Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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20. Oktober 2024
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
der große französische Historiker Fernand Braudel, der eine Universalgeschichte des Mittelmeerraums verfasst hat, nannte die Migration eine zivilisatorische Unentbehrlichkeit. Ganz und gar entbehrlich dabei ist, dass die Migranten sich auf Todesrouten begeben müssen. 

Die Zivilgesellschaft und die Politik dürfen sich nicht einschüchtern lassen von denen, die Gift und Galle spritzen. Es gibt nach wie vor Zigtausende Menschen in Deutschland, die Flüchtlingen helfen - beim Deutschlernen, beim Umgang mit den Behörden, beim Fußfassen in diesem Land. Es gibt nach wie vor sehr viele Menschen, die „Ja“ zu den Flüchtlingen sagen. Darauf folgt zwar nicht selten, in verschiedener Größe, ein „Aber“. Die Größe dieses Abers hängt auch und vor allem davon ab, wie die Politik agiert. Sie agiert immer flüchtlingsfeindlicher – das Aber wird deshalb immer größer. Europa lebt aber nicht nur vom Euro. Es lebt von seinen Werten, von der Freiheit der Person, der Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz und der Freizügigkeit. Es lebt davon, dass es die Menschenwürde schützt. Diese Menschenwürde ist nicht aus Seife, sie nutzt sich nicht ab, nur weil es so viele sind, die sich auf sie berufen. Handeln wir so, wie wir selbst behandelt werden wollten, wenn wir Flüchtlinge wären.

Pushback in die Rechtlosigkeit
Vor ein paar Jahren waren es vor allem Leute wie der damalige italienische Innenminister Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega Nord und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, die mit brutal-populistischer Offenheit sagten, worum es ihnen bei der Flüchtlingspolitik geht: um „Menschenopfer“ zur Abschreckung. Salvini ist heute stellvertretender Ministerpräsident im Kabinett von Rechtsaußen-Regierungschefin Giorgia Meloni. Sie liegt auf der Linie der Flüchtlingsabschreckungspolitik von Salvini und Orbán, trägt diese nur etwas moderater vor. Sie lässt Flüchtlinge nach Albanien schaffen und die Asylverfahren dort abwickeln. Dergleichen Auslagerung gilt mittlerweile bei vielen von denen, die sich einst über Salvini und Orbán erregt haben, als Vorbild für ganz Europa – auch Auslagerung nach Afrika, nach Ruanda oder Uganda. Die neue Asylpolitik der EU handelt vom Lockdown der Menschlichkeit. Darüber schreibe ich in meinem heutigen SZ-Plus-Text: Europa „als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ steht nur noch auf dem Papier. Wir erleben einen Pushback in die Rechtlosigkeit: Salvini überall.
SZPlus Prantls Blick
Die neue Asylpolitik der EU besteht im Lockdown der Menschlichkeit
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Ich wünsche mir, ich wünsche uns eine Politik, die Recht, Sicherheit und Freiheit hochhält. Ich wünsche uns eine europäische Politik, für die wir uns nicht schämen müssen.

Ihr
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Eine Ohrenreise durch die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
Bert Brecht und Konrad Adenauer, Hildegard Knef (hier 1951 bei der Premiere "Die Sünderin" in Berlin) und Thomas Mann, Wilhelm Pieck und Billy Wilder, Willy Brandt und Christa Wolf, Martin Buber und Elisabeth Selbert und Giovanni Trapattoni und viele mehr. Ich möchte Ihnen heute Lust machen auf eine Ohrenreise durch die politischen und kulturellen Landschaften Deutschlands in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Meine Leseempfehlung ist diesmal eine Hörbuch-Empfehlung: Jahrhundertstimmen 1945-2000. Deutsche Geschichte in über 400 Originalaufnahmen. 

Archäologen graben im Staub, um Geschichte freizulegen. Die Herausgeber und Herausgeberinnen dieses umfangreichen Albums haben dazu in Tonarchiven gegraben und viele Schätze zutage gefördert. Hans Sarkowicz, vormals Programmleiter der Kulturwelle HR2 beim Hessischen Rundfunk, der Historiker Ulrich Herbert, Michael Krüger, Autor und viele Jahre Verlagsleiter der Carl Hanser Literaturverlage, die Publizistin Ines Geipel und die Kuratorin Christiane Collorio versammeln auf 4 CDs mit einer Laufzeit von fast 40 Stunden Stimmen, die die Jahrzehnte nach dem Krieg zunächst in beiden deutschen Staaten, dann im vereinigten Deutschland geprägt haben. 

Alle, die bedauern, hier diesmal keinen Lesetipp zu bekommen, seien auf das umfangreiche Begleitbuch verwiesen, das der Sammlung beiliegt, in sie einführt und, unterlegt mit einem sehenswerten Fotoreigen, eine Übersicht über die einzelnen Tondokumente gibt. Sehr zu Recht ist das Album bei der Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises 2024 als Sieger in der Kategorie „Das besondere Hörbuch“ geehrt worden. „Der jeweils individuelle Sound der Originalaufnahmen transportiert dabei eine Unmittelbarkeit und Wahrhaftigkeit, die weder Bücher noch Filmaufnahmen in dem gleichen Maße leisten können“, so die Jury.

Dieses Hörbuch ist übrigens schon der zweite Streich. Vorausgegangen war vor drei Jahren die Sammlung „Jahrhundertstimmen 1900-1945“, auf der man sich in 230 Originalaufnahmen die knisternden Stimmen der großen Persönlichkeiten der ersten Hälfte des Jahrhunderts anhören kann, das der Historiker Eric Hobsbawm das Zeitalter der Extreme genannt hat. Dieses Album ist mittlerweile über die Bundeszentrale für politische Bildung zu beziehen. 

Hans Sarkowicz u.a.: Jahrhundertstimmen. Deutsche Geschichte in über 400 Originalaufnahmen. Das Album ist 2023 im Hörverlag erschienen. Es kostet 65 Euro, ist aber bei verschiedenen Anbietern günstiger zu beziehen. Teile der Sammlung sind als sechsteilige Reihe auf HR2 Kultur gesendet worden und als Podcast in der ARD-Audiothek eingestellt.
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SZPlus
Mussolinissima
SZ-Feuilleton-Kollege Felix Stephan hat mit dem Kunsthistoriker Luciano Cheles (Foto oben) über die Sprache und die Codes der italienischen Faschisten geredet – auch über die antisemitischen Vorlieben der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Es ist dies ein Gespräch, es ist dies ein Text, der das faschistoide Gehabe Melonis entlarvt. Wer mit ihr herumscharwenzelt – wie es die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tut – sollte wissen, wem er da auf den Leim geht: Einer Frau, die auch gern mit Mussolinis Urenkel posiert. In diesem Licht verlor der Slogan des Gastlandes Italiens auf der Buchmesse in Frankfurt seine Unschuld: „Radici nel Futuro“ (Verwurzelt in der Zukunft).
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