Offener Brief des Redaktionsteams der Seniorenzeitung Alt? na und! an Herrn Oberbürgermeister Marc Buchholz und an die Fraktionen der im Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr vertretenen Parteien zur Schließung der Stadtteilbibliotheken. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete! Nach der Schließung der Volkshochschule an der Bergstraße bis zum Beginn der ersten Corona-Einschränkungen im März 2020 traf sich das Redaktionsteam der Mülheimer Seniorenzeitung Alt? na und! wöchentlich in einem Raum der Stadtteilbibliothek Mülheim-Speldorf. Wir haben erlebt, welch qualifizierte und wertvolle Arbeit die Mitarbeiterinnen hier leisten. Sie halten nicht nur den Buchbestand auf einem aktuellen Stand. Durch vielfältige Aktivitäten und Angebote ist ein Zentrum für Bildung, Kultur und Kommunikation entstanden. Das kommt vor allem zwei Gruppen zugute: Kindern (z.B. durch die Leseförderung) und älteren Menschen (z.B. durch die Möglichkeit der Kommunikation mit Nachbarn). Es sind gerade diese Gruppen, die unter der Corona-Krise besonders leiden und deren Wohl einer "familienfreundlichen Stadt" – wie Mülheim sich nennt – am Herzen liegen muss. Die Situation in den anderen Stadtteilbibliotheken ist ähnlich. Diese Orte der Begegnung sind zu einem unverzichtbaren Teil unseres Gemeinwesens geworden. Und genau dort, wo dies unmittelbar den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommt, wird nun der Rotstift angesetzt. Wir sind empört und wir hoffen darauf, dass noch viele weitere Menschen, die sich im Netzwerk der Generationen engagieren und sich für die Lebensqualität in ihrem Stadtteil einsetzen, mit uns dafür stark machen, die Stadtteilbibliotheken zu erhalten. Das Argument, dass durch die Digitalisierung zunehmend von überall auf die Medien einer Bibliothek zugegriffen werden könne und deshalb das Medienhaus in der Stadtmitte ausreiche, trifft auf Kinder und Ältere kaum zu. Und wenn dann noch, wie angekündigt, Haltestellen der Linie 901, die Speldorf mit der Innenstadt verbindet, eingespart werden sollen, sind wieder (kleinere) Kinder und (nicht so mobile) Senioren die Leidtragenden. Das Medienhaus liegt dann jedenfalls "in weiter Ferne". Noch Anfang 2020 wurden Einsparungen im Haushalt durch reduzierte Öffnungszeiten der Stadtteilbibliotheken erreicht. In einem Vorschlag der CDU dazu hieß es damals zur Situation der Bibliotheken in Mülheim: Trotz der fortschreitenden Digitalisierung "kommen immer mehr Menschen dorthin. Sie werden intensiv als Lern- und Arbeitsorte, aber auch als Orte der Kommunikation und Kreativität genutzt. In ihrer Funktion als Zentren für Kultur und Bildung werden Öffentliche Bibliotheken deshalb auch häufig als `Dritte Orte` oder `Wohnzimmer der Innenstädte` bezeichnet." Hat sich das im letzten Jahr geändert? Nur ein Jahr später hat man sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht, nach Alternativen zu suchen, die den Fortbestand der Bibliotheken ermöglichen. Vorgeschlagen wurde, dass Ehrenamtliche alleine die Bibliotheksarbeit übernehmen. Aus unserer Sicht ist das gar nicht möglich. Gibt es denn wirklich keine Alternative zu einer vollständigen Schließung? Wir fordern Verwaltung und Stadtrat auf, einen Weg zu suchen und zu finden, die Stadtteilbibliotheken zu erhalten, damit die Teilhabe an Bildung, Kultur und nachbarschaftlichem Miteinander gerade für schwächere Gruppen in unserer Stadt nicht weiter eingeschränkt wird! "Neues Vertrauen in die Verwaltungsspitze schaffen" war der Wahlspruch des OB bei der Oberbürgermeisterwahl – hier könnte sich zeigen, wie ernst diese Worte gemeint waren. Gabriele Strauß-Blumberg, stellvertretend für die Mitglieder der Redaktion der Mülheimer Seniorenzeitung "Alt? na und!" |