der Ernst des Lebens ist zurück. Für 760.000 Schülerinnen und Schüler in Berlin und Brandenburg beginnt heute ein neues Schuljahr. Und damit die Kleinen gleich merken, dass das Leben kein Zuckertütenschlecken ist, startet auch die neue Klasse genauso, wie die alte aufgehört hat: unter verschärften Corona-Bedingungen. Das heißt: Abstand, Maske, Corona-Schnelltest. Und zu alledem die ewigen Schließungs- und Impfungsdebatten, die wie Damoklesschwerte über den Köpfen der Kleinsten und Fragilsten schweben. Unsere Hospitantin Alissa Kim Neu hat sich daher einmal bei einem Berliner Kinderarzt umgehört, um in Erfahrung zu bringen, worauf es nach 17 Monaten Ausnahmezustand jetzt ankommen müsste. Der ärztliche Rat ist eindeutig: „Also die größte Forderung wäre sicherlich die Offenhaltung der Schulen und Kitas. Dass wir jetzt schon wieder über Schließungen sprechen, ist eigentlich unglaublich. Die Kinder und Jugendlichen haben schon genug geleistet für die Gesellschaft in den letzten anderthalb Jahren. Sie haben sehr viel für die Älteren getan, die viel häufiger vom Virus betroffen sind“, so Jakob Maske, niedergelassener Kinder und Jugendarzt sowie Bundespressesprecher des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte, im Interview mit cicero.de. Früher nannte man eine solche Umkehrung der natürlichen Verhältnisse, bei der Kinder am Ende eine Leistung für die Erwachsenen erbringen sollen, Parentifizierung. Eine derartige Rollenumkehr zeugt in der Regel von der Störung einer familiären oder gar gesellschaftlichen Hierarchie. Was gerade bei Kindern in späterem Alter zu erheblichen Folgestörungen führen kann, scheint im Schuljahr 2021/22 ein weiteres Mal zum neuen Normal zu gehören. Wie es so weit kommen konnte? Kinderarzt Maske hat für viele Fehlentwicklungen der vergangenen Monate eine einfache Erklärung: „Sagen wir es einmal so, Kinder und Jugendliche sind halt keine Wähler.“ Reden wir also lieber über Patienten, die schon wählen dürfen. Die Patienten der Leipziger Hausärztin Silvia Bittner zum Beispiel. Bei einigen von diesen wurden im September 2019 merkwürdige Hautrötungen festgestellt, die sich über Oberkörper und Arme zogen, zudem hohes Fieber und Gliederschmerzen. „So was sieht man nicht alle Tage“, erinnert sich die Ärztin in dem Text, den die Wissenschaftsjournalistin Katja Trippel für Cicero geschrieben hat. Wenige Wochen später entdeckte Ärztin Bittner in ihrer Handy-App eine überraschende Schlagzeile: „Vogel mit West-Nil-Virus in Sachsen gefunden.“ Ein Virus, das via Stechmücken auf den Menschen übertragbar ist, und das eindeutig bei ihren Patienten vorlag. Die Geschichte vom West-Nil-Virus ist nur eine von vielen, die Katja Trippel in ihrem lesenswerten Text über die Folgen von Klimawandel und Erderwärmung erzählt. Starkregen, Hochwasser oder Waldbrände, wie man sie derzeit in Griechenland oder der Türkei erlebt, wären weitere. Laut des heute vorgestellten Weltklimaberichts des Weltklimarats (IPCC) wird der derzeit angestrebte Klimaschutz nicht reichen. Was da noch alles auf uns zukommen könnte, lesen Sie in Trippels Text „Wiesbaden wird wie Lugano“. Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |