Sind die US-Arbeitsmarktdaten verlässlich?
Sind die US-Arbeitsmarktdaten verlässlich? von Sven WeisenhausDie Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA bleibt inmitten der Corona-Pandemie hoch. In der vorigen Woche stellten rund 793.000 US-Amerikaner einen Antrag auf staatliche Hilfe, wie das U.S. Department of Labor heute mitteilte. Damit hat sich der Wert gegenüber der Vorwoche (812.000) nur moderat verringert. Und er ist immer noch in etwa vier Mal so hoch wie im Durchschnitt vor der Krise. Die anhaltend hohe Anzahl an Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe passt damit zu dem schwachen Stellenaufbau, über den ich am Freitag vergangener Woche berichtet hatte (siehe „USA: Starke Wirtschaft, schwacher Arbeitsmarkt“). Dass die neue Finanzministerin Janet Yellen eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung bereits für das nächste Jahr in Aussicht gestellt hat, erscheint damit aktuell recht optimistisch. Schließlich gilt es noch immer, fast 10 Millionen Menschen zurück in Arbeit zu bekommen. Aber mit „für das nächste Jahr“ kann ja auch Ende 2022 gemeint sein. Immer wieder kommen Zweifel an den Daten auf Jedenfalls passt der jüngste Rückgang der Arbeitslosenquote nach wie vor nicht so recht ins Bild. Kein Wunder also, dass vor diesem Hintergrund Zweifel an der Integrität der Daten aufkommen. So fragte mich ein Leser, ob es nicht vielleicht auch möglich sein könnte, dass die USA mit ihren Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsdaten ein wenig tricksen und die Zahlen gar nicht korrekt sind. „Eventuell nur um die Börse bei Laune zu halten, damit Joe Biden einen guten Einstand an den Börsen (was ja in den USA enorm wichtig ist) vorweisen kann? Denn die von Ihnen so super dargestellten Hinweise und Grafiken sind ja wirklich sehr stark zu hinterfragen und bei der momentanen (meiner Meinung starken Überbewertung) sich abzuzeichnenden Blase bin ich da schon sehr skeptisch, ob die mitgeteilten Daten überhaupt noch realistisch sind bzw. überhaupt stimmen“, schrieb er in seiner E-Mail. Auch Inflationsdaten sind ein häufiges Streitthema Solche Überlegungen sind mir in den mehr als 20 Jahren, in denen ich mich schon mit der Börse und Wirtschaftsdaten beschäftige, schon des Öfteren begegnet. Auch das Thema Inflation ist eines, welches immer wieder zu Diskussionen führt. Schließlich ist die „gefühlte“ Inflation meist deutlich höher als die von den Ämtern offiziell ausgewiesene. Mit Blick auf die Analyse der Märkte weiß ich inzwischen aber, dass solche Diskussionen nicht zielführend sind. Und das habe ich dem Leser auch mitgeteilt. Sind gute oder schlechte Arbeitsmarktdaten besser für die Aktienmärkte? Und ich habe ihm auch geschrieben, dass ich es für wenig wahrscheinlich halte, dass die US-Arbeitsmarktdaten nur deshalb verändert werden, weil ein neuer Präsident ins Amt gekommen ist. Solch ein Skandal könnte, wenn er denn publik wird, einer Regierung sehr schnell um die Ohren fliegen. Und es ist ja keineswegs sicher, dass die Aktienindizes steigen, wenn die Arbeitslosenquote sinkt. Schließlich könnte eine geringe Arbeitslosigkeit ja auch dazu führen, dass die Notenbank ihre expansive Geldpolitik früher zurückfährt. Anleger müssten dies nur annehmen, um die Aktienmärkte auf Talfahrt zu schicken, da sie aktuell stark am Tropf der Notenbanken hängen. Die Arbeitsmarktdaten werden unterschiedlich erhoben Und man sollte zu den US-Arbeitsmarktdaten wissen, dass die Anzahl der neu geschaffenen Stellen anders erhoben wird als die Arbeitslosenquote. Die Arbeitslosenquote wird im „Current Population Survey“ unter den Bürgern erhoben, während die neu geschaffenen Stellen aus der „Current Employment Statistics“ stammen, die bei den Unternehmen erhoben wird. Daher gibt es hier seit jeher immer mal wieder Abweichungen. Ein Ausrutscher macht noch keinen Trend Wobei die unterschiedliche Entwicklung bei den Daten für den Monat Januar schon recht außergewöhnlich war. Aber daher sollte man die kommenden Daten noch abwarten. Denn ein Ausrutscher stellt noch keinen Trend dar. Und ich hatte in der Börse-Intern von Freitag ja auch mögliche Gründe für die unterschiedlichen Entwicklungen genannt. Die Arbeitsmarktdaten haben an Bedeutung verloren Unabhängig davon erinnere ich an die Börse-Intern vom 02.10.2020 (siehe „Die Märkte laufen wieder in geregelten Bahnen“). Damals hatte ich geschrieben, „die zukünftigen Arbeitsmarktdaten könnten eher spurlos an den Börsen vorbeigehen. Denn die Daten werden immer mehr an Bedeutung verlieren, solange sie sich in Richtung bzw. entlang des vorgezeichneten Pfades der US-Notenbank bewegen.“ Und weiter: „Die Arbeitslosenquote dürfte auch zukünftig weiter sinken, der Rückgang aber an Tempo verlieren und die Quote so dem vorgezeichneten Pfad der Notenbank folgen.“ War die Arbeitslosenquote seinerzeit noch binnen vier Monaten von 11,1 % auf 7,9 % um 3,2 Prozentpunkte gesunken, so hat sie in den vergangenen vier Monaten von 6,9 % auf aktuell 6,3 % nur noch um 0,6 Prozentpunkte nachgegeben. Und wenn man sich die jüngsten Reaktionen der Märkte auf die Arbeitsmarktdaten anschaut, dann erkennt man im Kursverlauf kaum, zu welchem Zeitpunkt diese veröffentlicht wurden. Die heutige Reaktion auf die Erstanträge tendierte gegen Null. Und daher sollte man die Bedeutung der Arbeitsmarktdaten bzw. den Nutzen einer vermeintlichen Manipulation nicht überschätzen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
|