Sehr geehrte Damen und Herren, | manche mögen es „nur eine Kommunalwahl“ nennen, doch selten war ein Urnengang in einem Bundesland so richtungsweisend für das bundespolitische Geschehen wie die am Sonntag in Nordrhein-Westfalen. Von dem Möchtegern-Status der SPD als Volkspartei, über die Möchtegern-Volksparteiwerdung der Grünen bis hin zur CDU-Kanzlerkandidatenfrage – all das hat bei dieser NRW-Wahl mitgeschwungen. Die Erkenntnisse am Tag danach: die CDU ist stärkste Kraft geworden, was wiederum Armin Laschet (siehe Foto) im Kampf um den Parteivorsitz stärkt. Dennoch sind die 34,3 Prozent der Stimmen, die die Christdemokraten für sich gewinnen konnten, das historisch schlechteste Ergebnis in NRW. Die SPD schaffte schlappe 24,3 Prozent in ihrem einstigen Stammland, feiert sich aber dafür, dass sie als zweitstärkste Kraft vor den Grünen liegt. Die sind die eigentlichen Gewinner der Wahl, sie konnten ihren Stimmenanteil um 8,3 Prozent auf 20 Prozent steigern. Mag die Corona-Krise auf Bundesebene den Glanz von Robert Habeck genommen haben, das grüne Lebensgefühl im großstädtischen, bürgerlichen Milieu ist geblieben. |
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Gewählt wurde am Sonntag auch in Russland, und das Ergebnis dieser Regionalwahlen ist eindeutig: Trotz der sinkenden Umfragewerte Wladimir Putins bleibt die Macht der Kreml unangefochten. Eigentlich sollte diesmal alles anders werden, hatten noch im August die russischen Oppositionellen, allen voran der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny, gehofft. Seine Anhänger sprachen vom „entscheidenden Tag des Kampfes“, von einem Testlauf für die Duma-Wahl im kommenden Jahr. Nun kämpft Nawalny mit den Folgen einer Nowitschok-Vergiftung, die offenbar von staatlichen Stellen Russlands verübt wurde, in der Berliner Charité. „Die Innenpolitik-Experten in Wladimir Putins Präsidialadministration können sich hingegen entspannt zurücklehnen“, schreibt unser Russland-Korrespondent Pavel Lokschin. Trotz der Müdigkeit der Russen mit der Kreml-Partei "Einiges Russland" blieb ihre Rolle als Putins Machtinstrument unangefochten. Eine eindringliche Warnung hat zu Wochenbeginn die Weltgesundheitsorganisation WHO ausgesprochen: Sie rechnet mit einer Zunahme der täglichen Corona-Todesfälle in Europa im Oktober und November. „Es wird härter werden“, sagte Hans Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. Bisher ist die Zahl der Todesfälle relativ stabil, obwohl seit einigen Wochen die Neuinfektionen mit dem Virus deutlich steigen. Israel hat nun Konsequenzen gezogen und einen zweiten landesweiten Lockdown beschlossen. Der soll am Freitag in Kraft treten und zunächst für drei Wochen gelten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, angesichts steigender Infektionszahlen hätten Klinikleiter „die rote Fahne“ gehisst. Nun sollen also Schulen und Kindergärten wieder geschlossen werden, ebenso Hotels, Restaurants, Einkaufszentren und Freizeiteinrichtungen. In der Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria erhöht die SPD den Druck auf ihren Koalitionspartner. Nach Informationen des Nachrichtenportals „The Pioneer“ wollen die Sozialdemokraten in ihrer heutigen Vorstandssitzung eine Resolution zur Lage auf Lesbos verabschieden. Darin werde die bislang von mehreren EU-Staaten geplante Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen, davon 150 in Deutschland, als „völlig ungenügend“ bezeichnet. Der SPD-Vorstand will Bundesinnenminister Horst Seehofer auffordern, auf die Aufnahmeangebote vieler Bundesländer und Kommunen einzugehen. „Wir erwarten vom Bundesinnenminister, dass er diese Bereitschaft jetzt endlich konstruktiv aufgreift“, heißt es in der Resolution. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle den Kommentar meines Kollegen Tim Röhn ans Herz legen, der in der Vergangenheit immer wieder vor Ort in Moria recherchiert hat. Er schreibt: „Ist es sinnvoll, alle Moria-Bewohner von Lesbos zu evakuieren? Würde damit Leid wirklich dauerhaft gelindert? Angesichts der Komplexität der Krise in der Ostägäis lautet die Antwort: wohl kaum – schon allein, weil sich Athen dagegen ausgesprochen hat, die Menschen anderen EU-Staaten zu überstellen. Unabhängig davon ist es keine gute Idee, Menschen einmal quer über den Kontinent zu fliegen, sie dort einem Asylverfahren zuzuführen, um ihnen dann in der Mehrheit der Fälle mitteilen zu müssen, dass der Asylantrag abgelehnt wurde und Deutschland wieder zu verlassen ist. Darüber hinaus würde die geforderte Massenevakuierung unweigerlich eine Sogwirkung entfalten, die viele weitere Menschen zur halsbrecherischen Bootsfahrt über das Meer animieren würde. Die Todesopfer, die es dann zwangsläufig wieder vermehrt geben würde – wer nimmt die auf seine Kappe?“ Was heute noch wichtig wird: EU-China-Gipfel. Eigentlich sollte er der Höhepunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft werden, der Gipfel mit allen 27 Staats- und Regierungschefs und der chinesischen Regierung. Stattdessen findet nun coronabedingt ein virtuelles Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Ratspräsident Charles Michel, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Chinas Präsident Xi Jinping statt. Inhaltlich wird es vor allem um ein Investitionsabkommen gehen, über das schon seit Jahren verhandelt wird. Besuch des Diktators. Der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko trifft sich in Sotschi mit Wladimir Putin. Es ist das erste persönliche Treffen der beiden seit der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August - und das erste Mal seit der Wahl, dass Lukaschenko das Land verlässt. Währenddessen halten die Proteste in Minsk an, trotz Verhaftungen und Folter. Zum Schluss möchte ich mich noch in eigener Sache an Sie wenden, mit einer Nachricht, die Sie sicherlich genauso freuen wird wie mich: Der 5-nach-12-Newsletter wird ab morgen noch an- und aufregender. Optisch bekommt er ein neues Gesicht und inhaltlich viele neue Gesichter. Unsere Köpfe der WELT, vom Chefkommentator Jacques Schuster über Politik-Ressortleiterin Claudia Kade bis hin zu Wirtschafts-Ressortleiter Olaf Gersemann, werden Sie künftig mit ihren Analysen zum Tagesgeschehen in den Mittag begleiten. Die aktuellen Nachrichten, die Debatte des Tages sowie den Ausblick auf das, was noch kommt, wird Ihnen Judith Mischke, meine neue Kollegin im WELT-Newsroom, präsentieren. Die WELT-Redaktion und ich sind schon jetzt gespannt auf Ihre Reaktionen, liebe Leserinnen und Leser. Ich wünsche Ihnen einen sonnenwarmen Tag, |
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