Deutschland will US-Raketensystem Typhon
● Neuer Koalitionskrach naht |
● EU bereitet Zoll-Krieg vor |
● Kundennähe bei der Bahn |
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Liebe Leserin, lieber Leser, kennen Sie das Prinzip der elastischen Verformung? In der Physik bedeutet es, dass ein Körper nach Belastung wieder in seinen Ursprungszustand zurückkehrt. Im Alltag sind das Gummibänder, Stoßdämpfer, Flummis – und das deutsche Behördenwesen. Ja, es wird reformiert, transformiert, modernisiert. Doch am Ende bleibt – garantiert – alles wie es war. Denn der unverwüstliche Dreiklang lautet: Hamwa schon immer so gemacht. Hamwa noch nie so gemacht. Mir doch egal, wer unter mir Minister ist (Minister ersetzbar durch jede andere Funktion mit Veränderungsauftrag). In Konzernen gilt derselbe Dreiklang – nur sorgt dort der Markt für Druck. Wer sich nicht bewegt, verschwindet. Die Verwaltung? Verschwindet nie. Und das weiß sie. Warum das Thema? Gestern stellte die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ ihren Abschlussbericht vor. Wir hatten im FOCUS Briefing schon über den Zwischenbericht informiert – einige Punkte daraus fanden Eingang in die Koalitionspläne. Neu ist nun etwa die Empfehlung: „Dem demokratiegefährdenden Einfluss sozialer Medien ist entgegenzuwirken.“ |
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| Gestern in Berlin: Peer Steinbrück (v.l.n.r.), Julia Jäkel, Thomas de Maizière und Andreas Voßkuhle mit dem Abschlussbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ (© dpa) |
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Vor allem aber, so Ex-Verfassungsrichter Andreas Voßkuhle, brauche es „Umbauten im Maschinenraum des Staates“, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in dessen Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Erfolge müssten noch in dieser Legislatur sichtbar sein, sonst nehme „unsere Demokratie Schaden.“ Die Reformvorschläge zielen auf vollzugsorientierte Gesetze, gelockerten Datenschutz, besseren Datenaustausch, klare Zuständigkeiten, nationale statt föderale Digitalisierung, Transparenz, weniger Mitsprache-Ebenen und mehr Vertrauen in die Bürger. Thomas de Maizière betonte: Die meisten Vorschläge betreffen nicht die Bürger, „sondern wir verlangen die meiste Veränderung von den Entscheidern und den Verwaltungen selbst. Da sind auch wahrscheinlich die wirksamsten Widerstände zu erwarten – weniger offen als vielmehr listig.“ Das Prinzip der elastischen Verformung, mit anderen Worten. Und der langjährige Minister weiß, wovon er spricht, nach 35 Jahren Staatsdienst. Diese Beharrungskräfte werden am schwersten zu überwinden sein. Mir fällt da die Baubehörde ein, die Bauanträge plötzlich binnen zwölf Wochen bescheiden sollte. Elastische Lösung: Der Eingangsstempel lässt sich seither einfach mehr Zeit. Haben Sie ähnliche Erlebnisse – als Bürger oder Beamte? Schreiben Sie uns. Wir sammeln fürs Sommerloch: [email protected]* |
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Das Bundesverfassungsgericht will heute sein Urteil zu einer Verfassungsbeschwerde gegen die Nutzung der US-Air-Base Ramstein für Drohneneinsätze im Ausland verkünden. Die Beschwerdeführer sind zwei Jemeniten, deren Verwandte 2012 bei einem US-Drohneneinsatz in ihrer Heimat getötet wurden. Unionsfraktionschef Jens Spahn hat Fehler im Umgang mit der geplatzten Richterwahl im Bundestag eingeräumt. In einem Brief an seine Fraktion spricht er von einem schweren Tag für die Koalition. Da gebe es nichts schönzureden. Eine Staatskrise sei eine vertagte Richterwahl jedoch nicht. Er zeigt sich überzeugt, mit dem Koalitionspartner SPD zu einer Lösung zu kommen. | |
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| Erster Kurz-Besuch in Washington seit Amtsantritt der Trump-Regierung: Boris Pistorius beim Treffen mit Pete Hegseth im Pentagon. Jetzt ist er bereits auf dem Rückflug (© dpa) |
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US-Besuch | Pistorius erwägt Kauf von US-Raketensystem Typhon | Deutschland hat offiziell das Verfahren zur Beschaffung der Mittelstreckenwaffe Typhon eingeleitet, mit denen Ziele in 2000 Kilometern Entfernung getroffen werden können – also auch in Russland. „Deutschland kann damit seine eigene Verteidigungsfähigkeit deutlich steigern, auch seine Abschreckungsfähigkeit, auch die Europas", sagte der Verteidigungsminister Boris Pistorius gestern nach dem Treffen mit seinem Amtskollegen Pete Hegseth in Washington. Über solche Waffen verfügt die Bundeswehr bisher noch nicht. Entsprechende europäische Systeme sind in der Entwicklung und nach Angaben des SPD-Politikers frühestens in sieben bis zehn Jahren verfügbar. Die Typhon-Raketenwerfer sollen für die Übergangszeit angeschafft werden. Die USA müssen dem Kauf noch zustimmen. Im Hinblick auf die Ukraine will Deutschland den USA zwei Patriot-Luftverteidigungssysteme im Wert von zwei Milliarden Euro abkaufen, um sie Kiew für den Abwehrkampf gegen Russland zu geben. Norwegen soll ein weiteres finanzieren. Dass europäische Länder die Kosten tragen, begründete Pistorius in den „Tagesthemen“ mit den Worten: „Mir ist lieber, die Vereinigten Staaten sind drinnen statt draußen, weil sie Produktionskapazitäten haben, die wir nicht haben.“ US-Präsident Donald Trump hatte kurz zuvor die Tonlage gegenüber dem Kreml deutlich verschärft. Er drohte den Handelspartnern Russlands mit Strafzöllen von 100 Prozent, falls es im Ukraine-Krieg in den nächsten 50 Tagen keinen „Deal“ gebe. |
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| Fast 52 Milliarden Euro plant die Sozialministerin dieses Jahr fürs Bürgergeld ein. Der Kanzler sagt: „Geringere Sätze sind möglich“, doch die SPD blockt (© Reuters) |
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Bürgergeld | SPD nennt Merz-Vorschläge „unausgereift” | Aus der SPD hagelt es Kritik an der Forderung von Friedrich Merz, Wohnkosten für Bürgergeldempfänger zu deckeln. „Die Vorschläge von Friedrich Merz sind unausgereift und lenken vom eigentlichen Problem ab“, sagte Rasha Nasr, stellvertretende arbeitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dem FOCUS. „Die Mieten in vielen Städten sind nicht deshalb zu hoch, weil Bürgergeldbeziehende oder Wohngeldempfänger sie zahlen – sie sind zu hoch, weil bezahlbarer Wohnraum fehlt.“ Durch Kürzungen beim Bürgergeld verschärfe man soziale Ungleichheit. Stattdessen solle man auf schnelleren Wohnungsbau und die Mietpreisbremse setzen. SPD-Vizefraktionschefin Dagmar Schmidt nennt die Vorschläge von Merz „wenig ausgegoren“. Leistungskürzungen werde es mit der SPD nicht geben. „Schon heute sind die Wohnungsgrößen für Bürgergeldempfänger begrenzt. Und Wohnungen für Normalverdiener werden nicht günstiger, indem man Bürgergeldempfängern die Unterstützung streicht.“ Merz hatte am Sonntag im ARD-Sommerinterview Einsparungen beim Bürgergeld angemahnt. (ak, jcw) |
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| Fraktionschef auf Zeit | Spahns Debakel – oder alles eine Frage des Vertrauens… | Wolfgang Schäuble, Volker Kauder, Angela Merkel – die Unionsfraktion hatte immer starke Persönlichkeiten an ihrer Spitze. Jens Spahn hatte viel Zeit, von ihnen zu lernen. Nun ist er ein Fraktionschef auf Bewährung. | Zum FOCUS+ Artikel |
| | Psychologie | Die verblüffende Macht der Freundlichkeit | Forscher erkennen, wie gut es tut, wohlwollend, zugewandt, hilfsbereit zu sein. Aber lässt sich das erlernen? Welche Vorteile bringt sie? Ist schlechte Laune abstellbar? Eine Suche, die Antworten liefert, wie Freundlichkeit auf Körper und Psyche wirkt. | Zum FOCUS+ Artikel |
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| Schwer enttäuscht von Donald Trump: EU-Handelskommissar Maros Sefcovic aus der Slowakei (© dpa) |
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„Handelsverbot“ | Zollstreit: EU ist sauer auf Trump – und erhöht den Einsatz | Nach den neuen Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump bereitet die EU zusätzliche Gegenzölle auf US-Importe im Volumen von 72 Milliarden Euro vor. Das kündigte der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic nach einem Treffen der EU-Handelsminister gestern in Brüssel an. Ursprünglich umfasste die Liste US-Importe im Wert von 95 Milliarden Euro, wurde dann aber bereinigt. Sefcovic zeigte sich enttäuscht über die jüngsten Drohungen des US-Präsidenten. „Wir haben wochenlang über eine Grundsatzvereinbarung verhandelt, und ich denke, wir waren fast am Ziel“, sagte er. Trumps Ankündigung bringe nun „eine völlig andere Dynamik“. Zugleich warnte Sefcovic vor Folgen für den transatlantischen Handel. „Seien wir ehrlich: Ein Zollsatz von 30 Prozent käme einem faktischen Handelsverbot gleich.“ Es mehren sich die Stimmen in Brüssel, nicht nur US-Waren, sondern auch die digitalen Leistungen der Tech-Konzerne ins Visier zu nehmen. |
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| Der ID.Buzz hat VW in den USA zuletzt viel Ärger eingetragen (© Volkswagen AG) |
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Nach Verkaufsstopp | VW lässt den ID.Buzz in den USA wieder rollen | Volkswagen liefert seinen in den USA zuletzt auf Eis gelegten Elektro-Kleinbus ID.Buzz wieder aus. „Der Verkaufsstopp wurde aufgehoben“, sagte ein Sprecher von Volkswagen Nutzfahrzeuge dem FOCUS. Der Elektro-Bulli musste im April auf Weisung der US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA wegen Sicherheitsbedenken zurückgerufen werden. Die Aufseher bemängelten, dass oft drei Passagiere die breite hintere Rückbank nutzten, dort aber nur zwei Sicherheitsgurte seien. Im Mai setzte VW den Verkauf daher aus – trat aber der Annahme entgegen, der Schritt beruhe auf US-Strafzöllen. Nun sei eine „Reparaturmaßnahme für den ID.Buzz verfügbar“, so VW. Sie trennt die Sitze „optisch klarer“, auch mit Kunststoffteilen dazwischen. Damit können sich Passagiere nicht mehr in die Mitte setzen. Der ID.Buzz ist seit 2022 auf dem Markt, Ende 2024 folgte die US-Premiere. VW zufolge wurden im ersten Halbjahr weltweit 27.600 E-Bullis ausgeliefert, gut 70 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. In den USA habe man rund 3.800 Fahrzeuge verkauft. Damit dürfte Europas größter Autobauer kaum zufrieden sein. Das Modell sei „schlicht zu teuer“, monieren Kritiker. Gut ausgestattet kostet es schnell mehr als 65.000 Dollar. (utz) |
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768.000 Stellen könnten 2028 nicht mit ausreichend qualifizierten Fachkräften besetzt werden, warnt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie. Im Vorjahr lag die Lücke noch bei 487.000. Damit dürfte sich der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren deutlich verschärfen. Hauptgrund für die Entwicklung sei laut IW der demografische Wandel. |
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| Mr. Burns, Atomkraftwerk-Besitzer bei den „Simpsons“, gilt nicht als guter Boss. Warum der treue Assistent Smithers dennoch an seinem dominanten Führungsstil hängt – das könnte eine neue Studie verraten (© imago) |
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Psychologie | Aggressives Führungsverhalten – Stärke oder Schwäche? | Menschen, die die Welt als wettbewerbsorientierten Dschungel empfinden, neigen deutlich stärker dazu, rücksichtslos auftretende Chefs als kompetent und durchsetzungsstark zu bewerten. Wer hingegen an eine wohlwollende, kooperative Gesellschaft glaubt, hält solche Führungskräfte eher für überfordert oder unqualifiziert. Das ergab eine Studie von Forschern der Columbia University in Manhattan, die das „Journal of Personality and Social Psychology“ veröffentlicht hat. Das persönliche Weltbild entscheide darüber, ob man Chefs ein aggressives Vorgehen verzeiht, es sogar anerkennt, oder ob man es als „widerwärtig, ineffektiv oder naiv“ betrachtet, erklärt Co-Autor Daniel Ames. Mit seiner Kollegin Christine Nguyen führte der Sozialpsychologe Experimente mit mehr als 2.000 Teilnehmern durch. Dabei ging es um hypothetische Manager, fiktive Arbeitsumfelder mit hart auftretenden Vorgesetzten sowie um reale CEOs wie Tim Cook (Apple) oder Mary Barra (General Motors). |
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Zwölf Tage war sie im australischen Outback vermisst – jetzt hat sich Carolina Wilga, 26, vom Krankenhaus in Perth aus an allen Helfer gewandt: Sie bedanke sich „aus tiefster Seele“ bei der Polizei, den Suchtrupps, beim deutschen Konsulat, den Krankenschwestern, allen Menschen auf der Welt, die an sie gedacht haben und natürlich bei „meinem Engel Tania“ – der Passantin, die die deutsche Backpackerin an einem Pfad in der Wildnis entdeckt und im Auto in den nächsten Ort mitgenommen hatte. |
| Insolvenzverschleppung, Betrug, vorsätzlicher Bankrott: Das Landgericht München I hat Alfons Schuhbeck, 76, vier Jahre und drei Monate Haft aufgebrummt (die frühere Strafe wegen Steuerhinterziehung eingerechnet). Richter Uwe Habereder sagte, das Firmengeflecht sei dem Star-Koch über den Kopf gewachsen. Der bat alle um Entschuldigung, „die durch mich Probleme erfahren haben.“ Schuhbeck ist an Krebs erkrankt – seinen Anwälten zufolge unheilbar. Der Vollzug der Haftstrafe ist noch bis Mitte September ausgesetzt. |
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| Die Bahn warnt ausdrücklich davor, Gleise eigenmächtig zu betreten. „Das Aussteigen außerhalb von geplanten Zughalten ist schlichtweg lebensgefährlich“, so eine Sprecherin (© imago) |
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... beherrscht die Bahn auch Kundennähe: Am Wochenende stoppte der Urlaubsexpress 1849 von Hamburg nach Lörrach nachts in Nordhessen – rotes Signal. Eine schwedische Passagierin witterte einen längeren Halt (soll ja schon mal vorgekommen sein …), stieg aus und ging Gassi. Das Signal wurde grün, der Zug fuhr – Frau und Hund blieben im Nirgendwo zurück. Dann gleich zwei Wunder: Erst entdeckte sie ein späterer Zug, der an selber Stelle hielt, und nahm sie mit. Dann organisierte die Bahn sogar einen außerplanmäßigen Halt beider Züge in Fulda, wo die von ihrem Ehemann bereits Vermisste wieder zusteigen konnte. Fast ein Happy End, hätte dort nicht auch die Polizei mit einem Verfahren wegen unbefugten Aufenthalts im Gleisbett gewartet. In den Urlaub ging es dennoch. Herzliche Grüße | | Tanit Koch |
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Dieser Newsletter wurde erstellt von Host: Tanit Koch, Thomas Tuma; Chefredaktion: Georg Meck, Franziska Reich; Chef vom Dienst: Thomas Schmidtutz; Redaktion: Ruben Giuliano, Kurt-Martin Mayer, Janna Claudia Wolf; Produktion: Petra Vogt, Daniela Wiesemann |
*Wir behalten uns vor, die eine oder andere Leser-Mail, unter Umständen gekürzt, zeitnah auch im FOCUS Magazin zu publizieren. |
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