VW schließt Uiguren-Werk | Häusliche Gewalt im Fokus
● Europa: Tag der neuen Köpfe |
● Israel: Tag der neuen Ängste |
● Deutschland: Tag der Krebsvorsorge |
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Liebe Leserin, Lieber Leser, die Ampel hat viel erreicht. Doch, doch. Vielleicht nicht unbedingt für Themen wie Wirtschaft und Arbeitsplätze. Aber gesellschaftspolitisch wurden 1A-Leuchttürme gesetzt: Legalisierung von Cannabis, Selbstbestimmungsgesetz, Bürgergeld ... Ein echter Höhepunkt wurde das „Deutschlandticket“, das die Grünen nun gern bis 2030 verlängern und garantieren würden. Wie begründet man so ein Ziel in der Politik? Man gibt eine Studie in Auftrag. In diesem Fall bat die Grünen-Bundestagsfraktion das „Zentrum für Nachhaltigen Tourismus“ (ZENAT). Und rubbeldikatz kam das gewünschte Resultat, dass mehr Deutschlandticket total gut wäre. Der ZENAT-Chef berät übrigens auch Robert Habecks Wirtschaftsministerium. Aber das nur am Rande. Das Deutschlandticket ist „viel zu teuer für den Staat und ohne echten Effekt auf Umwelt oder Verkehrsströme. Es kostet jedes Jahr Milliarden und entstand in einer Zeit, als man dachte, Geld sei unbegrenzt vorhanden.“ Das sage nicht ich, sondern André Schwämmlein, Chef des jungen Mobilitätsriesen Flix, den ich neulich in München traf. Bei Schwämmlein sind nicht nur die Busse grün. Der 43-Jährige ist seit seiner Jugend Mitglied der Grünen und saß für die Partei sogar sechs Jahre im Kreistag von Fürth. So einem klugen Kopf kann man mal zuhören, oder? Immerhin kostet das Deutschlandticket drei Milliarden Euro. Jährlich. Bund und Länder teilen sich die gigantische Summe bisher. Aber beiden wird es längst zu teuer. Der Preis des Deutschlandtickets soll deshalb ab Januar auf 58 Euro erhöht werden. Von aktuell 49. Natürlich gab’s dagegen sofort Proteste. Aber dass selbst diese Erhöhung nur einen Bruchteil der Kosten reinholt, lässt sich schnell ausrechnen angesichts von 13 Millionen Nutzern des Flatrate-Mobilitäts-Freibiers. |
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| Flix-Chef und Grünen-Mitglied André Schwämmlein hält nichts vom Deutschlandticket (© Florian Generotzky für FOCUS Magazin)
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Klar, die Leute lieben es. Aber der Segen ist ungleich verteilt: Während sich in den Städten viele nun ihre eh nötigen ÖPNV-Tickets halt vom Staat alimentieren lassen, kommt auf dem Land immer noch kein Bus an. Für den Ausbau der Infrastruktur dort ist wegen des Deutschlandtickets noch weniger Geld da. Das Projekt ist ein Geschenk für urbane Pendler. Mehr nicht. Die Mobilität hat zu-, die Autonutzung aber kaum abgenommen. Der Beitrag zum Klimaschutz ist mit „überschaubar“ schon euphorisch beschrieben. Das Projekt war also wie so vieles in der Ampel: nett gemeint, schlecht gemacht. Und nun? Für nächstes Jahr ist die Finanzierung schon beschlossen worden. Spätestens 2026 sollte man den Stecker ziehen, auch wenn das schwer wird, ahnt Schwämmlein: „Wer den Leuten einmal Freibier versprochen hat, kann das kaum mehr zurücknehmen.“ Sein Fazit: „Man hätte mehr auf Rahmenbedingungen setzen sollen statt auf irgendwelche Individual- Subventionen. Bei solchen Geldgeschenken werde ich immer skeptisch.“ Ach, Herr Schwämmlein, wollen Sie nicht mal in die Bundespolitik? Ende Februar wird da was frei. Verkehrsminister … mindestens. Wäre das nix? [email protected] |
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| EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (v. M.) am Mittwoch mit ihrer neuen Führungsriege (© dpa) |
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Neues Team: Das sind die wichtigsten EU-Kommissare |
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Das EU-Parlament hat gestern die künftige Kommission von Ursula von der Leyen bestätigt. Allerdings mit dem schlechtesten Ergebnis seit 30 Jahren. Nur 370 von 688 Abgeordneten stimmten für das Team aus 10 Frauen und 16 Männern. Das sind ab jetzt die wichtigsten Akteure in der Brüsseler Führung: Andrius Kubilius: Erstmals wird es einen europäischen Verteidigungskommissar geben. Der ehemalige litauische Ministerpräsident überwacht die europäische Rüstungsindustrie. Kaja Kallas: Als Chefdiplomatin wird die Estin an das Einstimmigkeitsprinzip der Union gebunden sein. Das schränkt ihre Handlungsfähigkeit ein, gerade bei zentralen Themen wie der Ukraine-Unterstützung. Maros Sefcovic: Der Slowake ist einer der erfahrensten Politiker im Team. Als Handelskommissar wird er gefragt sein, wenn die USA unter Donald Trump Zölle gegen EU-Produkte einführen sollte. Magnus Brunner: Der konservativer Österreicher wird Kommissar für Inneres. Damit überwacht Brunner die Umsetzung der im Frühjahr beschlossenen Asylreform und ist verantwortlich für den Schutz der EU-Außengrenzen. Raffaele Fitto: Der Italiener ist der umstrittenste Politiker in von der Leyens Kommission. Er gehört der ultrarechten Partei Fratelli d’Italia an und übernimmt das Ressort für Regionalförderung und Reformen. Damit ist er zukünftig für milliardenschwere Fördermitteltöpfe zuständig. |
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| Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu (© action press) |
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Waffenruhe im Libanon: Der Jubel bleibt aus |
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Die am Mittwoch begonnene Waffenruhe zwischen Israel und der schiitischen Hisbollahmiliz verpflichtet die israelische Armee, sich innerhalb von 60 Tagen aus dem Libanon zurückzuziehen. Dort soll parallel die Hisbollah entwaffnet werden und sich hinter den Fluss Litani zurückziehen, der den Libanon im Süden durchzieht. Der Plan sieht vor, dass danach ein dauerhafter Waffenstillstand beginnt. Die USA wollen sich für indirekte Verhandlungen zwischen Israel und Libanon einsetzen. In Israel stößt das von Regierungschef Benjamin Netanjahu unterzeichnete Abkommen allerdings auf große Skepsis. Es widerspricht den Grundsätzen der rechtsgerichteten Koalitionsparteien und vor allem den Wünschen der meisten Bürger im Norden. Sie weigern sich, in ihre Heimat zurückzukehren. Das Abkommen lasse viel Interpretationsspielraum und garantiere keine Sicherheit. Netanjahu vermittelt inzwischen den Eindruck, dass er vor allem Zeit gewinnen will, bis Donald Trump ins Weiße Haus einzieht. Vom künftigen US-Präsidenten erhofft er sich offenbar mehr Unterstützung. |
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| Einfahrt zum bisherigen VW-Werk in Urumqi (© dpa) |
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Auto I: VW zieht sich aus Uiguren-Region zurück – Investoren reagieren verhalten |
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VW hat ein umstrittenen Werk sowie eine Teststrecke in der von Uiguren bewohnten Region im Nordwesten Chinas verkauft. Der Standort in der Provinz Xinjiang steht seit Jahren in der Kritik. In einem Joint Venture mit dem chinesischen Staatskonzern SAIC in der Stadt Urumqi haben bislang rund 170 Mitarbeiter Neuwagen zur Auslieferung vorbereitet – trotz wiederkehrenden Berichten über Umerziehungslager, Zwangsarbeit und Menschenrechtsverletzungen. Der Konzern soll daher den Ausstieg schon länger geplant haben. Dem Finanzmarkt scheint das Thema aber weniger wichtig zu sein. So findet Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment in Frankfurt, zwar: „Der Rückzug ist konsequent und zu begrüßen. VW beendet damit die kontroversen Diskussionen.“ Das werde aber nichts daran ändern, dass man VW-Aktien vor zwei Jahren aus dem eigenen Nachhaltigkeitsfonds genommen hat, heißt es bei der Deka. Kritisch sieht man weiter unter anderem, dass Konzernchef Oliver Blume in Interessenkonflikte geraten könnte. Er ist nicht nur VW-CEO, sondern in Personalunion auch Chef von Porsche. |
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| Betriebsversammlung bei Ford in Köln (© Reuters) |
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Auto II: Ford-Betriebsrat bangt um den Standort Köln |
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Die Belegschaft des Autobauers Ford in Köln sieht angesichts der drastischen Jobabbau-Pläne die Zukunft des US-Unternehmens in Deutschland in Gefahr: „Das ist eine massive Standortgefährdung“, sagte Ford-Betriebsratschef Benjamin Gruschka gestern am Rande einer Betriebsversammlung. Die geplante Streichung von 2900 Arbeitsplätzen sei „brutal“ und „inakzeptabel“. Auch die IG Metall schlägt Alarm: „Wenn dieser Plan in die Tat umgesetzt wird, ist das die Zerlegung unseres Standorts“, sagte IG-Metall-Sprecher David Lüdtke und warnte vor einem „Sterben auf Raten". Ford hatte angesichts schleppender Absatzzahlen tiefe Einschnitte beim Personal an seinen europäischen Standorten angekündigt. Bis Ende 2027 sollen europaweit 4000 Stellen wegfallen, 2900 davon in Deutschland. |
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| Krebs-Untersuchung mit einem Magnetresonanz-Tomographen (MRT) (© dpa) |
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AOK wirbt für Hautkrebs-Vorsorge |
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Heute ist deutschlandweit Tag der Krebsvorsorge. Mit 200.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Hautkrebs inzwischen die häufigste Krebserkrankung in Deutschland – aber die Bereitschaft zur Vorsorge da zugleich am geringsten. Das ermittelte das Wissenschaftliche Institut der AOK. Die Zahl der Screenings ging zuletzt sogar um 2,8 Prozent zurück, obwohl die Untersuchung harmlos ist. Der Arzt schaut sich die Haut nur mit einer Lupe an. Einer der Gründe für die Skepsis: 25 Prozent der Befragten wussten nicht mal, dass es einen kostenlosen Check gibt, 20 Prozent war die Wartezeit auf einen Termin beim Arzt zu lang. Eine AOK-Sprecherin warnt: „Gerade im Hinblick auf die steigende Belastung durch UV-Strahlung sollte dieses kostenfreie Angebot der gesetzlichen Krankenkassen stärker wahrgenommen werden.“ Gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren können gegen Vorlage ihrer Gesundheitskarte alle zwei Jahre den Test machen lassen. |
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Umfrage: Häusliche Gewalt ist Alltagsphänomen |
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Eine große Mehrheit der Deutschen (86,9 Prozent) findet, dass von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung haben sollten. Das zeigt eine repräsentative Umfrage fürs Bundesfamilienministerium, die gestern veröffentlicht wurde. 63,4 Prozent der Befragten schätzen häusliche Gewalt als „alltägliches Phänomen in der Gesellschaft“ ein. 31,5 Prozent haben schon einmal erlebt, dass jemand aus dem persönlichen Umfeld Opfer wurde. Am Mittwoch hatte das Kabinett das Gewalthilfegesetz von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) beschlossen. Der Entwurf sieht unter anderem eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern auch durch den Bund vor. Die Kosten werden bis einschließlich 2036 auf 2,6 Milliarden Euro veranschlagt. Die FDP hatte dies stets aus Kostengründen abgelehnt. Um das Gesetz zu retten, wäre nun die Zustimmung der Unionsfraktion nötig. |
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Gewinner: Der US-Streamer Kai Cenat, 22, ist mit humoristischen Videos, die er Abonnenten gegen Geld zur Verfügung stellt, zum Star geworden. Nun hat er einen Weltrekord gebrochen. Auf der Plattform Twitch konkurrieren die Streamer untereinander, wer am Ende jedes Monats die meisten Abonnenten dazugewonnen hat. Vor einem Monat erst hatte die Streamerin „Ironmouse“ den jahrelangen Rekord mit 326.000 Abos gebrochen. Jetzt zog Cenat an ihr vorbei: Aktuell hat er über 567.000 neue Abos – zusätzlich zu seinen 45 Millionen, die ihn selbst längst zum Dollar-Millionär machen. | |
Verlierer: Schwere Zeiten für Robert Habeck, 55 – in neuesten Umfragen schaffen es die Grünen nur noch knapp auf ein zweistelliges Ergebnis. Im Netz wird ihr Kanzlerkandidat für seine Küchentisch-Kampagne verspottet. Am Dienstag trat Habeck ins nächste Fach-Fettnäpfchen: „Die Inflation sinkt, die Preise gehen runter“, sagte der Wirtschaftsminister auf seiner Industriekonferenz – obwohl eine sinkende Inflationsrate erst mal nur einen langsameren Preisanstieg bedeutet. | |
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… ein Geständnis von mir: Der tägliche Austausch mit Ihnen macht fast noch mehr Spaß als die Produktion unseres Briefings. Jede Woche gehen bei uns hunderte von Mails an. Und auch wenn ich nicht alle beantworten kann, lese ich sie doch mit größtem Interesse. Gestern kam zum Beispiel eine zauberhafte Mail von unserer Leserin Ute Hettler: „Ihre Kommentare gehören zu mir wie das tägliche Frühstück, ein schönes Ritual, man ist immer gut informiert. Vielen Dank dafür!“ Der Dank ist ganz meinerseits, liebe Frau Hettler. Wie übrigens auch an jene Leserin, die einen Fehler fand. Als ich diese Woche über die SPD schrieb, packte ich die Grünen-Politikerin Claudia Roth fälschlicherweise in den Topf der SPD-Fettnäpfchen-Talente. Wie peinlich! Aber wissen Sie was: Diesen Fehler werde ich Dank des freundlichen Hinweises schon mal nicht mehr machen. Hoffe ich. Wir müssen reden. Und uns auch zuhören. Nur so kommen wir weiter. Bleiben Sie uns also weiter als kritische Begleiter gewogen! | Herzlichst | | Thomas Tuma |
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