| | Die einzelnen News | | 1. | KG Berlin: Facebook-Scraping-Vorfälle begründen keinen automatischen DSGVO-Schadensersatzanspruch | Das KG Berlin hat sich der ganz überwiegenden Meinung der anderen Oberlandesgerichte angeschlossen und entschieden, dass bei Facebook-Scraping-Vorfällen kein Anspruch auf pauschalen Schadensersatz nach der DSGVO besteht (KG Berlin, Urt. v. 04.06.2024 - Az.: 21 U 3/24). Im Mittelpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung standen - wie üblich in diesen Fällen - die Scraping-Ereignisse auf der Plattform Facebook. Der Kläger verlangte hierbei Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO vom Betreiber des sozialen Netzwerks. Zu Unrecht, wie das KG Berlin nun urteilte. Denn ein Schaden sei nicht nachgewiesen: "Ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 (…) DSGVO scheitert jedenfalls daran, dass dem Kläger kein kausaler immaterieller Schaden entstanden ist. (…) Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung entschieden hat, muss ein auf diese Vorschrift gestützter Schadensersatzanspruch drei kumulative Voraussetzungen erfüllen: Es muss eine Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO erfolgt, der betroffenen Person ein (materieller oder immaterieller) Schaden entstanden und ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verarbeitung und diesem Schaden gegeben sein (…). Art. 82 Abs. 1 DSGVO verlangt zwar nicht, dass der geltend gemachte Schaden einen gewissen Grad an Erheblichkeit oder eine bestimmte Schwere erreicht hat (…). Daher kann zur Bejahung eines immateriellen Schadens bereits die begründete Befürchtung einer Person ausreichen, ihre personenbezogenen Daten könnten aufgrund eines eingetretenen Verstoßes gegen die DSGVO in Zukunft missbräuchlich von Dritten verwendet werden (…). Allerdings muss der Anspruchsteller zur Überzeugung des angerufenen nationalen Gerichts nachweisen, dass eine solche Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann (…)." Und weiter: "Diesen Nachweis zu erbringen, ist dem Kläger im vorliegenden Fall nicht gelungen. Er hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung zwar unter anderem dargetan, er sei um den Missbrauch seiner Daten besorgt gewesen, seitdem er etwa ab April 2021 E-Mails oder SMS mit betrügerischem Inhalt sowie Anrufe mit unbekannter Nummer erhalten habe, bei denen die Anrufer ihn von Beginn an mit seinem Namen angesprochen hätten. Zugleich ist aber in der mündlichen Berufungsverhandlung offenbar geworden, dass der technisch durchaus versiert auftretende Kläger trotz Kenntnis der Umstände des Scraping-Vorfalls die Such- und Sichtbarkeit seiner Daten auf der Plattform der Beklagten unbeschränkt gelassen und damit dem Zugriff Dritter (weiterhin) preisgegeben hat. Bei dieser Sachlage vermochte sich der Senat aber nicht die erforderliche Überzeugung zu verschaffen, dass dem sich derart sorglos verhaltenden Kläger überhaupt an der Vertraulichkeit und der Kontrolle seiner personenbezogenen Daten gelegen ist." | | | | 2. | OLG Dresden: Bereits eine Spam-E-Mail ist Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb | Bereits eine einzige Spam-E-Mail stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Empfängers dar und löst einen Unterlassungsanspruch aus (OLG Dresden, Beschl. v. 24.06.2024 - Az.: 4 U 168/24). Die Dresdner Richter hatten darüber u entscheiden, ob bereits eine einzelne elektronische Werbe-Nachricht einen Unterlassungsanspruch auslöst. Die Versenderin verteidigte sich u.a. damit, dass es sich um keine Massenmail gehandelt habe, sondern um den Hinweis auf konkrete, bestimmte Veranstaltung. Die Robenträger bejahten klar einen Rechtsverstoß. 1. Massenmail keine Voraussetzung für Unterlassungsanspruch "Ebenso ohne Erfolg bleibt der Einwand der Berufung, es habe sich nicht um eine massenhafte Versendung einer Werbeemail bspw. mittels Newsletter, sondern um eine auf einen konkreten Anlass – die Veranstaltung am 09.03.2023 - bezogene Sponsorenanfrage gehandelt, für deren Unterbindung keine weitere Maßnahme wie ein Widerspruch erforderlich gewesen sei, so dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien. Abgesehen davon, dass bei der Beklagten als Getränkelieferant Sponsorenanfragen häufig eingehen dürften, kann bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um massenhaft auftretende Werbung und welche Folgen diese nach sich zieht, nicht auf den Absender und dessen konkrete Handhabung des Einsatzes von Werbeemails abgestellt werden. Vielmehr ist für die Frage der Zulässigkeit nur der Empfänger und die bei ihm eintretenden Störungen des Betriebsablaufs maßgeblich sowie die Frage, welche Folgen eine Sanktionslosigkeit des Werbeemailversands für ihn hat. Gegenstand des Schutzes ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die geschäftliche Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers; es soll verhindert werden, dass dem Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren und mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden (…) Verhindert werden soll darüber hinaus, dass die belästigende Werbung zu einer Bindung von Ressourcen des Empfängers führt (…)." 2. Eine einzige Mail reicht für Rechtsverstoß aus: "Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, aus der vom Landgericht zitierten Rechtsprechung des BGH folge nicht, dass auch in der unverlangten einmaligen E-Mail-Versendung ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liegen könne. Vielmehr wird in der Entscheidung vom 20.05.2009 – I ZR 218/07 – ausdrücklich klargestellt: „In Rechtsprechung und Schrifttum ist die Frage umstritten, ob die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung an Gewerbetreibende einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Zum Teil wird ein rechtswidriger Eingriff in das geschützte Rechtsgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs jedenfalls bei einer einmaligen Zusendung einer E-Mail mit Werbung verneint (…). Die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums bejahen dagegen auch bei einer einmaligen E-Mail-Versendung eine entsprechende Rechtsverletzung (…). Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. ...“ Diese Auffassung hat der BGH auch nochmals mit Urteilen vom 12.09.2013 und vom 10.07. 2018 ( – I ZR 208/12 –, Rn. 15ff; – VI ZR 225/17 –, beide juris) bestätigt." | | | | 3. | OLG Düsseldorf: Schuldner eines Auskunftsanspruchs muss die Auskunft in elektronisch verwertbarer Form, z.B. als Excel-Datei, mitteilen | Der Schuldner eines Auskunftsanspruchs (hier: Auskunft aufgrund einer Patentverletzung) muss die Auskunft in elektronisch verwertbarer Form mitteilen, da dies den heutigen Gepflogenheiten im geschäftlichen Verkehr entspricht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.05.2024 - Az.: 2 U 67/23). Die Düsseldorfer Richter hatten zu entscheiden, in welcher Form ein Schuldner bestimmte Auskünfte zu erteilen hat. Im vorliegenden Fall ging es um Patentverletzungen. Die Richter entschieden, dass die Erklärung in elektronisch auswertbarer Form zu erfolgen hat: "Die Klägerin kann auch Auskunft und Rechnungslegung in elektronischer Form beanspruchen. Angesichts der weitgehenden Digitalisierung der Geschäftswelt kann der Gläubiger des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs regelmäßig vom Schuldner desselben verlangen, die Auskunft und Rechnungslegung in elektronisch auswertbarer Form zu erhalten." Und weiter: "Als elektronisch auswertbare Form ist hierbei eine Form zu verstehen, bei der die Daten von einem Computer unmittelbar ausgewertet werden können – also beispielsweise Microsoft Excel. Nicht genügend ist dagegen die Übermittlung von digitalisierten Fotos oder Scans schriftlicher Dokumente (außer im Rahmen der Belegvorlage; vgl. Senat, Urt. v. 25.06.2020 – I-2 U 54/19; Urt. v. 13.08.2020 – I- 2 U 52/19, GRUR-RS 2020, 49189 Rn. 95 – WC-Sitzgelenk II; Urt. v. 13.08.2020 – I-2 U 10/19, GRUR-RS 2020, 44647 Rn. 105 – Zündkerze; BeckOK PatR/Fricke, 31. Ed. 15.1.2024, PatG § 140b Rn. 26 m.w.N.). Es entspricht den heutigen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr, dass die entsprechenden Daten beim Schuldner bereits digital verfügbar sind. Dementsprechend ist es ihm regelmäßig möglich und zumutbar, dem Gläubiger dasjenige elektronische Element zu überlassen, das ohnehin die Basis einer Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Papierform bildet. Der Schuldner wird hierdurch offensichtlich nicht belastet und dem Gläubiger wird die Verwertung der Auskünfte zum Zwecke der weiteren Rechtsverfolgung entscheidend erleichtert. Liegen die entsprechenden Daten dem Schuldner ausnahmsweise nur in analoger Form vor, ist es ihm ein Leichtes, dies im Verletzungsprozess einzuwenden und seinen Einwand mit entsprechendem Sachvortrag zu untermauern. Unterbleibt dies, wie hier, besteht regelmäßig kein Grund, dem Gläubiger einen Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung in elektronischer Form zu versagen (Senat, Urt. v. 13.08.2020 – I-2 U 10/19, GRUR-RS 2020, 44647 Rn. 105 – Zündkerze; BeckOK PatR/Fricke, 31. Ed. 15.1.2024, PatG § 140b Rn. 26 m.w.N.; Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 1000)." | | | | 4. | OLG Frankfurt a.M.: Produktsicherheitsgesetz-Angaben müssen auf Produkt selbst angebracht werden, alleine auf Umverpackung nicht ausreichend | Die Pflichtangaben nach dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) müssen auf dem Produkt selbst angebracht werden, alleine auf der Umverpackung reicht dies nicht aus (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 13.02.2024 - Az.: 6 W 5/24). Die Parteien waren Mitbewerber und stellten beide Gaming-Stühl her. Die Beklagte bot einen Gaming-Stuhl an, der in Einzelteilen zur Selbstmontage geliefert wurde. Die Einzelteile des Stuhls wiesen keine ProdSG-Kennzeichnung des Herstellers auf, sondern diese war lediglich auf der Karton-Verpackung angebracht. Sie begründete dies damit, dass ein Hinweis auf den einzelnen, auseinander gebauten Teilen aufgrund des geringen Platzes nicht möglich sei. Das OLG Frankfurt a.M. entschied, dass eine solche Kennzeichnung nicht ausreichend sei. Die Pflichtangabe müsse direkt auf dem Produkt selbst erfolgen: "Entgegen der angefochtenen Entscheidung hat die Antragsgegnerin ihren Namen und ihre Kontaktanschrift nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 ProdSG unmittelbar auf dem Verbraucherprodukt anbringen müssen. Die mehrfach auf Etiketten auf der Verpackung bzw. dem Karton vorhandenen Angaben waren unzureichend. (a) Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 ProdSG ist nach zutreffender Ansicht der Antragstellerin eindeutig. Die Angaben nach Satz 1 Nr. 2 und 3 ProdSG sind danach auf dem Verbraucherprodukt oder, wenn dies nicht möglich ist, auf dessen Verpackung anzubringen. Insoweit ist (zu Recht) unstreitig, dass die Angaben ohne Weiteres auf einem der Einzelteile des von der Antragstellerin beanstandeten Gamingstuhls hätten angebracht werden können, etwa auf der Rückenlehne oder der Unterseite der Sitzfläche. Daneben hinaus sind Ausnahmen nach § 6 Abs. 1 Satz 3 ProdSG nur zulässig, wenn es vertretbar ist, diese Angaben wegzulassen, insbesondere, weil sie der Verbraucherin oder dem Verbraucher bereits bekannt sind, oder weil es mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, sie anzubringen. Ein solcher Sonderfall ist hier nicht substantiiert dargetan und auch nicht ersichtlich." | | | | 5. | OLG Köln: Lufthansa-AGB rechtswidrig: Nachzahlungspflicht bei Flugreisen unzulässig | Die AGB-Klausel der Lufthansa, wodurch eine nachträgliche Preiserhöhung möglich war, wenn ein Passagiere nicht alle Flüge in der gebuchten Reihenfolge antritt, ist rechtswidrig (OLG Köln, Urt. v. 07.06.2024 - Az.: 6 U 139/23). Beklagte war die Lufthansa AG. Gegenstand der Auseinandersetzung war eine AGB-Klausel, nach der der Flugpreis neu berechnet wurde, wenn ein Fluggast die Flugstrecken nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge benutzte. Die Klausel führte dazu, dass Fluggäste unter Umständen mehr bezahlen mussten, wenn sie einzelne Teilstrecken eines gebuchten Fluges nicht in Anspruch nahmen. Die Regelung lautete: "3.3.3. Sofern Sie sich für einen Tarif entschieden haben, der die Einhaltung einer festen Couponreihenfolge vorsieht, beachten Sie bitte, dass wenn Sie die Beförderung nicht auf allen oder nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge der einzelnen Teilstrecken bei ansonsten unveränderten Reisedaten antreten, wir den Flugpreis entsprechend Ihrer geänderten Streckenführung nachkalkulieren werden. Dabei wird der Flugpreis ermittelt, den Sie in Ihrer Preisgruppe am Tag Ihrer Buchung für Ihre tatsächliche Streckenführung zu entrichten gehabt hätten. Dieser kann höher oder niedriger sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis. War die von Ihnen ursprünglich gebuchte Preisgruppe für die geänderte Streckenführung am Tag der Buchung nicht verfügbar, wird für die Nachkalkulation die günstigste verfügbar gewesene Preisgruppe für Ihre geänderte Streckenführung zugrunde gelegt. Sofern am Tag der Buchung für Ihre geänderte Streckenführung ein höherer Flugpreis zu entrichten gewesen wäre, werden wir unter Anrechnung des bereits gezahlten Flugpreises die Differenz nacherheben. Bitte beachten Sie, dass wir die Beförderung davon abhängig machen können, dass Sie den Differenzbetrag gezahlt haben. Sollten Sie über ein nach den Tarifbedingungen erstattbares Ticket verfügen und noch keine Teilstrecke abgeflogen haben, steht es Ihnen frei, sich den Ticketpreis gemäß den Tarifbestimmungen erstatten zu lassen. Sie verlieren damit Ihren Beförderungsanspruch." Das OLG Köln bewertete diese Bestimmung als unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers und somit für rechtswidrig. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Kunde unverschuldet eine Teilstrecke habe nicht antreten können, z.B. aufgrund von höherer Gewalt. In solchen Fällen habe die Lufthansa kein berechtigtes Interesse an einer Nachkalkulation: "Die in der streitbefangenen Klausel vorgesehene generelle Nachzahlungspflicht geht zu weit. Sie benachteiligt entgegen den Geboten von Treu und Glauben die Kunden unangemessen, die gegen ihren Willen, z.B. durch höhere Gewalt gehindert sind, alle Teilstrecken abzufliegen. Insoweit ist die Klausel mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht mehr zu vereinbaren." Das OLG Köln hat die Revision zugelassen. | | | | 6. | LG Düsseldorf: Nachmalen von fremden Gemälden ist Urheberrechtsverletzung und begründet Schadensersatz-Anspruch | Die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat am Mittwoch, dem 14.08.2024, unter ihrer Vorsitzenden Jutta von Gregory dem Kläger Schadensersatz wegen des Kopierens von Kunstwerken zugesprochen. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer Urheberrechtsverletzung auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 26.000,- EUR in Anspruch. Er ist ein international tätiger und erfolgreicher Künstler und unter anderem Urheber der Gemälde „Burgundy Nights“, „Horizon“ und „Life Below Water“. Der Beklagte ist ebenfalls Künstler und fertigte nach den Motiven der vorgenannten Bilder des Klägers seinerseits Bilder an, welche er mit seinem eigenen Namen signierte und veräußerte. Er beruft sich darauf, lediglich Privatkopien angefertigt zu haben, wobei er sich zu Übungszwecken an dem Stil des Klägers orientiert habe. Mit Urteil vom 14.08.2024 hat die Kammer dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 26.000,- EUR zugesprochen. Die Kammer führt insoweit aus, dass der Beklagte die Urheberrechte des Klägers an den drei streitgegenständlichen Bildern in schuldhafter Weise verletzt habe. Denn dieser habe die Kunstwerke des Klägers ohne dessen Einwilligung kopiert und sodann verkauft sowie auf seinem Instagram-Kanal veröffentlicht. Dabei stimme der Gesamteindruck der Bearbeitungen des Beklagten mit den Originalen überein, eine eigene schöpferische Leistung des Beklagten sei nicht zu erkennen. Bei der Höhe des zuerkannten Schadensersatzanspruchs orientierte sich die Kammer an den hypothetisch zu beanspruchenden Lizenzgebühren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Beklagte kann gegen das Urteil Berufung einlegen, über welche das Oberlandesgericht Düsseldorf zu entscheiden hätte. Urt. v. 14.08.2024 - Az.: 12 O 156/24 Quelle: Pressemitteilung des LG Düsseldorf v. 14.08.2024 | | | | 7. | LG Hamburg: TUI Cruises darf nicht mit Aussage "dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb" werben | TUI Cruises darf nicht mit der Aussage "dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb" werben (LG Hamburg, Urt. v. 09.08.2024 - Az.: 315 O 9/24). Die Beklagte, TUI Cruises, war eines der führenden Kreuzfahrtunternehmen im deutschsprachigen Raum mit Sitz in Hamburg. Sie war ein Gemeinschaftsunternehmen der TUI AG und des US-Kreuzfahrtunternehmens Royal Caribbean Cruises Ltd. Auf ihrer Webseite warb sie mit der Aussage "2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)" - Nutzung von LNG für Dual-Use-Schiffe - Beschaffung und Nutzung von grünem Methanol und anderen E-Fuels - Ausschließlich Design und Bau von Net-zero-Neubauschiffen - Beginn des Ausstiegs aus fossilen Kraftstoffen - Nutzung von grünem Landstrom Es handelte sich um eine Timeline, mittels der die Beklagte ihre umweltbezogenen Aktivitäten in den Jahren 2025, 2030 und 2050 darstellte. Die Klägerin sah darin eine irreführende Werbung, da nur unzureichende Angaben dazu gemacht würden, wie das Unternehmen das erklärte Ziel erreichen wolle. Das LG Hamburg teilte diese Ansicht und verurteilte den Kreuzfahrt-Betreiber zu Unterlassung. 1. Unklare Aussagen über fossilem LNG: "Bei dem Passus „ 2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ handelt es sich um eine umweltbezogene Werbeaussage, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein gesteigertes Interesse und Aufklärungsbedürfnis über ihre Bedeutung und ihren Inhalt hervorruft, da sie keiner einheitlichen Interpretationsmöglichkeit für die angesprochenen Verkehrskreise zugänglich und damit mehrdeutig ist. (…) Dem aus ebenjener Unsicherheit erwachsenem Aufklärungsbedürfnis wird die Beklagte mit ihrem in der Roadmap dargestellten Maßnahmenbündel aus zweierlei Gründen nicht gerecht. aa) Einerseits trägt die Bezugnahme der Aussage „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero) “ auf die Maßnahme „Nutzung von LNG für Dual-Fuel-Schiffe“ nicht zur Aufklärung der Verkehrskreise bei, weil sie den irrtümlichen Eindruck erweckt, die Beklagte plane, im Jahr 2050 einen dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb trotz der weiteren Verwendung von fossilem LNG zu erreichen. Soweit die Beklagte einwendet, für den Verbraucher sei erkennbar, dass damit E-LNG gemeint sei, dringt sie damit nicht durch. Ein Hinweis auf die Nutzung von aus erneuerbarer Energie gewonnenes LNG fehlt. Ohne den Zusatz „E“ oder „Bio“ kann der Verbraucher nicht davon ausgehen, dass aus erneuerbarer Energie gewonnenes LNG gemeint sein soll. Unter dem Spiegelstrich „Nutzung von LNG für Dual- Fuel-Schiffe“ sind unter anderem „E-Fuels“ genannt, bei LNG fehlt jedoch der „E“-Zusatz. Auch aus der Angabe „z.B. grünes Methanol/LNG“ unter 2030 schließt der Verbraucher nicht, dass für das Jahr 2050 „grünes LNG“ gemeint ist, da der Zusatz „grünes“ dort gerade nicht aufgeführt ist. Vielmehr verstärkt das Vorhandensein der Zusätze „Bio“ oder „E“ an anderer Stelle im Maßnahmenkatalog den Eindruck, dass diese Zusätze bei LNG bewusst fehlen, da es sich um fossiles LNG handele." 2. Nicht eindeutige Verwendung des Begriffs “net-zero”: "Das Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise wird auch deshalb nicht befriedigt, weil Kompensationsmaßnahmen als wesentlicher Baustein zur Erreichung eines „dekarbonisierten“ Kreuzfahrtbetriebs ab dem Jahr 2050 gerade keine Erwähnung finden. Anders als die Beklagte meint, kommt sie allein mit dem Zusatz „net-zero“ dem gesteigerten Aufklärungsbedürfnis nicht nach. Der Begriff „net-zero“ ist nicht derart bekannt, dass der überwiegende Anteil der angesprochenen Verkehrskreise diesen als Hinweis darauf versteht, dass weitere Kompensationsmaßnahmen erforderlich sind. Auch der Hinweis unter der Roadmap: „Klimaneutralität ist ein Begriff, der eine Aktivität/einen Prozess/ein Produkt beschreibt, bei denen keine oder nur so viel Treibhausgase produziert werden, wie a) dadurch aus der Atmosphäre gezogen oder b) dadurch kompen¬siert werden. Dieser Ansatz wird auch als „Net-zero“ (Net-to-Null) bezeichnet“ trägt nicht zu einer entsprechenden Aufklärung bei. Im Gegenteil, danach wäre ein „Net-zero“-Kreuzahrtbetrieb nicht nur unter Berücksichtigung etwaiger Kompensationsmaßnahmen zu erreichen, sondern auch, wenn keine Treibhausgase mehr emittiert werden. Der dadurch möglicherweise entstehende Eindruck, dass ein „dekarbonisierter“ Kreuz¬fahrtbetrieb im Jahr 2050 ohne Kompensationsmaßnahmen auskommen wird, wird noch dadurch verstärkt, dass die Beklagte ab dem Jahr 2025 zunächst „freiwillige CO2- Kompensationen“ durchführen will, ab dem Jahr 2030 dann eine Reduzierung der CO2- Kompensationen plant und ab dem Jahr 2050 Kompensationsmaßnahmen gar keine Erwähnung finden." Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. | | | | 8. | VG Stuttgart: Stadt muss 2.000,- DSGVO-Schadensersatz für unerlaubte Veröffentlichung von Gesundheitsdaten bezahlen | Weil die Stellenausschreibung einer Behörde auch unerlaubt besondere personenbezogene Daten (hier: Gesundheitsdaten) enthielt, muss die zuständige Stadt einen Schadensersatz iHv. 2.000,- EUR nach Art. 82 DSGVO bezahlen (VG Stuttgart, Urt. v. 20.06.2024 - Az.: 14 K 870/22). Der Kläger war Beamter bei der Beklagten und erlitt einen Schlaganfall, sodass er seine Tätigkeit nicht weiter ausüben konnte. Die zuständige Behörde nahm daraufhin nachfolgende Stellenausschreibung vor: „Die Stadt P. mit ca. xx.xxx Einwohnern ist das östliche Eingangstor zur Region S. Die landschaftlich reizvolle Lage im N.- und F.-tal am Rande von S.-wald und xxx führt zu einem hohen Wohn- und Freizeitwert. P. verfügt über ein gut ausgebautes Kinderbetreuungsangebot, alle weiterführenden Schulen und ein attraktives Vereins- und Kulturleben. Aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens zur Untersuchung der Dienstfähigkeit des bisherigen Amtsinhabers hat der Gemeinderat der Stadt P. der Einleitung eines Verfahrens zur Versetzung in den Ruhestand wegen festgestellter Dienstunfähigkeit sowie der Wiederbesetzung der Amtsleiterstelle zugestimmt. Deshalb suchen wir eine/n neue/n Leiter/in des Hauptamts. Zum Hauptamt gehören die Sachgebiete (…) Die Stelle ist in Besoldungsgruppe A 13 ausgewiesen. Eine Einweisung in die Planstelle bzw. Beförderung kann erst nach Abschluss des Verfahrens zur Versetzung des bisherigen Amtsinhabers in den Ruhestand erfolgen. Bewerbungen mit aussagekräftigen Unterlagen bitten wir bis 13.07.2018 an die Stadtverwaltung P., Herrn Bürgermeister B., S.-straße xx, xxxxx P. zu richten.“ Der Kläger sah darin eine unerlaubte Veröffentlichung seiner Gesundheitsdaten und einen DSGVO-Verstoß. Er klagte auf Schadensersatz iHv. 20.000,- EUR. Das VG Stuttgart sah in dem Job-Text ebenfalls eine Datenschutzverletzung, sprach dem Kläger aber lediglich 2.000,- EUR zu. 1. Datenschutzverletzung: Ja Das Gericht stellte dem Grunde nach einen Rechtsverstoß fest: "Ein Verstoß gegen das Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO liegt jedoch in der Bezugnahme auf das Zurruhesetzungsverfahren des Klägers in der Stellenausschreibung der Beklagten. Soweit darin die „festgestellte Dienstunfähigkeit“ des Klägers erwähnt wird, handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 4 Nr. 15 DSGVO. Gesundheitsdaten sind nach Art. 4 Nr. 15 DSGVO personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen. Die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bzw. Dienstfähigkeit aus medizinischer bzw. psychologischer Sicht stellt ein Gesundheitsdatum in diesem Sinne dar (…), weil die Arbeitsfähigkeit auf dem Gesundheitszustand basiert. Mit der in der Stellenanzeige erwähnten Person des „bisherigen Amtsinhabers“ ist ersichtlich und für Dritte, selbst Außenstehende, ohne weiteres erkennbar der Kläger individualisiert. Es handelt sich auch um eine Datenverarbeitung durch den Verantwortlichen im Sinne von Art. 4 Nr. 2, 7 DSGVO. Wie sich aus der Information des Gemeinderats am 24.07.2018 ergibt, erfolgte die Verarbeitung durch den Verantwortlichen, also die Beklagte. Der Versand der Stellenanzeige an ca. 83 Empfänger stellt eine Verarbeitung dar, weil die Gesundheitsdaten (Dienstfähigkeit) gegenüber den Empfängern offengelegt wurden." Die Veröffentlichung war auch nicht sachlich gerechtfertigt: "Die Verarbeitung der Gesundheitsdaten war nicht nach Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO ausnahmsweise zulässig. Es fehlt an der darin vorausgesetzten Erforderlichkeit für die Wahrnehmung der Pflichten der Beklagten. Diese macht geltend, die Erwähnung des Zurruhesetzungsverfahrens sei erforderlich gewesen, um Bewerber sachgerecht darüber zu informieren, dass eine Einweisung in die Planstelle nicht sofort erfolgen könne und dass aufgrund des noch laufenden Verfahrens sogar mit einer Rückkehr des Klägers auf die Stelle gerechnet werden musste. Sie verweist insofern auf ihre beamtenrechtliche Fürsorgepflicht. Damit kann sie jedoch nicht durchdringen. Die Offenlegung der in einem Zurruhesetzungsverfahren amtsärztlich festgestellten Dienstunfähigkeit des Amtsinhabers (Klägers) war für die Stellenausschreibung nicht erforderlich im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO. Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit nach Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO verlangt eine Abwägung der Betroffenenrechte mit den rechtfertigenden Verarbeitungszwecken. In dieser Abwägung überwiegen die Rechte des Klägers. Die fehlende Erforderlichkeit folgt im Ausgangspunkt bereits daraus, dass es zur Information von Bewerbern genügt hätte, ohne Ausführungen zum Gesundheitszustand des Klägers zu erläutern, dass eine Einweisung in die Planstelle nicht unmittelbar erfolgen könne. Eine solche anlassbezogene Datenverarbeitung wäre – wie der Kläger auch selbst einräumt – wohl erforderlich und zulässig gewesen. Auch die zielgerichtete Information konkreter Bewerber wäre ausreichend gewesen. Das gilt umso mehr, weil es sich um ein rein internes Ausschreibungsverfahren handelte, bei dem eine große Zahl von Bewerbern nicht zu erwarten war. Hinzu kommt, dass das Zurruhesetzungsverfahren ohne erkennbare Notwendigkeit sogar an zwei Stellen in der Stellenausschreibung erwähnt wird und dass die Dienstunfähigkeit sich im Ergebnis nicht bestätigt hat." 2. Aber Schadensersatz nur iHv. 2.000,- EUR Der Kläger habe aber nur einen Anspruch auf 2.000,- EUR Schadensersatz und nicht - wie begehrt - auf 20.000,- EUR: "In der bisher zu Art. 82 DSGVO ergangenen Rechtsprechung werden für Datenschutzverstöße, die Gesundheitsdaten betreffen, in der Regel Entschädigungen zwischen 1.500 € und 2.000 € zugesprochen, weil es sich um besonders geschützte Daten handelt, die eine gewisse Schwere des Datenschutzverstoßes implizieren (vgl. m. Einzelnachweisen, Slizyk, beck-online.Schmerzensgeld, Stand 18. März 2024, Entscheidungen, Besondere Verletzungen und Verletzungsfolgen, Persönlichkeitsrechtsverletzung Datenschutz, Datenweiterleitung oder Datenverbreitung; z.B.: Versendung einer 100-seitigen Gesundheitsakte an Dritten: 2.000 €, OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2021 – I-16 U 275/20, Ls. 3, juris; Information über Arbeitsunfähigkeit: 1.500 €, LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 13.06.2019 - 5 Sa 438/18, juris; Weiterleitung von Gesundheitsdaten durch den Arbeitgeber entgegen Hinweises des Landesdatenschutzbeauftragten: 1.500 €, ArbG Dresden, Urteil vom 26.08.2020 – 13 Ca 1046/20, juris). Höhere Summen wurden – soweit ersichtlich – nur in besonders schwerwiegenden Fällen zugesprochen, wie der ungerechtfertigten Weitergabe sensibler Daten aus Arbeitsverhältnissen trotz heftigsten Widerspruchs (OLG Hamm Urteil vom 31.08.2021 – 9 U 56/20, juris mit Vorinstanz LG Bochum, Urteil vom 22.01.2020 – 2 O 186/19, juris). In weniger schwerwiegenden Fällen sind dagegen Entschädigungen im dreistelligen Bereich zugesprochen worden, insbesondere wenn keine Gesundheitsdaten betroffen sind (s. z.B. OLG Hamm Urteil vom 20.01.2023 - 11 U 88/22, juris – irrtümlicher Versand einer excel-Tabelle). Nach diesen Maßstäben ist der dem Kläger entstandene immaterielle Schaden vorliegend auf 2.500 € zu bemessen." Und: "Es liegt lediglich ein schädigendes Ereignis vor. Bei dem Versand der Stellenausschreibung handelt es sich um eine einzige Verarbeitungs- und damit Verletzungshandlung, auch wenn der Versand zeitgleich an mehrere Personen erfolgte. Für einen einheitlichen Verarbeitungsvorgang entsteht die Schadensersatzpflicht nur einmal (EuGH, Urteil vom 11.04.2024 – C-741/21, Rn. 63, juris). Weitere Verletzungsfolgen, etwa den Empfang unerwünschter E-Mails oder konkrete Herabwürdigungen aufgrund des publik gewordenen Gesundheitszustands hat der Kläger nicht geltend gemacht. Durch den Versand der Personalakten, der ohnehin keinen Verstoß gegen die DSGVO darstellt, ist dem Kläger kein Schaden entstanden, weil es durch das Berufsgeheimnis nach § 43a BRAO bereits an einem Kontrollverlust fehlt und die Verfahrensbevollmächtigten auch nach §§ 99, 100 VwGO Kenntnis von den Daten erhalten hätten. Bei der Preisgabe geschützter Daten in der Stellenausschreibung handelt es sich nach Überzeugung der Kammer um keinen ganz geringfügigen Verstoß. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Gesundheitsdaten des Klägers betroffen sind, die nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO besonders geschützt sind. Für eine höhere Entschädigung mindestens im vierstelligen Bereich spricht zudem, dass das Ergebnis eines laufenden dienstrechtlichen Verfahrens vorweggenommen und der Kläger gegenüber immerhin 83 Empfänger der E-Mail vom 05.07.2018 als dienstunfähig abgestempelt wurde, ohne dass sich die Dienstunfähigkeit letztlich bestätigt hat. Gegen einen besonders schwerwiegenden Verstoß spricht aber, dass die E-Mail lediglich intern an eine bestimmte Zahl von Empfängern versandt und – wie die Beklagte überzeugend vorgetragen hat – nicht extern weitergeleitet wurde. Alle Empfänger waren zudem als Amtsträger oder öffentlich Bedienstete zur Verschwiegenheit verpflichtet und über die Verpflichtungen nach der DSGVO belehrt worden." | | | | 9. | VG Wiesbaden: Inkassounternehmen idR. keine DSGVO-Auftragsverarbeiter, sondern eigene Verantwortliche | Inkassounternehmen sind in der Regel keine Auftragsverarbeiter, iSd. DSGVO, sondern vielmehr eigene Verantwortliche (VG Wiesbaden, Beschl. v. 13.05.2024 - Az.: 6 K 1306/22.WI). Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung hatte sich das Gericht mit der umstrittenen Frage zu beschäftigen, ob Inkassounternehmen Auftragsverarbeiter iSd. DSGVO sind oder nicht. Das VG Wiesbaden hat diese Frage bejaht: "In der Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass Inkassounternehmen eigene Verantwortliche seien, da sie regelmäßig die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung weitgehend selbst bestimmen und nur ausnahmsweise, beispielsweise bei der teilweisen weisungsgebundenen Übertragung des Forderungsmanagements auch Auftragsverarbeitungen i. S. d. Art. 28 DSGVO denkbar seien (Eßer in Eßer/Kramer/von Lewinski [Hrsg.], DSGVO/BDSG Nebengesetze, Kommentar, 8. Auflage 2024, Art. 4 Rdnr. 83). Gegen eine Einordnung der Auftragsverarbeitung spricht jedoch, dass oftmals auch diese Konstellationen des Inkassos durch eine weitgehend selbstständige Aufgabenwahrnehmung des Inkassounternehmens geprägt sind, die deren Einordnung als Verantwortliche nahelegen (Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, Kommentar, 4. Auflage 2024, Art. 6 DSGVO Rdnr. 51 a)." Und weiter: "Aus der sog. teilweisen weisungsabhängigen „Einziehungsermächtigung“, bei der der Auftraggeber rechtlicher Eigentümer der Forderung bleibt, folgt keine andere Bewertung. Wie der Beklagte zu Recht ausführt, unterscheidet das Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG – nicht zwischen der Einziehung fremder oder zum Zwecke der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen (§ 2 Abs. 2 RDG). Die rechtliche Inhaberschaft einer Forderung bleibt auf die Zulässigkeit der Rechtsdienstleistung ohne Einfluss, wie auch die Ausführung der Inkassotätigkeit vom Status der Forderung nicht abhängt. Gegen eine Einordnung als Auftragsverarbeiter sprechen der nur graduelle Unterschied zu Rechtsanwälten im erforderlichen Knowhow und Professionalisierungsgrad, die häufig völlige Freiheit bei der Wahl der Mittel zur Umsetzung, die sehr weitgehende Freiheit bei der Bestimmung des Zwecks bzw. die erheblichen Eigeninteressen an dieser Dienstleistung, die ebenfalls eine Einordnung als Verantwortliche nahelegen (…). Bei externem Inkassomanagement steht der Einordnung einer Auftragsverarbeitung regelmäßig entgegen, dass eine vollständige Bestimmung über die Mittel der Verarbeitung durch die Verantwortlichen nicht mehr gewährleistet sein dürfte (…). Nach Auffassung des VG Mainz scheidet eine Auftragsverarbeitung bei der Übermittlung von Daten im Rahmen einer Forderungsabtretung eines Tierarztes an ein Inkassobüro mangels Weisungsgebundenheit aus, weil die Abtretung auf einer freien Entscheidung des Zessionars beruht und der Zedent keinen Einfluss auf die nach seinem Vorstellungsbild gewünschte mit der Abtretung einhergehende datenschutzrechtliche Veränderung hat (VG Mainz, Urteil vom 20.02.2020 – 1 K 467/19.MZ –, juris, Rdnr. 22 ff.). Auch wenn die Unabhängigkeit des Inkassodienstleisters nicht gesetzlich verpflichtend vorgegeben wird und somit nicht bereits deswegen die Zwecke der Verarbeitung in die Sphäre des Inkassounternehmens verlagert werden, bestimmt das Inkassounternehmen doch faktisch die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung derart autonom, dass es datenschutzrechtlich als der für die Datenverarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche erscheint. In aller Regel ist daher auch das Inkassounternehmen im Mandatsverhältnis für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlicher und nicht Auftragsverarbeiter (…). Soweit sich aus dem Urteil der Kammer – in anderer Besetzung – vom 27.09.2021 – 6 K 549/21.WI –, juris, etwas anderes ergibt, wird daran nicht festgehalten. Das Urteil ist zudem nicht rechtskräftig geworden." Zusammenfassend führt das VG Wiesbaden somit folgende Punkte für eine Einordnung als eigener Verantwortlicher an. Autonome Bestimmung der Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung: Inkassounternehmen bestimmen weitgehend eigenständig, wie die Daten verarbeitet werden. Vergleich zu Rechtsanwälten: Der erforderliche Knowhow- und Professionalisierungsgrad sowie die Freiheit bei der Wahl der Mittel zur Umsetzung sprechen gegen eine bloße Auftragsverarbeitung. Eigeninteresse: Inkassounternehmen haben oft erhebliche eigene Interessen an der Dienstleistung, was eine Einordnung als Verantwortlicher nahelegt. Unabhängigkeit vom Auftraggeber: In der Regel haben Inkassounternehmen genügend Unabhängigkeit in der Ausführung ihrer Aufgaben, sodass sie als eigenverantwortlich gelten. | | | | 10. | ArbG Heilbronn: Altersdiskriminierung durch Formulierung "Digital Native" in Stellenbeschreibung | Die Formulierung “Digital Native” in einer Stellenbeschreibung ist eine unzulässige Altersdiskriminierung (ArbG Heilbronn, Urt. v. 18.01.2024 - Az.: 8 Ca 191/23). Die Beklagte war ein international agierendes Handelsunternehmen im Bereich Sportartikel. Sie schrieb auf zahlreichen Internetplattformen eine Position als Manager Corporate Communication (m/w/d) Unternehmensstrategie in Vollzeit wie folgt aus: "Wir lieben: (…) Darüber hinaus verstehst Du Dich als Organisationstalent, das Projekte souverän führt – auch im Change. Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Daten-getriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause.“ Die Klägerin bewarb sich auf die Stellenanzeige der Beklagten, erhielt jedoch eine Absage. Daraufhin verlangte sie knapp 38.000,- EUR Schadensersatz wegen Alterdiskriminierung. Das LG Köln sah zwar - wie die Klägerin - ebenfalls einen Rechtsverstoß, der jedoch nur einen Anspruch iHv. 7.500,- EUR auslöse. 1. Stellenbeschreibung ist Altersdiskriminierung: Der konkrete Wortlaut der Formulierung in der Jobbeschreibung stelle auf das konkrete Lebensalter ab und sei daher unzulässig: "Die Formulierung in der Stellenanzeige der Beklagten (…) stellt vorliegend ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSv § 3 Abs. 1 AGG dar. Grundsätzlich ist die Stellenausschreibung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (…). Für das Sprachverständnis hinsichtlich der in einer allgemein zugänglichen Stellenanzeige verwendeten Begriffe ist damit das Verständnis des angesprochenen Bewerberkreises maßgeblich. Unter einem „Digital Native“ (zu deutsch: digitaler Eingeborener) wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine „Person, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist und in ihrer Benutzung geübt ist“ (Duden, www.duden.de/rechtschreibung/Digital_Native, Abruf 19.1.2024) oder auch eine „Person der gesellschaftlichen Generation bezeichnet, die in der digitalen Welt aufgewachsen ist“ (Wikipedia, de.wikipedia.org/wiki/Digital_Native, dort mwN, Abruf 19.1.2024) verstanden. Auch die beklagtenseits herangezogene Definition von Prensky (Seiten 8/9 des Schriftsatzes vom 2. November 2023) zeigt, dass zumeist ein Generationenbezug gesehen wird und zum Teil eine Vermischung der Begriffe „Digital Natives, Millenials, Early Majority, Early Adopter oder Generation Y“ stattfindet – dies in Abgrenzung zu ähnlich kenntnisreichen, aber anderen Generationen entstammenden „Digital Immigrants“ sowie des „Digital Outsider“ für denjenigen, der außerhalb der digitalen Welt lebt. Festzuhalten ist, dass der Begriff „Digital Native“ im gängigen Sprachgebrauch eine generationenbezogene Konnotation aufweist. Mit ihrer Formulierung „Als Digital Native fühlst du Dich in der Welt der Social Media…. zu Hause.“ zeigt die Beklagte, dass sie eben nicht nur eine Person mit sicheren Kenntnissen in diesen Kommunikationsfeldern sucht, sondern jemanden, der diese Eigenschaft regelmäßig von Natur aus als „Eingeborener“ mitbringt. Wollte die Beklagte Bewerber aller Altersgruppen mit diesen Fähigkeiten ansprechen, hätte sie die Umschreibung „Als Digital Native“ weglassen können, denn der Begriff führt nicht zu einer Verdeutlichung der erforderlichen Kenntnisse, sondern zu einer Einengung des Bewerberkreises auf solche Personen, die die Eigenschaft bereits in die Wiege gelegt erhielten, weil sie mit diesen Medien aufgewachsen sind." 2. Entschädigungsanspruch nur iHv. 7.500,- EUR: Das Gericht hat den Anspruch jedoch nur iHv. 7.500,- EUR für gerechtfertigt angesehen und die begehrten 38.000,- EUR abgelehnt: "a) Bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (…) Demgegenüber kommt es nicht auf die Vergütung an, die sich ein Bewerber vorgestellt hätte. (…) b) Diesbezüglich hat die Beklagte ein vorgesehenes Budget i.H. eines Bruttojahresgehaltes von 60.000,00 EUR vorgetragen und auf das Bestreiten der Gegenseite mit Nichtwissen den Vortrag dahin substantiiert, das sie sowohl zwei Abrechnungen als auch den Arbeitsvertrag des eingestellten Bewerbers zur Ansicht vorgelegt hat. Die Kammer hat daher ein auf der Stelle erzielbares Einkommen iHv 5.000,00 EUR im Monat zugrunde gelegt. c) Durch eine Entschädigung iHv. 1,5 auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsverdiensten wird der Kläger angemessen für den durch die unzulässige Diskriminierung - ausschließlich - wegen seines Alters erlittenen immateriellen Schaden entschädigt. Dieser Betrag ist erforderlich, aber auch ausreichend, um die notwendige abschreckende Wirkung zu erzielen." | | | | | | Allgemeine Informationen zum Newsletter |
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