Corona: Game-Changer in der Öl-Branche? Liebe Leserin, Lieber Leser, schon sehr lange diskutieren Experten und Anleger darüber, wie lange das Öl-Zeitalter noch anhalten wird. Vor allem über die sogenannte Peak Oil Theorie wurde und wird heftig gestritten. Die schon in den 1950er Jahren aufgestellte Theorie beschäftigt sich damit, wann die Öl-Förderung ihr Maximum erreichen wird – oder ob das Maximum sogar schon erreicht wurde. Grundlage für die Theorie sind die bekannten und vermuteten Öl-Vorkommen, aus denen dann (zusammen mit anderen Faktoren) der Zeitraum der noch möglichen bzw. bevorstehenden Öl-Förderung ermittelt wird. In den letzten Jahren gab es jedoch immer mehr Zweifel an dieser Theorie, denn durch Fördermethoden wie Fracking wurden die bekannten Öl-Vorkommen immer wieder nach oben korrigiert. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Öl-Vorkommen langfristig naturgemäß sinken, denn Öl ist ein endlicher Rohstoff. Was die Peak Oil Theorie allerdings nicht beantwortet ist die Frage, ob Rohöl überhaupt noch lange genug nachgefragt wird oder ob es sich überhaupt lohnen wird, die Vorkommen bis zum bitteren Ende auszubeuten. Öl-Zeitalter früher zu Ende als gedacht? Im neuen Energy Outlook des Öl-Riesen BP wird dieses mögliche Szenario nun erstmals auch von einem der großen Öl-Multis aufgegriffen. Die weltweite Öl-Nachfrage könnte ihren Höhepunkt schon lange überschritten haben, so das Fazit. BP-Chefvolkswirt Spencer Dale: „In der modernen Energie-Geschichte gab es noch nie einen absoluten Nachfragerückgang der fossilen Rohstoffe. Das ändert sich jetzt“. Dale zeigt sich überzeugt davon, dass die Erneuerbaren Energien ab 2040 „die stärkste Kraft im globalen Energie-System“ sein werden. Auch den Grund für diese Entwicklung hat Spencer Dale identifiziert: Die Corona-Krise. Diese habe einen „signifikanten und nachhaltigen“ Einfluss auf den Verlauf der Weltkonjunktur und auf die globale Energie-Nachfrage. Die früheren Annahmen, denen zufolge die Öl-Nachfrage bis mindestens 2035 steigen werde, stellte auch BP bislang nicht in Frage. Diesen Prognosen lag eine steigende Energie-Nachfrage aus China, Indien, Brasilien und anderen Schwellenländern zugrunde – Länder, die nun durch das Corona-Virus besonders hart getroffen werden. Dauerhafte Veränderungen durch Covid-19 Zwar dürfte sich beispielsweise der Flugverkehr und der Tourismus wieder normalisieren, wenn es einen wirksamen Impfstoff gibt, doch andere Corona-Trends wie z.B. das Home-Office werden bleiben. Das heißt aber auch, dass es weniger Berufsverkehr und damit auch eine geringere Nachfrage nach Treibstoffen geben wird. Die Arbeit zu Hause ist freilich nur eines von vielen Beispielen. Die verstärkten Anstrengungen zur Klima-Neutralität sind ein weiterer wichtiger Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt. Die EU-Kommission hat kürzlich erst neue Vorschläge gemacht, denen zufolge die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduziert werden sollen. Derzeit gilt noch eine Reduktion um 40 Prozent als Ziel. Bis 2050 soll Europa komplett klimaneutral werden. Für die Erneuerbaren Energien ist der Green Deal der EU ein neuer Antreiber, der die Elektro-Mobilität, die Wasserstoff-Branche, aber auch die Gebäude-Dämmung und die Bau-Branche sowie viele weitere Segmente beflügeln wird. Der Bedarf an fossilen Rohstoffen wird also auch deshalb massiv zurückgehen, wobei Erdgas wahrscheinlich noch für eine längere Zeit gebraucht wird als Erdöl. Neuausrichtung der Branche Der BP-Konzern hat daraus Konsequenzen gezogen und schon im August eine Neuausrichtung des Unternehmens angekündigt. Jährlich sollen 5 Milliarden Euro in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert werden. Die Öl- und Gas-Produktion soll in den nächsten 10 Jahren dagegen um 40 Prozent sinken. Freilich folgt BP vor allem den Gesetzen des Marktes. Analysten erwarten, dass der Wert der geplanten neuen Projekte der Öl-Konzerne sich in den nächsten fünf Jahren halbieren könnte. Machen die Öl-Riesen also weiter wie bisher, drohen neue Milliarden-Verluste. BP musste alleine im 2. Quartal 2020 einen Rekordverlust von fast 18 Mrd. US-Dollar verbuchen, Royal Dutch Shell rutschte mit 18,1 Mrd. US-Dollar in die Miesen, die französische Total meldete ein Minus von 8,4 Mrd. US-Dollar. Schon vor der Corona-Krise waren die Gewinne der Öl-Konzerne rückläufig, denn es gab am Markt ein chronisches Überangebot an Öl und Gas, auch weil es nicht wirklich noch ein Kartell am Öl-Markt gibt, das die Preise kontrollieren könnte. Selbst die sogenannte OPEC+ unter Einschluss Russlands hat nicht mehr genug Macht, um die Fördermengen dauerhaft zu kontrollieren, denn nationale Egoismen und wirtschaftliche Not in einzelnen Ländern sind Gift für die Förderdisziplin. Öl-Aktien überhaupt noch interessant? Für uns Anleger stellt sich natürlich die Frage, ob Öl-Aktien vor diesem Hintergrund überhaupt noch interessant sind? Eine pauschale Antwort auf diese Frage ist nicht möglich, denn die Unternehmen lassen sich nicht alle über einen Kamm scheren. Zweifelsohne haben BP, Royal Dutch, Total und die anderen die Zeichen der Zeit erkannt und stellen sich neu auf. Manche Unternehmen sind dabei weiter als andere. Der französische Total-Konzern ist beispielsweise schon sehr lange breit aufgestellt, schon 2011 stieg Total mehrheitlich beim Solar-Konzern Sunpower ein, der nach Unternehmensangaben weltweiten Nr.1 der Branche. 2016 übernahm Total zudem die Mehrheit am Batterie-Hersteller Saft und ist damit auch in der Elektro-Mobilität vertreten. Diese Weitsicht sollte sich langfristig auszahlen. Auch die anderen Ölmultis haben ihren Energiemix inzwischen verbreitert, wenngleich das Öl-Geschäft immer noch den Löwenanteil ausmacht und auch noch ein paar Jahre dominant bleiben wird. Wunderdinge sollte man daher nicht erwarten, die Öl-Riesen vorzeitig abschreiben sollte man aber auch nicht. Mein Fazit Wie viele Branchen befindet sich auch die Öl-Branche in einem tiefen Umbruch, der durch die Corona-Krise zwar nicht verursacht wurde, der diesen aber beschleunigt. Das Ende des Öl-Zeitalters ist zwar noch nicht da, dürfte aber schneller erreicht werden, als bislang angenommen. Die Öl-Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt und stellen sich auf tiefgreifende Veränderungen ein, um auch zukünftig als Energie-Lieferant noch eine Rolle zu spielen. Die Zeiten als sichere Dividenden-Aktien dürften damit zumindest zeitweise vorbei sein, denn die Erlöse aus dem Öl-Geschäft dürften aufgrund vermutlich länger anhaltender niedriger Öl-Preise auf absehbare Zeit belastet sein. Zudem werden hohe Investitionen in die neuen Geschäftsfelder der Erneuerbaren Energien benötigt. Dass dies auch zulasten der Aktionäre gehen wird, ist ebenso Fakt wie die Tatsache, dass die Aktie aufgrund der Unsicherheiten wahrscheinlich in Zukunft stärker schwanken werden, als wir dies aus der Vergangenheit gewohnt sind.
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