Liebe/r Leser/in, in den Statistiken heißen sie die „Genesenen“. Doch wenn Covid-19-Patienten „genesen“ genannt werden, heißt das längst nicht, dass es ihnen gut geht. Auch ich kämpfe seit meiner Corona-Erkrankung im März mehr und mehr mit den Spätfolgen – rieche und schmecke nur noch eingeschränkt, habe Bluthochdruck, bin häufiger schnell erschöpft. Dennoch: Ich wünschte, dieser Sommer würde ewig dauern, trotz all seiner Einschränkungen. Er tat so gut nach diesem erschreckenden Frühlings-Lockdown, mir graut’s jetzt schon vor dem Viren-Schnupfen-Herbst. In dieser Woche, in der das Robert Koch-Institut die höchste Zahl an Neuinfektionen in Deutschland seit mehr als drei Monaten registriert hat, in der Kanzlerin Angela Merkel vor einem „Desaster“ warnte und davon sprach, „die Zügel anzuziehen“, in dieser Woche, in der deutlich wurde, dass viele Schulen noch nicht funktionieren, ist sie zurück, die große Corona-Unsicherheit. Wer ist nicht Risikogruppe? Wir alle leben derzeit in der Risiko-Republik. In unserer Titelgeschichte berichten wir darüber, wie tief greifend diese Pandemie unseren Alltag verändert. Wir sprachen mit Ärzten, die schwere Spätfolgen auch bei jungen Menschen mit leichten Verläufen feststellten. Wir interviewten Unternehmer, Kulturschaffende, Eltern, den Zukunftsforscher Matthias Horx und den Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer. Er warnt vor einem zweiten Lockdown – gerade vor dem Hintergrund, dass die Arbeitslosenzahlen steigen, 40 Prozent der Firmen derzeit schwere Liquiditätsprobleme haben und sich jedes zehnte Unternehmen sogar für insolvenzgefährdet hält. Ja, die Langzeitfolgen dieses Virus aus China beschränken sich eben nicht nur auf unsere Gesundheit; sie beeinflussen unsere Arbeit (Homeoffice), unser Konsumverhalten (Amazon-Boom), unseren Urlaub (Oh je, Mallorca) und sie prägen eine Gesellschaft, deren Sicherheitsbedürfnis auch das Rennen um die Kanzlerschaft im kommenden Jahr entscheiden wird. Ob die Milliardenhilfen für die Wirtschaft oder ein verlängertes Kurzarbeitergeld Geisterbranchen künstlich am Leben erhalten oder den Aufbruch Deutschlands nur verschleppen werden, zeigt sich später. Im Gegensatz zu SPD-Notstandskanzlerkandidat Olaf Scholz wünsche ich mir nicht, dass der Markt immer mehr verstaatlicht wird, alle Sorgen wohlfeil bis zur Wahl mit Geschenken übertüncht werden. Zum Schluss etwas Positives aus Coronistan: Laut einer Prognose des Klimaschutzberichts für 2019, den das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat, könnten die deutschen Klimaschutzziele für dieses Jahr doch noch eingehalten werden. Das ist doch mal was! |