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Sehr geehrte Damen und Herren,
Pia Heinemann
Pia Heinemann
Ressortleiterin Wissen
B 1.1.7 hat Europa kurz vor Weihnachten noch einmal durcheinandergewirbelt: Die in Großbritannien neu aufgetretene Variante des Coronavirus verbreitet sich offenbar 70 Prozent schneller als die bisher bekannten. Ein infektiöseres Virus bedeutet, dass mehr Leute erkranken, dass Kliniken noch stärker belastet werden, dass die Pandemie noch unkontrollierter abläuft. 
  
Aber wie groß ist die Gefahr für Festlandeuropa, für Deutschland wirklich? Ist B 1.1.7 hier bereits verbreitet, infizieren sich vielleicht schon Menschen damit? Und: Wird die Pandemie jetzt eine völlig neue Dynamik erfahren? 
 
In Deutschland weiß das niemand. Das ist die ebenso nüchterne wie erschreckende Erkenntnis. Zwar werden hierzulande tagtäglich tausende Proben von Infizierten mit einer PCR sequenziert, die nach den für Sars-CoV-2 charakteristischen Gensequenzen sucht. So kann schnell herausgefunden werden, ob ein Mensch das Virus in sich trägt.  Mit diesen Proben könnte auch herausgefunden werden, mit welcher Variante des Virus der Getestete infiziert ist. Experten müssten dazu nur Abstrichreste nutzen, und eine Voll-Genom-PCR durchführen, also alle der 30.000 Basen entschlüsseln, aus denen das Virus aufgebaut ist. Das ist dann etwas teurer – 100 Euro anstatt 20 Euro –, ist aber kaum mehr Aufwand.   

Doch offenbar interessiert sich in Deutschland kaum jemand für die kursierenden Varianten des Coronavirus. Ein Portal, in das Wissenschaftler solche vollständig entschlüsselten Genome des Virus eintragen können, listet für Deutschland gerade einmal 508. Zum Vergleich: In Großbritannien wurden bereits mehr als 200.000 Sequenzen eingetragen. 
 
Professor Jörg Timm leitet am Uniklinikum Düsseldorf das Institut für Virologie. Er gehört zu denen, die das Virus immer wieder vollständig sequenzieren, zum Beispiel bei kleinen Corona-Ausbrüchen in der Klinik, um mögliche Schwachstellen im Hygienekonzept zu finden. Etwa zehn Mal pro Woche passiert das derzeit, sagt er.   

In einem Forschungsprojekt überprüft er zudem Proben vom Gesundheitsamt, die bei normalen Corona-Tests angefallen sind. Bis zu 30 Vollsequenzen pro Woche kommen so zusammen. Das Ziel: Einen Überblick zu behalten, welche Virusvarianten in Düsseldorf gerade kursieren.  Er gehe davon aus, sagt Timm, dass Kollegen vieler Kliniken und Institute ähnlich vorgehen wie er. Nur: Diese Aktivitäten seien überwiegend nicht gut vernetzt, offenbar tragen auch nicht alle Forscher ihre Ergebnisse in die internationalen Genom-Datenbanken ein.  
 
Welche Varianten derzeit in Deutschland kursieren – und ob potenziell kritische Varianten wie B 1.1.7 darunter sind: keiner weiß es.  
 
Dabei hat jeder in den vergangenen Monaten gelernt, dass Wissen und Zeit die wichtigsten Faktoren in der Pandemie sind. Im Kampf gegen das Virus heißt es, Zeit zu gewinnen – damit nicht so viele Menschen erkranken und nicht so viele gleichzeitig in die Kliniken müssen. Und dazu muss man wissen, wo es ist – und was es macht. Ob es mutiert, sich schneller oder langsamer verbreitet. Ob es gefährlicher wird. Nur wer das Virus genau beobachtet, kann abschätzen, wie sich die Pandemie entwickeln wird. In Deutschland hielt das bislang wohl niemand für nötig.  

Was den Tag heute bestimmt, darüber berichtet für Sie aus dem WELT-Newsroom meine Kollegin Judith Mischke.
WAS HEUTE SCHLAGZEILEN MACHT
Schulden auf Höchstniveau
Quelle: picture alliance /dpa
Staatsschulden auf Rekordniveau

Durch die Corona-Krise sind die Staatsschulden auf ein Rekordniveau gestiegen: Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung einschließlich aller Extrahaushalte standen Ende September mit der Höchstsumme von 2195,1 Milliarden Euro in der Kreide, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das sind 15,6 Prozent oder 296,4 Milliarden Euro mehr als Ende 2019. „Der Anstieg ist im Wesentlichen in der Aufnahme finanzieller Mittel für Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise begründet“, erklärten die Statistiker. Verglichen mit anderen Ländern ist die Schuldenlast trotz des Rekordwerts vergleichsweise gering. Die Industriestaaten-Organisation OECD geht davon aus, dass die deutschen Staatsschulden in diesem Jahr bei rund 74 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) landen werden. In Frankreich dürfte dieser Wert bei 116 Prozent liegen, in Italien bei 160 Prozent und in den USA bei 128 Prozent.

Durchsuchung in Berliner Islamisten-Szene

Die Berliner Polizei hat am Dienstagmorgen die Wohnung einer mutmaßlich islamistischen Person in Berlin-Marzahn durchsucht. Die Person steht unter Verdacht, eine „schwere Straftat" vorbereitet zu haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich dabei um die Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags. Man habe die Person angetroffen. Gut 190 Polizisten waren im Einsatz. Der Berliner Senat hatte erst kürzlich erklärt, man müsse jederzeit damit rechnen, dass es wieder zu einem Anschlag in Berlin kommen könne. Es gebe eine „anhaltend hohe Gefährdungslage". Im Fokus der Behörden stehen unter anderem radikalisierte islamistische Einzeltäter.

Moskau verhängt Einreiseverbote gegen EU-Vertreter

Als Reaktion auf EU-Sanktionen im Zusammenhang mit dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat Russland Einreiseverbote für mehrere Vertreter aus EU-Mitgliedsstaaten verhängt. Das russische Außenministerium teilte mit, infolge dieser „konfrontativen“ EU-Maßnahmen habe es beschlossen, „die Liste von Vertretern von EU-Mitgliedstaaten zu verlängern, denen die Einreise in die Russische Föderation untersagt wird“. Die EU hatte im Oktober Sanktionen gegen russische Funktionäre verhängt, weil nach ihrer Einschätzung der Giftanschlag auf Nawalny nicht ohne das Wissen und die Genehmigung staatlicher Stellen hätte stattfinden können.
WORÜBER HEUTE DISKUTIERT WIRD
Lothar Wieler vom RKI
Quelle: Tobias Schwarz/Pool via REUTERS
„Auf uns kommen schwere Wochen zu, wir sollten sie nicht noch schwerer machen“ – mit diesen Worten wandte sich Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI, im Foto), heute an die Bevölkerung. Wielers Botschaft: Wer kann, sollte über die Feiertage zuhause bleiben und weiterhin die Kontakte reduzieren – denn Ärzte und Pflegekräfte seien am Limit. „Das Virus lebt von unseren Kontakten. Nur so kann es sich verbreiten, und wir verbreiten es gerade", mahnte der RKI-Chef.  

Ähnlich sehen das auch die Intensivmediziner: „Wir würden uns wünschen, dass die Menschen sich dieses Jahr auf sich selber zurückbesinnen, ein ganz ruhiges Weihnachtsfest im aller-, allerengsten Familienkreis feiern“, sagte Uwe Janssens, der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Denn in den Krankenhäusern zeichnet sich weiterhin keine Entspannung ab: Nach Angaben der DIVI wurden am Montag 5167 Corona-Patienten intensivmedizinisch behandelt – rund 500 mehr als in der Vorwoche. 2690 der Patienten wurden invasiv beatmet.

Auch die mutierte Coronavirus-Variante sorgt für Unruhe: Zwar könne man derzeit „die Bedeutung der Variante für das Pandemie-Geschehen noch nicht einschätzen“, so Wieler vom RKI. „Aber eines ist klar: Das Erbgut von Viren ändert sich kontinuierlich. Die Eigenschaften können sich ändern, zum Beispiel die Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch.“

Man gehe davon aus, dass der Corona-Impfstoff der Mainzer Firma BioNTech, der ab dem 27. Dezember verimpft werden soll, auch gegen die mutierte Variante wirke, so Wieler weiter. Der Chef von BioNTech, Ugur Sahin, erklärte dazu heute Vormittag: „Wir haben den Impfstoff bereits gegen circa zwanzig andere Virusvarianten mit anderen Mutationen getestet. Die Immunantwort, die durch unseren Impfstoff hervorgerufen wurde, hat stets alle Virusformen inaktiviert.“ Schon in zwei Wochen könne man mit weiteren wissenschaftlichen Daten rechnen.

Unterdessen hat die Bundesregierung die Einreisebeschränkungen wegen der neuen Virus-Variante verschärft: Die Passagierbeförderung aus Großbritannien, Nordirland und Südafrika ist per Flugzeug, Schiff, Bahn oder Bus verboten. Die Regeln gelten voraussichtlich bis zum 6. Januar.
WAS HEUTE NOCH WICHTIG WIRD
Boris Johnson steht unter Druck
Quelle:Tolga Akmen/Pool via AP
In Großbritannien steht Premierminister Boris Johnson (im Foto) zunehmend unter Druck: Auf der Insel werden die Rufe nach einem neuen landesweiten Lockdown lauter. Beobachter erwarten für heute Nachmittag eine Entscheidung. Bisher gilt ein harter Lockdown nur in einigen Regionen. Wissenschaftler fordern, diesen Lockdown auf das gesamte Land auszuweiten.
Zudem spitzt sich die Lage an der Grenze zu, da durch die Grenzschließungen- oder Einschränkungen der Nachbarländer der Güterverkehr lahmgelegt wurde. Am Montagabend sollen rund 1500 LKWs auf britischer Seite der Grenze im Stau gestanden haben. Laut des Senders BBC arbeiten Briten und Franzosen an einer Lösung, sodass zumindest der Güterverkehr ab morgen wieder durch den Eurotunnel oder über Fährverbindungen fließen kann.
ZITAT DES TAGES
Reiner Haseloff (CDU)
Quelle: WELT
Die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender über Ostdeutschland erinnere oft an „Auslandsreportagen“, kritisiert Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) im WELT-Interview. „Zwar gab es in letzter Zeit ein paar Schritte Richtung Osten, aber man merkt vielen Berichten an, dass die Autoren mit dem Osten fremdeln." Warum Haseloff das ändern möchte und welche Rolle der Rundfunkbeitrag spielt, das erfahren Sie im Interview auf welt.de.
 
Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag.

Pia Heinemann
Ressortleiterin Wissen
MEINE WELTPLUS-EMPFEHLUNGEN FÜR SIE
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BAHNCARD 100 STATT DIENSTWAGEN
In vielen Start-Ups und Tech-Konzernen ist es vollkommen normal, dass sich der Chef optisch kaum noch vom Praktikanten unterscheiden lässt.
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GUNNAR KAISER
„IM JAHR 2020 HABEN WIR EINE GROßE VERÄNDERUNG ERLEBT"
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