtung eines Testaments verzichtet. Mit anderen Worten: Wenn die gesetzlichen Regelungen meinen Wünschen und Vorstellungen für die Erbfolge nach meinem Tod entsprechen, kann ich auf ein Testament verzichten. Wenn ich allerdings mit der vom Gesetz vorgesehenen Erbfolge nicht einverstanden bin, muss ich ein Testament verfassen und darin meinen letzten Willen festlegen.


Das setzt allerdings voraus, dass der Erblasser weiß, wie die gesetzliche Erbfolge geregelt ist.


Genau das ist der Punkt. Nicht selten wird nämlich die gesetzliche Erbfolge völlig falsch eingeschätzt. Es wird von falschen Vorstellungen ausgegangen, was nicht selten eine fatale Nachlassplanung zur Folge hat. Denn die gesetzliche Erbfolge birgt so manche Überraschung.
Beispielsweise gehen Ehepaare ohne Kinder häufig davon aus, dass der überlebende Ehegatte auch ohne Testament nach dem gesetzlichen Erbrecht Alleinerbe ist. Das ist aber falsch: Es entsteht eine Erbengemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Eltern beziehungsweise den Geschwistern des Erblassers.
Oder Ehepaare mit Kindern meinen nicht selten, dass durch die gesetzliche Erbfolge zunächst der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird, und danach die gemeinsamen Kinder erben werden. Auch dem ist nicht so. Liegt kein Testament vor, erben im Normalfall der überlebende Ehegatte die Hälfte und die Kinder die andere Hälfte des Nachlasses.


Welches sind die häufigsten Fehler bei der Nachlassplanung?


Der Erblasser überschätzt häufig die Vernunft seiner Erben. Kaum etwas entzweit Familien so zuverlässig wie Streitigkeiten ums Erbe. Deshalb sollte der Erblasser sowohl sich selbst als auch seinen Hinterbliebenen den Gefallen tun und seinen Nachlass so genau wie möglich regeln.
Und häufig zögert der Erblasser die Errichtung des Testaments zulange hinaus. Viele Menschen wollen sich nicht mit dem eigenen Tod befassen und schieben die Errichtung eines Testaments auf die lange Bank. Das kann sich als verhängnisvoller Fehler erweisen. Ein Unfall oder eine schwere Krankheit kann Menschen in jedem Alter treffen. Vor allem bei älteren Menschen besteht zudem die Gefahr, dass eine Krankheit zur Testierunfähigkeit führen kann. Dann ist es für die Errichtung eines Testaments zu spät, und die Erbfolge hängt – ob der Erblasser das will oder nicht – allein vom Gesetz ab.


Welche Möglichkeiten hat der Erblasser, sein Testament zu verfassen?


Der Erblasser kann sein Testament handschriftlich als eigenhändiges Testament oder unter Einbeziehung eines Notars als öffentliches Testament errichten.
Eheleute und eingetragene Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten und darin gemeinsame erbrechtliche Verfügungen treffen. Auch ein gemeinschaftliches Testament kann als eigenhändiges oder öffentliches Testament verfasst werden.


In welchen Fällen würden Sie empfehlen, ein notarielles Testament zu errichten?


Ein wesentlicher Vorteil des notariellen Testaments besteht in der Möglichkeit, sich vom Notar beraten zu lassen. Und eine solche Beratung kann insbesondere bei einem komplizierten Nachlass sinnvoll sein, wenn also beispielsweise viele verschiedene Sachwerte im Nachlass sind und umfangreiche Verbindlichkeiten bestehen. Auch bei komplizierten Familienverhältnissen, etwa bei Patchworkfamilien, kann eine fachkundige Beratung helfen. Das gilt auch, wenn die Erben verschuldet sind und der Nachlass vor dem Zugriff der Gläubiger der Erben geschützt werden soll.


Welches sind die häufigsten Fehler beim eigenhändigen Testament?


Viele eigenhändige Testamente enthalten ungenaue Formulierungen, sodass unter Umständen der Wille des Erblassers durch das Gericht ausgelegt werden muss. Und unter Umständen entspricht dann die richterliche Auslegung nicht zwangsläufig dem Willen des Erblassers. Die Einsetzung mehrerer Erben kann beispielsweise nicht in der Weise erfolgen, dass den Miterben einzelne Nachlassgegenstände zugewendet werden. Eine solche gegenständliche Erbeinsetzung ist nicht zulässig. Wenn der Erblasser mehrere Personen als Erben einsetzen will, muss sich die Erbeinsetzung jeweils auf einen Bruchteil (beispielsweise die Hälfte oder ein Viertel) beziehen. Hat der Erblasser in seinem Testament nur einzelne Gegenstände zugewendet, so hat er sogenannte Vermächtnisse angeordnet, aber keine Erbeinsetzung vorgenommen.
Und nicht selten errichtet der Erblasser im Lauf seines Lebens mehrere Testamente, wenn sich seine Lebensumstände geändert haben. Häufig enthält dann das neue Testament Verfügungen, die im Widerspruch zu einer älteren Verfügung stehen, während teilweise ältere erbrechtliche Anordnungen noch gelten, die im neuen Testament weder geändert noch widerrufen werden. Insgesamt entstehen dann im Lauf der Zeit teilweise verwirrende erbrechtliche Anordnungen.
Ein häufiger Fehler beim Testament ist auch, dass Pflichtteilsansprüche nicht berücksichtigt werden.


Warum muss der Erblasser bei seinem Testament Pflichtteilsansprüche berücksichtigen?


Beim sogenannten Pflichtteil handelt es sich um einen gesetzlich garantierten Mindestanteil am Nachlass, wenn der Ehegatte oder nahe Verwandte des Erblassers enterbt werden. Die pflichtteilsberechtigten Personen, also der Ehegatte, die Kinder und die Eltern des Erblassers können in diesem Fall gegenüber den Erben einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils verlangen.
Nehmen wir als Beispiel das bei Eheleuten so beliebte Berliner Testament. Darin setzen sich die Eheleute zunächst gegenseitig als Alleinerben und nach dem Tod des zuletztversterbenden Ehegatten die Kinder als Schlusserben ein. Dabei wird aber häufig übersehen, dass die Kinder beim ersten Erbfall enterbt sind und gegenüber dem überlebenden Elternteil den Pflichtteil verlangen können. Das kann den überlebenden Ehegatten unter Umständen in arge finanzielle Schwierigkeiten bringen, insbesondere dann, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus einer Immobilie besteht.


Das Berliner Testament ist ja bekanntlich, wie Sie auch sagten, unter Eheleuten sehr beliebt. Würden Sie generell zu diesem Testament raten?


Generell eher nicht. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Jeder Fall liegt anders. Es gibt kein Testament „von der Stange“. Das Berliner Testament hat einige Schwachstellen. Dass es beim ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche auslöst, ist eine davon.
Eine weitere Schwachstelle dieses Ehegattentestaments ist die erbrechtliche Bindung des überlebenden Ehegatten. Beim Berliner Testament ist der überlebende Ehegatte nach dem ersten Erbfall an die Einsetzung der Kinder als Schlusserben gebunden. Er kann also keine anderen Verfügungen mehr treffen, insbesondere kann er keine anderen Schlusserben als die Kinder einsetzen oder die festgelegten Erbteile ändern. Das stellt sich allerdings als Problem heraus, wenn sich die Lebensumstände nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten geändert haben. Auf solche geänderten Lebensumstände kann der überlebende Ehegatte dann nicht reagieren.
Diese Schwachstellen können allerdings durch entsprechende testamentarische Gestaltungen teilweise ausgeräumt werden. Wichtig ist es deshalb, dass Eheleute nicht einfach ein Berliner Testament verfassen, sondern dass sie bei der Gestaltung ihre persönlichen Lebensumstände und die familiäre Situation beachten.

Lieber Herr Dr. Bretzinger, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Ratgeber

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Titelbild des Ratgebers Handbuch Testament

Handbuch Testament

Ein Testament von der Stange gibt es nicht. Die Entscheidung, wer was erben soll, sollten Sie selber festlegen. Denn sonst bestimmt das Gesetz die Erbfolge. Den letzten Willen rechtssicher zu gestalten, ist nicht schwer, wenn Sie die grundlegenden Regeln des Buchs beachten.

Dazu in diesem Ratgeber: Erläuterungen und praktische Tipps, ergänzt um Vorlagen, Formulierungsbeispiele, Checklisten und Mustertestamente. Diese können herausgetrennt und abgeheftet werden.

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