Liebe Leserin, Lieber Leser,
kennen Sie noch den Scheinriesen Herrn Tur Tur aus der „Jim Knopf“-Geschichte? Je näher man ihm kam, desto kleiner wurde er. Die SPD ist sozusagen die Frau Tur Tur der deutschen Parteienlandschaft.
Von Weitem wirkt die alte Dame durchaus groß: Sie ist Regierungspartnerin, kontrolliert sieben voninsgesamt 17 Ministerien und verwaltet eine stolze Geschichte. Aber dann rückt ihr heute in Berlin startender, dreitägiger Parteitag näher und näher. Und plötzlich schrumpelt diese Partei immer weiter zusammen. Wie ihr großer Vorsitzender Lars Klingbeil, der sie bei der letzten Bundestagswahl auf historisch schlechte 16,4 Prozent heruntergerockt hat.
Klingbeils Co-Parteivorsitzende Saskia Esken wurde unter anderem deshalb fallengelassen. Er selbst avancierte zum Vizekanzler und Bundesfinanzminister. Wieso? Weiß niemand mehr. Doch auch darum wird es bis Sonntag gehen. Es werden überhaupt eine Menge Fragen verhandelt. Die existenziellste: Für wen macht diese Partei noch Politik? Wer und was ist die SPD überhaupt – außer ein desolater Haufen unterschiedlichster Ziele und Temperamente?
Nehmen wir nur den Akademiker-Spross Philipp Türmer! Als Juso-Chef changiert sein Sound zwischen Sozialneid und Stamokap. Die Reichen sind für ihn natürlich „Schmarotzer“, nur Umverteilung und Enteignungen könnten die Republik retten. Von der einst auf Mitte und Wohlstand zielenden Sozialdemokratie eines Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder ist er so weit entfernt wie Lenin von Ludwig Erhard.
Dieser Teil der SPD kennt seine einstige Kernklientel eh nur noch aus Arte-Dokus. Das letzte SPD-Maskottchen des verlorenen Arbeitermilieus ist Bärbel Bas: Tochter eines Busfahrers, Ex-Hauptschülerin und -Bürogehilfin, die nun als Arbeits- und Sozialministerin 167 Milliarden Euro ausgeben darf. Das ist ein Drittel des Bundesetats und zugleich eines der größten Regierungsprobleme. Denn gerade da gäbe es viele Sparmöglichkeiten, was die SPD natürlich glatt wegignoriert.
Als sie noch eine richtige Volkspartei war, hatte die SPD „Flügel“ – einen links und einen weniger links. Manchmal flog sie damit sogar zu Wahlerfolgen. Heute fliegt da nix mehr. Und die Flügel schlagen nur noch aufeinander ein. Die „Manifest“-Schreiber um Granden wie Rolf Mützenich etwa werfen ihrer Parteispitze Kriegstreiberei vor. Ihr Genosse Boris Pistorius muss derweil als Verteidigungsminister die Bundeswehr überhaupt erst wieder gefechtsbereit machen. |