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Wochenende Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Samstag, 18.01.2020 | Verhangen, aber überwiegend trocken bei maximal 7°C. | ||
+ SPD: Baustadtrat Florian Schmidt manipulierte Akten + Klarstellung: Stichtag für Altersbezüge + Anarchie in Marzahn-Hellersdorf + |
von Lorenz Maroldt |
Guten Morgen, für Michael Müller ist er ein „Mini-Robin-Hood“, für Monika Herrmann „mein leicht verrückter Baustadtrat“ – Florian Schmidt polarisiert das politische Berlin, er selbst gibt sich unerschütterlich. Doch seit gestern Abend bebt unter ihm der Boden: Die SPD-Fraktion der BVV Friedrichshain-Kreuzberg wirft dem Grünen-Politiker Aktenmanipulation vor – Schmidt habe dies in einer vertraulichen Sitzung sogar selbst zugegeben. Die CDU kündigt eine Strafanzeige wegen Urkundenfälschung sowie eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Schmidt an und fordert, ebenso wie die FDP, seinen sofortigen Rücktritt. Es geht, wie meistens zuletzt, um die Nutzung des Vorkaufsrechts zugunsten der Genossenschaft „Diese eG“. Hier zunächst die Erklärung der SPD, verbreitet am späten Abend: – „Am 10. Januar 2020 hat die SPD-Fraktion Akteneinsicht in die Vorgänge rund um das Vorkaufsrecht zugunsten der Diese eG genommen. Bei der Durchsicht entstand der Eindruck, dass die Akten trotz durchgehender Paginierung (vorgeschriebene Nummerierung) nicht vollständig sind. So fehlten beispielsweise zu erwartende Gesprächsvermerke und die fachlichen Bewertungen der zuständigen Ämter gänzlich.“ – „Darauf angesprochen, erklärte Florian Schmidt in einer gemeinsamen Fraktionssitzung von Bündnis 90 / Die Grünen, DIE LINKE und SPD am 13. Januar 2020, dass in den vorgelegten Akten nicht alles enthalten sei. Als Begründung verwies Schmidt darauf, dass er verhindern wollte, dass die Inhalte von Akten von CDU und FDP instrumentalisiert und von einem Redakteur des Tagesspiegels zur politischen Agitation genutzt werden. Über den Inhalt der Sitzung war Vertraulichkeit vereinbart worden.“ – „Vertraulichkeit ist ein hohes Gut unter politischen Kooperationspartnern, aber an dieser Stelle können wir nicht schweigen. Unabhängig von der dienst- und strafrechtlichen Bewertung hat Florian Schmidt die Mitglieder der SPD-Fraktion in diesem Rahmen zu Kompliz*innen bei der Aushöhlung demokratischer und rechtsstaatlicher Kontrollrechte zu machen versucht.“ – „Wir fordern Florian Schmidt auf, unverzüglich die vollständigen Akten allen Mitgliedern der BVV zugänglich zu machen. Zur Wiederherstellung des politischen Vertrauens hat er die Vollständigkeit der Akten eidesstattlich zu versichern. Kommt er dem nicht bis 27. Januar 2020, 12 Uhr, nach, ist sein Rücktritt unvermeidlich.“ Noch am Morgen hatte Schmidt sich bei mir per SMS gemeldet, Anlass für ihn war eine Checkpoint-Meldung. Darin hieß es, die Strategie in Bezug auf die „Diese eG“ sei gescheitert, der Baustadtrat habe sich „mächtig verpokert“. Schmidt hielt dagegen, sprach von „Desinformation“ und „Meinungsmache“: 169 Wohnungen seien gerettet worden, „350 Menschen haben ein sicheres Zuhause“. Ich schlug ihm ein Interview für die nächste Checkpoint-Ausgabe vor, Schmidt sagte zu. Von den Vorwürfen der SPD war da noch keine Rede. Acht Minuten später, um 9.18 Uhr, ging eine Mail vom Büro des Stadtrats an die „sehr geehrte SPD-Fraktion“ raus, der Inhalt: – „Ihr Eindruck, den Sie durch die Äußerungen von Florian Schmidt bestätigt sahen, trügt. Tatsächlich verhält es sich so: Zu dem Grundstück Rigaer Straße 101 wurde eine Akte zu dem Komplex „Freistellung Bezirk gegenüber „Am Ostseeplatz“ eG“ im Zusammenhang mit der notariellen Nachbeurkundung vom 23.12.2019 angelegt.“ – „Diese Akte wurde noch nicht vorgelegt, weil es sich um einen noch laufenden Vorgang mit einer elektronisch geführten Kommunikation handelt und aufgrund begrenzter Arbeitskapazitäten bislang nicht komplett ausgedruckt und daraufhin geprüft werden konnte, ob und inwieweit schutzwürdige Belange Dritter oder ein dringendes öffentliches Interesse gem. § 11 Abs. 2 BezVG tangiert werden könnten. Sobald dies abgeschlossen ist, kann die Akte eingesehen werden. Wir gehen davon aus, dass eine Akteneinsicht in der 5. KW möglich ist.“ – „Darüber hinaus wurden zwei übergeordnete Akten nicht zur Akteneinsicht bereitgestellt. Da sich die DIESE eG in einem laufenden Finanzierungsprozess befindet, stehen einer Akteneinsicht in diese Akten dringende öffentliche Interessen entgegen (§ 11 Abs. 2 Bezirksverwaltungsgesetz). Es ist nicht auszuschließen, dass eine Akteneinsicht dem Wohle des Landes Berlin und schützenswerten Belangen Dritter erhebliche Nachteile bereiten würde.“ –„Sobald der Finanzierungsprozess der DIESE eG abgeschlossen ist, können die Akten eingesehen werden. In beiden Fällen schützt das Bezirksamt mit der vorläufigen Zurückhaltung der Akten sowohl das Wohl und die Interessen des Landes Berlin, als auch die schützenswerten Interessen Dritter. Sobald die Prozesse abgeschlossen sind, wird das Bezirksamt den Verordneten der BVV Einsicht in die Akten gewähren.“ Die SPD überzeugte das offenbar nicht. Bei einem Treffen im weiteren Verlauf des gestrigen Tages beschloss sie, die Vertraulichkeit der gemeinsamen Fraktionssitzung vom 13. Januar zu brechen, eine Erklärung wurde vorbereitet, die Überschrift: „Baustadtrat Schmidt gibt Aktenmanipulation zu“. Die Mitteilung der SPD kam am Abend beim Checkpoint an, kurz nachdem die finale Autorisierung des Interviews mit Florian Schmidt zu Fragen des Vorkaufsrechts, Fehlern in der Kommunikation und seinen politischen Ambitionen gerade durch war – ohne eine Frage zu den Vorwürfen der Aktenmanipulation, denn die waren bis dahin noch nicht öffentlich bekannt. – Bei einem Telefonat bestätigte Hannah Sophie Lupper von der SPD-Fraktion des Bezirks, dass für sie eine Manipulation der Akten bei der Einsicht am 10. Januar offensichtlich gewesen sei: Obwohl die Seiten lückenlos durchnummeriert waren, fehlten inhaltliche Bezüge und Anmerkungen. Sie könne es nicht vertreten, ein solches Vorgehen zu decken: „Akteneinsicht ist eines der wichtigsten demokratischen Kontrollrechte der BVV“, das gelte auch für die Opposition. Die bedenkenlose Erklärung von Schmidt in der vertraulichen Sitzung vom 13. Januar, dass Seiten herausgenommen wurden, um eine Instrumentalisierung und „Agitation“ durch einen Tagesspiegel-Redakteur zu verhindern, habe bei allen drei Fraktionen zu betretenem Schwiegen geführt. Auch Schmidt bat ich um eine Stellungnahme, sie kam um 0.55 Uhr: – „Den Eindruck, den die SPD-Fraktion der BVV Friedrichshain-Kreuzberg durch meine Äußerungen in einer vertraulichen Sitzung am Montag hat, ist falsch. Die Veröffentlichung der SPD-Vorwürfe am Freitagabend erfolgte, nachdem die SPD-Fraktion bereits am Mittwoch mündlich und Freitagmorgen klarstellenden Informationen per E-Mail erhalten hatte. Die E-Mail stellt klar, dass verwaltungsrechtlich korrekt gehandelt wurde. Der Vorwurf der Manipulation ist haltlos.“ Das Interview mit Florian Schmidt finden Sie weiter unten (Abo-Fassung, Anmeldung hier). Darin erklärt der Baustadtrat u.a., – ob er die finanziellen Möglichkeiten der „Diese eG“ überschätzt hat – welche Fehler im bisherigen Prozess gemacht wurden – ob er private Genossenschaften oder landeseigene Gesellschaften präferiert – welche Wohnungs-Gesetze er gerne ändern würde – was er von der Bezeichnung „Mini-Robin-Hood“ hält – ob er sich den Job als Bürgermeister zutraut – welche Orte in Friedrichshain und Kreuzberg ihm die liebsten sind. | |||||
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Und hier noch eine Klarstellung: Ex-Senator Harald Wolf verlässt, wie im Checkpoint vom 16. Januar berichtet, zu Mitte Februar das Abgeordnetenaus, dem er von 1991 bis 2002 und dann wieder seit 2011 angehörte. Gemäß dem neuen Abgeordnetengesetz, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist und höhere Diäten vorsieht, hat Wolf Anspruch auch auf höhere Altersbezüge. Der Stichtag dafür ist allerdings nicht der Tag, an dem Gesetz in Kraft trat, wie im Checkpoint geschrieben und vom Parlamentspräsidium zunächst auch bestätigt wurde, sondern der Tag, an dem das Gesetz vom Parlament beschlossen wurde, und das war der 26. September 2019. Wolf hätte also auch dann vom 1. Januar an einen Anspruch auf zu verrechnende Altersbezüge in Höhe von 4026 Euro gehabt, wenn er bereits im Dezember aus dem Parlament ausgeschieden wäre. Nur wenn er sein Mandat vor dem 26. September niedergelegt hätte, wäre sein Anspruch auf Altersbezüge bei 2564 Euro geblieben. Gestern hat das Parlament seine Darstellung korrigiert, die im Widerspruch zu der Erklärung von Wolf stand, und das tun wir hier auch: Die Information, dass der Jahreswechsel entscheidend ist, war falsch. Für Verwirrung, Aufregung und Ärger bitten wir um Entschuldigung und wünschen Harald Wolf nach seinen vielen Jahren in Berlin einen guten Start in Hamburg, wo er sicher manches, wenn auch nicht alles, vermissen wird. Außerdem heute im Checkpoint für Abonnentinnen und Abonnenten (u.a.): + Warum Leander Haußmann wieder Kommunist werden will + Wieso Elfriede Jelinek zur Hausbesetzerin wird + Weshalb Philipp Lengsfeld von Gentrifizierung nichts mehr hören will + Ein berühmtes Berliner Gasthaus wird zum Nazi-Treff + Präsidentenaufmarsch im Kanzleramt + Schweinepestalarm auf der Grünen Woche + Die „German Toilet Organization“ kommt zum Schuleinsatz + Eine neue Mauer für Berlin + Trauerfeier für Domkantor Herbert Hildebrandt + „Jungfrau gesucht, Säge vorhanden“ – Kleinanzeigen im Knast + Anarchie in Marzahn-Hellersdorf – ein Bezirksamt liegt im Bett Zur Anmeldung für das Checkpoint-Abo geht’s hier – und wenn sie sich heute noch anmelden, profitieren Sie auch noch von unserer Aktion „3 für 3“: Drei Monate Checkpoint in der Vollversion mit allen Extras und exklusiven Nachrichten für nur drei Euro – da kannste nicht meckern! | |||||
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