Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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1. Dezember 2024
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
erinnern Sie sich daran, welch polit-perverse Show der AfD-Abgeordnete Jürgen Treutler im September im Landtag von Erfurt abgezogen hat? Treutler war als ältester Abgeordneter nach der Neuwahl des Parlaments der Alterspräsident und Sitzungsleiter bei der Eröffnung der neuen Legislaturperiode. Er hat die Anfragen von Abgeordneten anderer Parteien missachtet. Er hat deren Wortmeldungen absichtlich übersehen. Er hat den Parlamentariern anderer Parteien das Wort entzogen. Er hat verhindert, dass überhaupt die Beschlussfähigkeit des Parlaments festgestellt wurde. Was Treutler damals veranstaltet hat, war eine offene parteipolitische Feldschlacht im Landtag.

Was immer die FDP an Tricksereien plant und geplant hat – sie darf sich nicht verleiten lassen, diese auch noch in eine solche für die Demokratie schädliche, in eine destruktive Metaphorik zu kleiden. Aber genau das hat sie getan: Sie hat über ihr Strategiepapier zur Beendigung der Ampelkoalition den Titel gesetzt: „D-Day Ablaufszenario und Maßnahmen“. Dort findet sich dann auch das Wort vom „Beginn der offenen Feldschlacht“.

Das Wort „D-Day“ steht im Englischen für den Beginn militärischer Operationen; und es steht in vielen Sprachen ganz speziell für den 6. Juni 1944, den Tag der Landung der alliierten Truppen in der Normandie im Zweiten Weltkrieg. Hätte die AfD ein solches Vokabular verwendet, um die Einflussnahme auf demokratische Abläufe zu planen und zu beschreiben – es wäre dies als bezeichnend für den Ungeist gewertet worden, der in dieser Partei herrscht. Es würde gesagt, dass schon solche Benennungen zeigen, wie weit sich die AfD von der Zivilität politischer Auseinandersetzungen entfernt. „Typisch AfD“ würde es heißen. Und: Es sei dies ein Exempel dafür, wie weit diese Partei von der Demokratie abgerückt und wie gefährlich sie sei.

Die Selbstgefälligkeit in Person

Die FDP ist nicht gefährlich; sie ist eine wichtige demokratische Partei mit langer Tradition; sie hat ihre großen Verdienste in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber sie präsentiert sich unter der Führung des Parteichefs Christian Lindner als unglaublich unreif. Ihr D-Day-Papier, das den Bruch der Ampelkoalition planen und inszenieren sollte, ist Ausdruck dieser Unreife - ganz gleich, ob es mit Lindners Kenntnis, mit seiner Billigung oder gar unter seiner Mitwirkung und in seinem Auftrag geschrieben und so tituliert wurde. Die FDP unter Führung von Lindner ist eine unreife Partei. Der Parteichef selbst ist die Personifizierung dieser Unreife und zwar schon deswegen, weil er selbst die politische Verantwortung für das D-Day-Papier leugnet und auf seine führenden Mitarbeiter abschiebt. Sein Habitus ist selbstgefällig und verantwortungslos.

Natürlich hatte die FDP das Recht, die Ampelkoalition zu verlassen und dies möglichst so zu begründen, dass sie damit politische Punkte sammelt. Aber sie hat nicht das Recht, dabei zu lügen und dann so zu tun, als gehöre die Lügerei zum politischen Geschäft. Wer das tut, ist halbseiden. Wer so agiert, ist windig. Die Lindner-FDP steht im dringenden Verdacht der Windigkeit. Sie braucht einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende, der oder die die demokratische Kraft und Tradition dieser Partei vor- und darstellen kann. Sie braucht einen Mann oder eine Frau an der Spitze, die für ernsthaft-seriöse Politik steht – und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. Dies wird ihr im Bundestagswahlkampf nicht schaden, sondern nutzen. Morgen, Leute wird’s was geben …
SZPlus Prantls Blick
Morgen, Leute, wird’s was geben
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Ich wünsche Ihnen, trotz aller Turbulenzen, einen guten Advent – einen Advent, der seinem Namen gerecht wird: Advent heißt Ankunft.
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Martin Luther King und die Spaltung der USA
Er war ein Nagelbeißer und verlässlicher Zuspätkommer. Er war ein Plagiator, der nichts dabei fand, große Teile seiner Doktorarbeit bei anderen abzuschreiben. Er war notorisch untreu und hatte mehrere außereheliche Affären parallel. Er war klein von Gestalt und seine Verächter nannten ihn „Loser“. Martin Luther King war kein makelloser Mensch, er war: ein Mensch. An ihm ist zu lernen, dass man zugleich heilig und profan, groß und klein, untreu und treu, vorbildlich und abstoßend, moralisch und liederlich sein kann. Auch wenn der Wunsch nach charakterlicher Reinheit groß ist - es gibt sie nicht, die Lichtgestalten, die keine Schatten werfen.

Jonathan Eig erweist dem Bürgerrechtler mit seiner kürzlich erschienenen Biografie, der ersten seit dreißig Jahren, einen guten Dienst und holt ihn vom Heiligensockel, auf den er gestellt wurde. Er löst den Weichzeichner auf, mit dem seine Person gefällig gemacht und domestiziert wurde. Martin Luther King bekommt die Statur und Kontur, die er hatte, die eines ganz und gar nicht perfekten Menschen und zugleich eines unermüdlichen Menschenrechtlers, eines radikalen Propheten, eines begnadeten Predigers, eines unbestechlichen Intellektuellen und eines unwiderstehlichen Menschenfreundes, dessen einzige Instanz im Leben sein Gott ist und niemand sonst. Gewaltlosigkeit war für Martin Luther King nicht Strategie, nicht Taktik, nicht Prinzip, nicht Schaufenstergebaren und nicht Mittel, um politisch etwas zu erreichen. Kings Pazifismus war tief in seiner Spiritualität verankert und daraus gewann er seine unglaubliche und ansteckende Furchtlosigkeit. Das war das Erfolgsgeheimnis der Bürgerrechtsbewegung.

So viel Gewalt; so viel Furchtlosigkeit

Jonathan Eig hat für seine jahrelange Recherche exorbitant viele Interviews mit noch lebenden Zeitzeugen geführt. Er hat sich auch hunderte Stunden die FBI-Mitschnitte und Abhörprotokolle angehört. Diese belegen nicht allein das ausschweifende Sexleben Martin Luther Kings. Sie belegen vor allem den bösartigen und exzessiven Abhöreifer, die bewussten Lügen und Durchstechereien, mit denen das FBI Martin Luther King überzogen hat, alles im Bestreben ihn und die Bürgerrechtsbewegung moralisch zu diskreditieren und ihnen kommunistische Beeinflussung anzudichten. Man zieht den Hut vor einer Presse, die sich damals verweigerte mitzumachen, die durchgestochenen intimen Details über King öffentlich auf den Markt zu werfen.

Jonathan Eigs mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnetes siebenhundert Seiten starkes Werk erzählt nicht allein vom Leben des Bürgerrechtlers, einem Leben in steter Todesgefahr, und von der Bewegung, die sich hinter ihm versammelte. Es erzählt auch drastisch vom gewalttätigen und tief in die US-Gesellschaft eingewobenen Rassismus.  Man liest und es dämmert einem, dass die gegenwärtige Spaltung der USA hier ihre tiefen Wurzeln hat. Man liest und will dieses fesselnde Buch am liebsten in einem Zug durchlesen und legt es zugleich immer wieder erschüttert aus der Hand, sinnt nach, kann es nicht fassen. So viel Gewalt. So viel Furchtlosigkeit.

Jonathan Eig:  Martin Luther King. Ein Leben. Das Buch ist in diesem Jahr in der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen. Das Buch hat 752 Seiten und kostet 34 Euro.
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Wir bitten, die Verspätung zu entschuldigen
Das ist ein spektakulär langer, ein spektakulär informativer und ein spektakulär spannender Text: Die Kolleginnen Vivien Timmler und Gianna Niewel schreiben über die Deutsche Bahn und über die Milliarden-Versuche, deren Ruf und die Infrastruktur auf der Schiene zu retten. Der Text handelt vom Beginn der Generalsanierung der Bahn – 74 Kilometer, 20 Bahnhöfe, eine Baustelle. Beginnt so „die Trendwende für einen Konzern, den die Deutschen wahlweise lieben oder hassen wie kaum einen zweiten“?. Timmler und Niewel loten das aus im Buch Zwei der SZ vom Wochenende.
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