| | | | | 22. September 2024 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| | | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will erst noch Kanzler werden: Der CSU-Vorsitzende Markus Söder war es schon â nicht sehr lang, aber immerhin für eine Nacht. Zur Frankenfastnacht 2024 kam Söder nämlich als Reichskanzler Otto von Bismarck. Das sah gut aus, das sorgte für einschlägigen Gesprächsstoff, und das fügte sich prächtig in das Verwandlungsprogramm des CSU-Politikers, der beim fränkischen Fasching in Veitshöchheim auch schon als Mahatma Gandhi, als Marlene Dietrich oder als Zauberer Gandalf aufgetreten ist. Söder lässt sich nicht auf eine Rolle festlegen â im Fasching nicht und im politischen Alltag auch nicht. Das macht ihn im Fasching sympathisch, in der Politik aber unberechenbar. Söder ist berechenbar unberechenbar â hat aber dabei ein geniales Gespür für Stimmungen. Dieses Gespür hat ihm in der vergangenen Woche eingegeben, dass es Zeit ist, die Kanzlerkandidatur in der Union dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zu überlassen. Was Strauà und Söder gemeinsam haben Es hätte Söder geschadet, die offene Konkurriererei fortzusetzen. Das hält ihn aber nicht davon ab, dem Kandidaten Merz ein künftiges Kanzlerleben schon vorab schwer zu machen â und eine Koalition mit den Grünen kategorisch auszuschlieÃen. Man muss das aber nicht so ernst nehmen, weil die gesamte politische Karriere von Markus Söder zeigt, dass es einen kategorischen Imperativ bei ihm nicht gibt. Er ist ein Meister der Kehrtwenden. Die Zeit, in der er sich grün gab, in der er Themen wie Klimaschutz und regenerative Energien als primäre Ziele seiner Politik ausgab, ist noch nicht so lange her. In dieser Zeit umarmte er Bäume so innig, wie es sein politisches Vorbild Franz Josef Strauà früher mit Mao gemacht hat. In dieser Zeit, noch nicht lange her, übernahm er das höchst erfolgreiche Bienen-Volksbegehren der kleinen ÃDP und machte âRettet die Bienenâ zu seinem eigenen Gesetzesvorhaben. Söder ist ein Zeitgeist-Surfer. Prinzipienfestigkeit hat ihm noch keiner nachgesagt. Bei Merz ist das anders. Der CDU-Mann orientiert sich, seitdem er Politiker wurde, verlässlich am Neoliberalismus. Das ist zwar eher freidemokratisch als christdemokratisch, aber es ist so. Ãber solche Bindungen verfügt Söder nicht. Das Verlässlichste an ihm ist seine Lust an der Inszenierung, an der Selbstdarstellung, am kleinen und groÃen Auftritt. Das gilt, wenn es zur Eröffnung des Oktoberfests geht. Das gilt, wenn er als Kanzlerkandidat abtritt. Söder versuchte, den Abtritt zum Auftritt zu machen. Weil aber auch der nunmehrige Kanzlerkandidat Friedrich Merz den Auftritt liebt, wird man noch viel Auftrittskonkurrenz erleben.
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| | | Markus der Kehrtwendige und Friedrich der Langatmige | | |
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| Am Montag beginnt der Herbst, das Oktoberfest hat schon begonnen â der Bundestagswahlkampf auch. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das wünscht sich und uns Ihr
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| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| | | | | | | | | Das Ende der Welt klopft an die Tür deines Hauses | | Einem Propheten wird nachgesagt, er könne in die Zukunft blicken und sie vorhersagen. Er gilt also als eine Art Kaffeesatzleser ohne Kaffeesatz. Das ist falsch! Ein Prophet ist ein Wahrsager, aber im ganz buchstäblichen Sinn. Er sagt jene unangenehmen Wahrheiten, die keiner hören will. Er spricht aus, was kommen wird, wenn alles so weitergeht. Nicht weil er in die Zukunft blickt, sondern weil er aufmerksam die Gegenwart betrachtet. âDas Lied des Prophetenâ heiÃt Paul Lynchs sprachgewaltiges Buch, für das er mit dem Booker Preis 2023 ausgezeichnet worden ist. Es spielt in einem fiktiven Irland, das sich immer mehr in einen autoritären Terrorstaat verwandelt. Die Geschichte beginnt damit, dass es an der Tür klopft. Zwei Geheimpolizisten wollen Larry sprechen. Der wird bald verschwinden. Man ahnt: auf Nimmerwiedersehen. Und man wird Zeuge, wie seine Frau Eilish mit ihren vier Kindern vergeblich versucht, zunächst ihre Normalität, dann ihr nacktes Leben zu behaupten. Dies geschieht nicht in einem entfernten Failed State. Es sind nicht die anderen, die vom Grauen verschlungen werden. Es ist die vertraute westliche demokratische Welt, die Risse bekommt und schlieÃlich auseinanderbricht. Mit diesem literarischen Kunstgriff zieht Lynch uns unmittelbar hinein ins Geschehen. Wer meint âHier und mir kann das nicht passierenâ, wird das nicht mehr vollmundig behaupten, wenn er das Buch aus der Hand legt. Es ist keine Freude, es ist kein Vergnügen, das Buch zu lesen. Es ist erschütternd, oft herzzerreiÃend â und es ist zugleich unglaublich fesselnd. Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ... nein, kein Lichtlein her, kein einziges. Es kommt die nächste Katastrophe. Paul Lynch gönnt seinen Lesern nicht einen Moment, um aufzuatmen oder zu schmunzeln. Atemlos geht es immer tiefer in die Dunkelheit, bis â aber lesen Sie selbst. Die prophetischen Reden vom Weltuntergang sind nicht von gestern, weià Lynch: âDer Prophet singt nicht vom Ende der Welt, sondern davon, was getan worden ist und was getan werden wird und was manchen angetan wird, aber nicht anderen, dass die Welt immer wieder aufs Neue an einem Ort endet, aber nicht an einem anderen, und dass das Ende der Welt immer ein lokales Ereignis ist, es kommt in dein Land und besucht deine Stadt und klopft an die Tür deines Hauses und wird für andere nur eine ferne Warnung, ein kurzer Bericht in den Nachrichten, ein Echo von Ereignissen, das in die Folklore eingegangen ist.â Man könnte Paul Lynchs Werk als Klagelied eines Propheten bezeichnen und zugleich hoffen, dass nie Wirklichkeit wird, was er singt. Genau das ist ja der Grund, warum die Propheten ihre Unheilsreden verkündet haben: Damit die, die ihnen zuhören, alles tun, damit dieses Unheil nicht eintrifft. Paul Lynch: Das Lied des Propheten ist im Juli dieses Jahres bei Klett-Cotta erschienen. Das Buch hat 320 Seiten und kostet 26 Euro. | | | | |
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| | | | | Vereinte Nationen: Was die Welt zusammenhält | | Es wäre schön, wenn der âPakt für die Zukunftâ, um den sich die Vereinten Nationen in New York bemühen, eine Antwort wäre auf das oben empfohlene Buch von Paul Lynch. âMultilaterale Lösungen für ein besseres Morgenâ lautet das Motto des UN-Zukunftsgipfels. Es geht dabei, so schreibt der Kollege Boris Herrmann in seiner lehrreichen Seite-Drei-Geschichte vom Wochenende, âim Kern um die Frage, ob sich die Weltgemeinschaft trotz aller aktuellen Kriege und Konflikte noch auf ein Mindestmaà an Konsens einigen kann. Gibt es in dieser Welt noch Gemeinsamkeiten?â Der gemeinsame Nenner ist klein, er ist sehr klein. Wie klein er ist, warum das so ist und wie um diesen kleinen Nenner unter der gratwandernden Moderation von Deutschland und Namibia gerungen wird â das beschreibt Boris Herrmann in meisterlicher Weise.
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