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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 28.07.2020 | Mix aus Sonne und Wolken, nachmittags Schauer möglich, bei max. 29 °C. | ||
+ Was wir über den SUV-Unfall wissen – und was nicht + Debatte über die Verwaltung ohne die Verwaltung + Michael Müller wird seinen durstigen Dienstwagen nicht los + |
von Julius Betschka |
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Guten Morgen, es scheint, als habe diese Pandemie zwei neue, unantastbare Grundrechte hervorgebracht: jenes auf Raves und jenes auf Urlaub im Ausland. Nach anfangs ungewöhnlich unberlinischem Gehorsam jucken den Tanzwütigen jetzt so heftig die Füßchen, dass das Hirn aussetzt. Nach der Riesenparty in der Hasenheide am Samstag mit 3000 Menschen (CP von gestern) wurde am Sonntag schon der nächste Rave organisiert: Ein Instagram-Kanal mit mehr als 16.000 Followern rief unter dem Motto „Rave U2 tonight“ zum Treffen am U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz auf. Auch einen Überraschungs-Liveact sollte es geben – ob der wie in der Hasenheide blaue Uniform trug? Bislang unklar. Klar ist dagegen, dass dieses läppische Virus (über die bleiernden Spätfolgen: hier) auch das Grundrecht auf Sommerurlaube im Ausland nicht ankratzen darf. Jetzt, wo der Ballermann wieder dicht ist, geht’s eben per Suffbus an den Goldstrand, auch Toskana und Türkei sind schön wie immer. Beruhigend immerhin, dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen womöglich fatalen Fehlschluss der Gesundheitsministerkonferenz (Vorsitzende: Dilek Kalayci, Berlin) von vergangener Woche korrigiert: Urlauber aus Risikogebieten (Übersicht hier) müssen sich künftig verpflichtend auf Covid-19 testen lassen – egal, ob sie die deutsche Grenze per Flugzeug, Auto oder Zug überqueren. Schon vergessen? Es gibt bislang keinen Impfstoff gegen das Coronavirus, kein wirklich wirksames Gegenmittel – außer der Vernunft. Erinnern wir uns daran, dass es nach einer möglichen zweiten Welle – Sachsens Ministerpräsident Kretschmer sieht Deutschland schon mittendrin – viele Clubs nicht mehr geben wird, Urlaube im Ausland glichen für noch mehr Menschen einem Luxusgut. Und eines ist ganz sicher: Ein zweiter Lockdown würde unseren Freiheitsdrang auf eine weit härtere Probe stellen, als der erste. | |||||
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Beruhigendes aus der Landespolitik: Alles bleibt, wie es ist. Berlins FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja hat das geplante Modellprojekt autofreie Friedrichstraße als „konzeptionslose Veranstaltung“ kritisiert – womit vor allem der Ist-Zustand der Straße sehr gut beschrieben wäre. „Das ist eine Trotzanordnung, die dort vorgenommen wird“, sagte Czaja der Deutschen Presse-Agentur. Niemand profitiere von dem ab Mitte August geplanten Experiment: weder Händler noch Autofahrer oder der Standort Friedrichstraße selbst. Das es neben den Vorteilen für Fußgänger doch auch die ein oder andere gute Aussicht für die von der FDP geliebte freie Wirtschaft geben könnte, zeigt eine Studie aus London: In verkehrsberuhigten Gebieten gibt es 93 Prozent mehr Publikum, die Zeit, die die Menschen in einer Straße – zum Beispiel in Läden und Cafés – verbrachten, stieg sogar um 216 Prozent. Klingt nach Konzept, oder? | |||||
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Verkehr II: Am Sonntagmorgen war ein betrunkener Fahrer (0,7 Promille) in eine Menschengruppe am Bahnhof Zoo gerast. Drei Menschen wurden schwer verletzt, drei leicht. Was wir heute wissen: 1) Gegen den 24 Jahre alten Fahrer wird nicht mehr wegen versuchtem Totschlag ermittelt – er wurde am Montag freigelassen. 2) Anders als von der Polizei zuerst gemutmaßt, ist der Fahrer wohl nicht in suizidaler Absicht durch die Stadt gefahren. 3) Der Mann besitzt keinen gültigen Führerschein und hatte den Wagen laut „rbb“ wohl seiner Freundin gestohlen, die ihn kurz zuvor verlassen hatte. 4) SUV sind auch bei einem Unfall nicht unbedingt gefährlicher, als andere Wagen, sagt der Unfallforscher Sigfried Brockmann und: „Ein Verbot ist nicht gerechtfertigt.“ Brockmann sieht das sogenannte „Jugendlichkeitsrisiko“ als größere Gefahr, als eine Karosserieform (Das ganze Interview meines Kollegen Sinan Reçber lesen Sie hier mit TPlus). Warum reflexhafte Verbotsdebatten in die Irre führen können, hatte der Berliner Linke-Abgeordnete Tobias Schulze in einem lesenswerten Gastbeitrag nach dem tödlichen SUV-Unglück an der Invalidenstraße aufgeschrieben – und sinnvolle Vorschläge gemacht. Scheuers Nachfolger, übernehmen Sie! Vorher ist eh nichts gscheites mehr zu erwarten. | |||||
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Apropos Bayern: Im Freistaat wurden ein Ex-Polizist und seine Frau vorläufig festgenommen. Sie sollen mit den rechtsextremistischen „NSU 2.0“-Drohmails zu tun haben (die zum Beispiel die Berliner Linke-Fraktionschefin Anne Helm erhielt). Der ehemalige Beamte soll bereits früher wegen rechtsmotivierter Straftaten aufgefallen sein. Unter einem Pseudonym schrieb er für das Hetz-Portal „PI News“ und betreibt ein eigenes, einschlägiges Blog. Laut einer Recherche der „Zeit“ wird gegen die beiden aber nur wegen eines Bruchteils der Mails ermittelt und nicht wegen der Datenabfragen auf hessische Polizeicomputer. Keine Entwarnung für Betroffene. | |||||
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Bleiben wir bei der Polizei: Eine „taz“-Recherche hatte kürzlich gezeigt, dass der Berliner Vorsitzende der konservativen Polizeigewerkschaft DPolG, Bodo Pfalzgraf, deutlich länger Mitglied im Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk war, als bisher bekannt. Der Verfassungsschutz bezeichnete die Organisation später als „rechtsextreme Tarnorganisation“. Neben Pfalzgraf stehen knallharte Rechtsaußen auf der Liste – seine eigene Mitgliedschaft bei den Republikanern war ohnehin längst bekannt. Auf Checkpoint-Anfrage wollte die Polizei „aus persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen“ nichts zu Konsequenzen aus den neuen Erkenntnissen sagen. Teilte aber allgemein mit, dass „entsprechende Erkenntnisse (…) dienstrechtliche Folgen nach sich ziehen können.“ Auf die Frage, ob jemand mit einer solchen Vergangenheit heute noch Polizist werden könnte, heißt es sehr deutlich: „Eine Einstellung in den Polizeivollzugsdienst ist ausgeschlossen, wenn eine Mitgliedschaft in einer derart inkriminierten Organisation oder Erkenntnisse über eine geistige Nähe zu einer solchen Organisation bekannt werden.“ Für bereits eingestellte Beamte scheint das nicht zu gelten. Übrigens: In diesem Jahr finden Personalvertretungswahlen statt – die Polizisten können selbst entscheiden, wie viel Einfluss einer wie Pfalzgraf in der bunten Berliner Behörde hat. | |||||
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Achtung, Debatte! Momentan funktionieren ja nicht einmal Berlins Bürgerämter so richtig und da ist einer, der denkt schon über „Kiezämter“ nach. Der eine heißt: Frank Nägele, seines Zeichens Staatssekretär fürs Verwaltungstuning. Gemeinsam mit Checkpoint-Vortänzer Lorenz Maroldt diskutierte er am Montag bei der IHK darüber, wie der lahmende Berliner Amtsschimmel zum Rennpferd hochgezüchtet werden könnte. Statement Nägele: „Besser flutschen“ müsste es in der Verwaltung – ob’s reicht? Das Wichtigste aus der Debatte können Sie hier nachlesen. Randnotiz: Von Verwaltungsrechnern aus konnte man das Gespräch nicht verfolgen. IT-Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) kommentiert: „Wir blocken nicht die IHK; wohl aber einige Anwendungen von Videodienstanbietern.“ Grund: Datenschutz. Von den zahlreichen Ideen der beiden Diskutanten wird in der Berliner Verwaltung also eher keiner erfahren – immerhin: Checkpointleser wissen mehr. | |||||
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Nochmal Pandemie: Die Grenzen für unverheiratete Partner aus Drittstaaten sind in Deutschland noch immer dicht, während in Mallorca und am Goldstrand schon die Kronkorken tanzen. Unter dem Hashtag #loveisnottourism sammeln Betroffene seit Wochen ihre Erfahrungen. Josephina Cruz erwartet am 7. August ihr Kind, ihr Partner ist auf den Kapverden – sie in Deutschland. Cruz hat sich an den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich (Linke) gewandt: „Ich bin echt verzweifelt und weiß nicht mehr, wer uns noch helfen könnte“, schreibt die Frau. Seit April will sie ihren Freund nach Deutschland holen, aber der zuständige Honorarkonsul und die deutsche Botschaft in Dakar verweigern die Einreise. Obwohl der Europäische Rat geraten hatte, aus „zwingenden familiären Gründen“ Einreisen auch aus Drittländern zuzulassen. Obwohl der Sprecher des Innenministers, Steve Alter, die Reise nach Deutschland explizit für solche Fälle zugesagt hatte. Liebich: „Der Sprecher Horst Seehofers versicherte erst am vergangenen Freitag den #LoveIsEssential-Protestierenden, dass die Einreise von Vätern zur Geburt ihrer Kinder möglich sei.“ Der Fall ziehe sich seit Monaten. „Das geht so nicht“, sagt Liebich. Wir sagen: Liebe ist kein Tourismus. | |||||
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„Erzähl mal weiter“ – gemeinsam mit Berliner AutorInnen und Ihnen wollen wir während der Sommerferien Fortsetzungsgeschichten verfassen. Den Auftakt dieser Woche machten wir (Team Checkpoint – hier zu lesen). Heute folgt Teil 2. Breaking News von Team Checkpoint und (heute) Knut Lehmann Er wurde darin aufgefordert, Stellung zu nehmen zu einem Ereignis, an das er sich ohnehin nur sehr ungern erinnerte. „Diese unverschämte Ratte“, dachte er bei sich. Ruft ihn doch irgend so ein Typ an, er hätte einen Brief an Herrn Müller geschrieben, persönlich, vertraulich, wie er betonte, und der Regierende hätte ihm noch nicht geantwortet und auf Rückfrage in seinem Büro hätten die ihm gesagt, sie würden keinen Brief kennen. Also behauptet dann doch dieser Typ, das könne nur an der Scheißpoststelle liegen. „Ich bin Beamter, also bin ich zu absoluter Sorgfalt verpflichtet“, war seine durchaus noch ruhige Antwort. Aber als dann als Retoure kam: „Ach Beamter also. Das sind doch eh alles nur faule Säcke“, war's dann doch um ihn geschehen und er verschaffte seinem Herzen mal so richtig Luft. Und dafür jetzt also die Androhung eines möglichen Disziplinarverfahrens. Er verstand endgültig die Welt nicht mehr. Und jetzt sind Sie gefragt – Wie soll es weitergehen? Schicken Sie uns Ihre Fortsetzung (maximal 600 Zeichen) bis spätestens heute um 16 Uhr an [email protected]. Die beste Idee veröffentlichen wir morgen im Newsletter. Und die gesamte Geschichte (deren Ende wiederum Team Checkpoint am Freitag schreiben wird) lesen Sie am Wochenende im Tagesspiegel und auf Tagesspiegel.de. | |||||
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